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Der Kohlepreis fällt: Wie kann Gigant Glencore den Sinkflug stoppen?

Gebäude des Rohstoffkonzern Glencore im Kanton Zug: Wie andere Rohstofffirmen auch kämpft Glencore mit den sinkenden Rohstoffpreisen.
Gebäude des Rohstoffkonzern Glencore im Kanton Zug: Wie andere Rohstofffirmen auch kämpft Glencore mit den sinkenden Rohstoffpreisen.Bild: KEYSTONE

Der Kohlepreis fällt: Wie kann Gigant Glencore den Sinkflug stoppen?

Die sinkenden Rohstoffpreise haben den Höhenflug der Rohstofffirma Glencore mit Hauptsitz in Baar im Kanton Zug gestoppt. Eine Bilanz, vier Jahre nach dem Börsengang.
17.07.2015, 05:5417.07.2015, 12:39
Andreas Schaffner / Aargauer Zeitung
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Aargauer Zeitung

In Australien liefern sich zwei ehemalige Studienfreunde ein Fernduell. Auf der einen Seite ist Glencore-Chef Ivan Glasenberg. Auf der anderen Mick Davis, Sir Mick, ehemaliger Chef der Bergbaufirma Xstrata, die 2013 von Glencore geschluckt wurde. Beide stammen aus Südafrika und sind im Rohstoffgeschäft gross geworden. Es geht um Kohle. Um ein Kohlefeld in der Provinz New South Wales. Die australisch-englische Minengesellschaft Rio Tinto will dort drei Minen verkaufen. Der Kaufpreis wird auf 1,9 bis 3,8 Milliarden Franken geschätzt.

«Der König der Kohlen»

Es ist ein ungleiches Duell. Der Rohstoffgigant Glencore mit Sitz in Baar macht über 200 Milliarden Franken Umsatz und gilt als weltweit grösster Produzent von Steinkohle. Ivan Glasenberg selber hat als Kohlehändler in Südafrika angefangen. Damals hiess die Firma noch «Marc Rich + Co.». Später war Glasenberg bis 2002 Leiter des weltweiten Kohlegeschäfts. Während sein 2013 verstorbener Ziehvater Marc Rich «King of Oil» genannt wurde, wird Glasenberg als «King of Coal» bezeichnet.

Ivan Glasenberg
Ivan GlasenbergBild: ARND WIEGMANN/REUTERS
Sir Mick Davis
Sir Mick DavisBild: Arnd Wiegmann/REUTERS

Glasenbergs Strategie bestand in den letzten Jahren darin, möglichst viel Marktkraft aufzubauen, um letztlich den Preis und die Marge besser zu kontrollieren. Doch der Kohlepreis ist, wie viele andere der 90 Rohstoffe, die Glencore produziert und handelt, in den letzten Monaten massiv eingebrochen. Hauptgrund ist der Nachfrage-Einbruch in China. Der Aktienkurs der Firma ist deshalb im Sinkflug, wie bei anderen Rohstoffunternehmen auch. Am Donnerstag gab Glencore-Konkurrent Anglo American einen Abschreiber von 4 Milliarden Franken bekannt. Glencore verkündete die Schliessung von Kohlewerken in Südafrika. Am 13. August werden Umsatzzahlen für das erste Halbjahr bekannt gegeben. 

Es geht beim Duell im fernen Australien aber nicht nur um Kohle. Sondern, gemäss der Interpretation von australischen Medien, auch um Rache: Der von der englischen Königin kürzlich geadelte Mick Davis hat auch die Schmach nie überwunden, dass ihn Glasenberg bei der Fusion der beiden Firmen Glencore und Xstrata fallen liess. Davis hat deshalb in den letzten Jahren eine eigene Firma mit dem bezeichnenden Namen «X2 Resources» gegründet und dafür 5,6 Milliarden Dollar bei Investoren und Banken gesammelt. Mit dabei ist etwa die Rohstofffirma Noble mit Sitz in Hongkong. 

Das Duell lässt die jüngste Firmengeschichte aufleben, die Glencore und damit der Kanton Zug und die Schweiz in den Mittelpunkt des weltweiten Rohstoffgeschäfts katapultierte und die die offizielle Politik hellhörig werden liess. Glencore steht spätestens seit der Fusion mit Xstrata im Februar 2012 immer wieder im Fokus. Denn der Konzern kontrolliert bei wichtigen Rohstoffen die Wertschöpfung vom Abbau über den Handel bis hin zu Lagerung und Transport. Menschenrechtsorganisationen weisen regelmässig auf die prekären Situationen der Abbauländer in Afrika oder Südamerika hin. Kritisiert werden auch angebliche Steuervermeidungspraktiken in den Ländern, die Glencore jedoch stets heftig dementiert. 

Zurück zum Duell der beiden Herren, die im Streit auseinandergingen. Was ursprünglich ein Zusammengehen von gleichberechtigten Partnern sein sollte, wurde zu einer kalten Übernahme durch Glencore. Seither haben in der Firma praktisch nur noch Glencore-Leute das Sagen. Davis wurde angeblich mit 16 Millionen abgespeist. 

Ausgerechnet jetzt taucht dieser Davis wieder auf. Glencore – und damit Ivan Glasenberg – steht vier Jahre nach dem Börsengang vor entscheidenden Fragen: Kann die Firma die Überproduktion, die zu den tiefen Preisen führt, in den Griff bekommen? Kann Glasenberg von einem möglichen Aufschwung profitieren? Kann er Anleger davon überzeugen, dass er in den zukunftsträchtigen Rohstoffen tätig ist? Auffällig oft sieht man Glasenberg diese Tage «im Gespräch mit der Öffentlichkeit». Sei es im Interview mit dem «Blick». Oder wie zuletzt im Juni im Festsaal des Zürcher Kaufleuten. 

Denn es steht letztlich auch seine Glaubwürdigkeit als Unternehmer auf dem Spiel. Bisher drehte sich bei ihm alles um Wachstum. Glencore und Xstrata – an der Glencore bis zuletzt einen Anteil von 40 Prozent hielt – kauften seit den 90er-Jahren Mine um Mine auf. Nachdem die Rohstoffpreise auf ein Allzeithoch kletterten, steigerte sich der Wert der Minen ins Unermessliche. Glasenberg brachte 2011 das privat gehaltene Rohstoffunternehmen an die Börse.

Glencore wird wie andere Rohstofffirmen genau beobachtet: Aktivisten protestieren vor einer Versammlung von GlencoreXstrata in Zug
Glencore wird wie andere Rohstofffirmen genau beobachtet: Aktivisten protestieren vor einer Versammlung von GlencoreXstrata in ZugBild: KEYSTONE

Milliardärs-Macher aus Baar

Dieser Schritt machte ihn und die 500 Eigentümer aus Management und Belegschaft reich und ermöglichte Glencore schliesslich die vollständige Übernahme von Xstrata. Fünf Spitzenmanager wurden zu Milliardären. Darunter Glasenberg, dessen Beteiligung von damals 15,7 Prozent am Rohstoffkonzern 9,3 Milliarden Dollar wert war. Allerdings durften der Südafrikaner mit Schweizer Pass sowie alle anderen ihre Aktien fünf Jahre nicht verkaufen. Diese Sperrfrist ist diesen Mai abgelaufen. Der einzige, der seither Aktien verkaufte, ist Glencore-Verwaltungsrat Bill Macaulay. Anderen ist der Preis für die Aktie wohl noch zu tief. Oder sie wetten darauf, dass der Aufschwung bald wieder kommt. Denn die Prognosen zeigen klar, dass der Bedarf an Rohstoffen – auch von Kohle – in den nächsten Jahren massiv zunehmen wird. 

Jetzt auf

Nur wenige Top-Manager haben bisher die Firma verlassen: Einer davon ist Christian Wolfensberger, der Ehemann von Ex-Miss-Schweiz Fiona Hefti. Er hat zuletzt den Eisenhandel aufgebaut. Der Bereich hat im letzten Jahr einen Abschreiber von 180 Millionen Franken zu verantworten. 

Glencore will vor der Publikation der Halbjahreszahlen nicht Stellung nehmen. Bankanalysten sehen jedoch das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz gut positioniert.

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