Mit ihren Besuchen in Washington wollen Emmanuel Macron und Angela Merkel nicht nur den Iran-Deal retten, sondern auch den US-Präsidenten davon abhalten, die Strafzölle auf Stahl und Aluminium einzuführen. Wohl vergeblich. In wenigen Tagen läuft die Schonfrist ab, und Trump macht keinerlei Anstalten, von seiner harten Haltung abzurücken.
Ein Handelskrieg über den Atlantik scheint damit nicht mehr zu vermeiden. Die beiden wichtigsten Handelspartner der Welt, die EU und die USA, werden sich bald in den Haaren liegen und sich gegenseitig vor den Gerichten der Welthandelsorganisation WTO anklagen.
Ökonomisch gesehen macht das keinen Sinn. Die Volkswirtschaften auf beiden Seiten des Atlantiks brummen. Das amerikanische Bruttoinlandprodukt (BIP) hat im ersten Quartal 2,3 Prozent zugelegt. Auch die Auftragsbücher der deutschen Wirtschaft sind voll. Selbst in Euroland erholt sich die Wirtschaft trotz leichten Rückschlägen weiter.
Vordergründig ist Trumps Sturheit der Grund für den sich anbahnenden Handelskrieg. Tatsächlich scheint der US-Präsident es nicht verkraften zu können, dass seine Landsleute lieber Autos der Marken Mercedes und BMW fahren anstatt Chevrolet oder Ford. Unablässig lästert er gegen die deutsche Autoindustrie.
Dazu kommt, dass Trump ökonomisch gesehen immer noch im Steinzeitalter lebt. Er umgibt sich mit so genannten Merkantilisten, Ökonomen, die fälschlicherweise in einem Handelsdefizit den Grund allen Übels sehen und versuchen, mit protektionistischen Massnahmen wie Strafzöllen dagegen anzukämpfen.
Trump hasst auch weltumspannende Handelsabkommen wie TPP und TIPP. Er möchte lieber bilaterale Verträge mit jedem einzelnen Land abschliessen. Auch die WTO ist dem US-Präsidenten suspekt. Am liebsten würde er sich von ihr lossagen.
Alle Schuld Trump in die Schuhe schieben zu wollen, wäre jedoch für einmal falsch. Die Deutschen tragen das Ihre dazu bei, dass die Weltwirtschaft aus den Fugen zu geraten droht. In den letzten 15 Jahren haben sie sich in einen wahren Exportrausch gesteigert, gegen den selbst Trump-kritische Ökonomen wie Joseph Stiglitz oder Paul Krugman vergeblich ankämpfen. Wie ist es dazu gekommen?
Gegen Ende der 90er Jahre geriet die deutsche Wirtschaft in ernsthafte Schwierigkeiten. Die gewaltigen Kosten der Wiedervereinigung drückten, und die neue Billigkonkurrenz aus dem Osten machte Siemens & Co. das Leben schwer. Deutschland drohte zum «kranken Mann Europas» zu werden.
Berlin reagierte darauf mit der berühmt-berüchtigten Agenda 2010, einem Programm, das den Gewerkschaften Lohnverzicht auferlegte und die Sozialleistungen drastisch einschränkte (Hartz IV). Damit sollte die Wettbewerbsfähigkeit wieder hergestellt werden.
Auch der Euro erwies sich bald als Glücksfall. Auf die harte D-Mark folgte eine weiche Einheitswährung. Die deutschen Exportchancen wurden noch grösser. Dazu kam, dass der Euro es den südlichen EU-Mitgliedsländern ermöglichte, sich zu günstigen Bedingungen zu verschulden. Sie machten davon ausgiebig Gebrauch, Mercedes und BMW sind auch am Mittelmeer sehr beliebt.
Lohn- und Sozialabbau und weicher Euro verwandelten Deutschland in kurzer Zeit vom «kranken Mann» zum Exportweltmeister. Der Titel ist zwar bedeutungslos, aber die Deutschen lieben ihn und sind darauf mindestens so stolz wie auf den Titel Fussball-Weltmeister.
Die Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz haben inzwischen absurde Ausmasse erreicht. Von ein bis zwei Prozent zur Jahrhundertwende sind sie inzwischen auf rund neun BIP-Prozent angeschwollen. (Okay, wir Schweizer sollten darüber nicht lästern, aber das ist eine andere Geschichte.)
Mit ihrem Exportwahn haben die Deutschen ihre EU-Partnerländer nicht nur erdrückt, sie haben ihnen nach der Griechenlandkrise auch eine Austeritäts-Politik aufgezwungen. Ganz Euroland sollte nach deutschem Muster genesen, will heissen: Sparen, dass es quietscht, und exportieren auf Teufel komm raus.
Zu Recht wird die Austeritäts-Politik heute verdammt. Sie hat aber dazu geführt, dass auch Euroland inzwischen einen beträchtlichen Exportüberschuss aufweist. Dummerweise ist der Rest der Welt nicht mehr gewillt, dies zu akzeptieren. Vor allem die von einem notorischen Exportdefizit geplagten USA und ihr protektionistischer Präsident wollen dies ändern, koste es, was es wolle.
Vielleicht hat der Handelskrieg auch etwas Gutes. Er könnte die Deutschen zwingen, endlich von ihrem Exportwahn abzurücken. Das würde heissen, den Binnenkonsum mit höheren Löhnen anzukurbeln und zusammen mit Frankreich die Regeln in Euroland so zu verändern, dass die unselige Austeriätspolitik bald nur noch eine schlechte Erinnerung ist.
Was die Löhne betrifft, gibt es Hoffnung. Die deutschen Gewerkschaften haben auf breiter Front teils happige Lohnerhöhungen erkämpfen können. Zappenduster sieht es hingegen in Sachen Reformen im Euroland aus. Bei ihrem Besuch im Weissen Haus hat Angela Merkel den US-Präsidenten mit Statistiken über die deutsche Autoindustrie zugemüllt. Anzeichen, dass sie ernsthaft vom Exportwahn abrücken will, waren keine zu erkennen.