Toni Kroos sagte nach seinem Kunstfreistoss gegen Schweden in die Kamera: «Man hat das Gefühl, dass es viele Leute in Deutschland gefreut hätte, wenn wir heute rausgegangen wären.» Das ist schon komisch, dass der amtierende Weltmeister im eigenen Land so viele Hater hat.
Nur, der Weltmeistertitel scheint wie eine Ewigkeit her zu sein. Deutschland war im Juli 2014 ein anderes Land. Der erste Flüchtlingsstrom war noch ein Jahr entfernt, die AfD lag in Umfragewerten bei 5 Prozent und RB Leipzig hatte gerade eine Drittliga-Saison hinter sich.
Heute ist vieles anders. Deutschland mag sich gerade selbst nicht so recht und trägt das auch in seine Nationalmannschaft. Die Selfie-Affäre um Erdogan war exemplarisch dafür. Das spürten Kroos und seine Kollegen.
Jetzt ist Deutschland raus und die Häme prasselt auf das Team ein. Doch mein Mitleid hält sich in Grenzen. Statt eines «Jetzt erst Recht» gab es Lähmung. Von den Spielern gab es gespielte Souveränität, die einfach nur selbstgefällig wirkte.
Doch welche Tränen mich wirklich mitnahmen, waren die von Marco Reus.
Die Erfahrenen haben sich ihren WM-Traum schon 2014 erfüllt. Und die Jungen können in vier Jahren neu anlaufen. Doch das hier war wohl Reus' letzte Chance.
Alles verdient und aufgrund dieser ganzen Marketing-Kacke auch nicht traurig, aber ich will heulen, wenn ich daran denke, dass das wohl die erste und letzte WM von Marco Reus gewesen sein wird. #WM2018
— Marc Schwitzky (@jungerherr1892) 27. Juni 2018
Der Dortmunder ist 29 Jahre alt. Seine Verletzungshistorie ist verheerend, er verpasste nicht nur die WM 2014 (und somit den WM-Titel), sondern auch die Europameisterschaft in Frankreich. Reus kam nach jeder Verletzung mit Weltklasse-Leistungen zurück. Bis es ihn wieder erwischte. Es ist eine Schande, dass ein Spieler seiner Klasse nur 34 Spiele für die Nationalmannschaft machte.
Es gibt kaum einen Tempospieler, der so elegant und tödlich gegnerische Abwehrreihen terrorisiert. Und das alles tut er mit so eleganten Bewegungen, als ob er immer einen Zentimeter über dem Rasen schweben würde.
Reus in Topform spielt in jedem Verein der Welt Stamm. Bei dieser desolaten WM war Reus ein Rettungsanker: Wenn er an den Ball kam, gab es Hoffnung. Dieses Mal war es keine Verletzung, er wurde einfach hängen gelassen. Es hat wieder nicht sein sollen.
Über die Vorbereitungsspiele hätte man ja noch hinweg sehen können, aber gleich gegen Mexiko eine Klatsche zu bekommen, sich von Schweden vorführen zu lassen - das geht nicht.
Das war einfach keine geschlossene Mannschaft und sie funktionierte nicht zusammen.
Ich werde jetzt mal der Schweizer Nati die Daumen drücken. Ich glaube die stehen weit besser zusammen und treten als Mannschaft auf.