Eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 kann verschiedene Organe beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund haben Forscher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der US-amerikanischen Cornell University zelluläre Faktoren untersucht, die für eine Infektion von Bedeutung sein könnten.
Dabei stellten sie fest, dass es sogenannte «Hotspots» im menschlichen Körper gibt – darunter Darm, Leber, Nieren und auch Hoden.
«SARS-CoV-2 infiziert nicht nur die Atemwege, sondern hat das Potenzial, viele andere Organe im Körper zu beeinträchtigen. Selbst wenn das Virus zuerst das Atmungssystem infiziert, ist es wichtig, vorhersagen zu können, wohin es als nächstes gehen könnte», erläutert Dr. Vikas Bansal, Datenwissenschaftler am DZNE-Standort Tübingen.
Den Studienautoren zufolge nutzt das Coronavirus zum Eintritt in menschliche Zellen vor allem sogenannte ACE2-Rezeptoren. Diese sind im Körper an vielen Stellen zu finden – unter anderem auch in den männlichen Fortpflanzungsorganen. Dort verfügen Vorläuferzellen von Spermien und bestimmte Zellen zur Spermienreifung über die eben genannten Rezeptoren. Es sei daher naheliegend, dass Covid-19 auch die Spermienqualität beeinflussen könnte. Die Ergebnisse wurden bereits 2020 im Fachmagazin «Cell Reports» veröffentlicht.
Die Vermutung, dass eine Corona-Infektion unfruchtbar machen könnte, ist nicht neu und taucht seit Beginn der Pandemie immer wieder auf. Unter dem Hashtag #Hodencovid wurde in den sozialen Netzwerken spekuliert, wie gefährlich das Coronavirus für die Hoden ist. Der Begriff gilt allerdings als umstritten und wird von den meisten Experten abgelehnt.
Von anderen Viruserkrankungen wie Mumps ist ebenfalls bekannt, dass der Erreger die Hoden befallen kann. Auch bei SARS wurden bei einigen Patienten Hodenentzündungen diagnostiziert. Zu Covid-19 gibt es bisher nur vereinzelte Studien, die konkrete Hinweise darauf liefern.
So berichteten bereits Ende 2020 Reproduktionsmediziner davon, Viruspartikel in den Hoden sowie in den Keimzellen, aus denen sich die Spermien bilden, gefunden zu haben. Darunter auch das Spike-Protein, mit dem sich das Coronavirus Zugang zu den Zellen verschafft. Dafür entnahmen die Forscher Proben von fünf Covid-Verstorbenen im Alter zwischen 51 und 83 Jahren.
«Unsere Ergebnisse liefern Beweise dafür, dass SARS-CoV-2 die Hoden und die Keimzellen infizieren können, was auf möglichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Spermatogenese und die männliche Fruchtbarkeit hindeutet», schlussfolgern die Wissenschaftler. Es seien allerdings weitere Studien nötig, um den Mechanismus zu verstehen.