«Dazu möchte ich nichts sagen», wiederholte der beschuldigte Kaya (Name geändert) immer wieder vor dem Bezirksgericht Brugg. Als strafbare Handlungen zur Last gelegt wurden ihm: mehrfache Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Übertretung gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Die Staatsanwaltschaft forderte eine unbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten – unter Anrechnung der über viermonatigen Untersuchungshaft – sowie einen Landesverweis für die Dauer von zehn Jahren.
Weniger wortkarg gab sich Kaya zu Beginn der Verhandlung bei der Befragung zu seiner Person. Auch wenn er sich nicht an alle Details aus seinem Leben erinnerte – «das ist lange her» –, gab er freundlich Auskunft.
Der gepflegte 29-Jährige mit dem modischen kurzen Bart erschien sportlich gekleidet in einem hellblauen Kurzarm-Hemd, einer dunkelblauen Jeans und mit schwarzen Halbschuhen vor dem Gesamtgericht.
Der türkische Staatsangehörige ist in der Schweiz geboren und im Freiamt aufgewachsen, wo er noch heute lebt. Inzwischen hat er eine Familie gegründet und ist Vater von zwei kleinen Kindern. Seine Ehefrau war im Gerichtssaal als Zuschauerin anwesend.
Kaya schloss eine Lehre ab als Logistiker und absolvierte in der Folge den Lehrmeisterkurs. Seit letztem Herbst ist er zu 100 Prozent für ein Unternehmen im Automobilhandel tätig.
Kontakte in die Türkei hat Kaya nach eigenen Angaben kaum. Ein Landesverweis wäre, hielt er fest, schwierig für seine Familie. Auf die Frage von Gerichtspräsidentin Gabriele Kerkhoven, was er im Falle eines Schuldspruchs in der Türkei machen würde, wollte er keine Antwort geben.
Mehrfach soll der Beschuldigte Betäubungsmittel besessen, veräussert oder befördert haben. In einem konkreten Fall hat er gemäss Anklageschrift an einem Abend Ende März 2017 einem Mann im Raum Brugg 400 Gramm Kokain in mehreren Blöcken übergeben für den Weiterverkauf. Gleichzeitig habe er den Betrag von 21 600 Franken übernommen, der Verkaufserlös einer früheren Lieferung.
Weiter hat der Beschuldigte einen Mietvertrag für Kellerräumlichkeiten in einem Gebäude im Bezirk Lenzburg abgeschlossen. Er wollte laut Anklageschrift eine Indoor-Hanfanlage aufbauen. Die Pläne und die Abklärungen seien zum Zeitpunkt der Verhaftung weit fortgeschritten gewesen.
An seinem Wohnort kamen zudem über 120 Hanfsamen zum Vorschein. Zu den Vorfällen und Vorwürfen verweigerte der Beschuldigte die Aussage. Auch darüber, wie er sich den aufwendigen Lebensstil leisten konnte – die Rede kam auf die beiden Autos –, machte er keine Angaben.
Für die Staatsanwältin waren die Beweise erdrückend. Der Beschuldigte sei selber zwar nicht süchtig. Ihm sei es darum gegangen, schnell und ohne grossen Aufwand viel Geld zu verdienen. Mit seinem Handeln habe er die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr gebracht. Das Verschulden sei als schwer zu gewichten.
Die Staatsanwältin sprach von egoistischen Beweggründen, es fehlten die Einsicht und die Reue des Beschuldigten. Die Verteidigerin dagegen sah keine Hinweise auf Drogengeschäfte. Als plausible Erklärung für den Bargeldbetrag nannte sie einen Autoverkauf.
Die Staatsanwaltschaft könne den Anklagesachverhalt nicht beweisen, hielt sie fest. Der Beschuldigte sei von Schuld und Strafe freizusprechen, von einem Landesverweis – ihr Mandant sei hervorragend integriert – sei abzusehen.
Mittlerweile liegt das schriftliche Urteil vor. Wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz wird der Beschuldigte verurteilt zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 6 Monate unbedingt.
Dass der Geldbetrag von 21 500 Franken aus Drogengeschäften stammte, sieht das Gericht als erstellt an. Von sämtlichen weiteren Vorwürfen wird der Beschuldigte mangels Beweisen freigesprochen. So war laut Gericht nicht feststellbar, zu welchem Zweck die Kellerräumlichkeiten gemietet wurden und wie hoch bei den Hanfsamen der THC-Gehalt war, der für die berauschende Wirkung sorgt.
Auch von einem Landesverweis sieht das Gericht ab. Es kommt zum Schluss, dass – auch wenn es sich um einen Grenzfall handle – von einem Härtefall auszugehen sei. Der Beschuldigte, so die Begründung, ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen, habe hier seine Lehre absolviert, sei in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis angestellt. Der verheiratete Familienvater sei nicht vorbestraft, zudem lebten auch seine nächsten Familienangehörigen in der Schweiz.
Wenn ich solchen Stuss lese, bin ich immer versucht, den Gerichten und Polizeiorganen jegliche Berechtigung zur Verfolgung von Drogendelikten abzusprechen.
Man weiss, was gemeint ist. Es klingt aber trotzdem komisch.
Ich kann nicht anders: Einen bestens Integrierten stelle ich mir anders vor.