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Wegen Staatstrojaner: Schweizer Startups für Cybersicherheit verlieren ihren Standortvorteil  

Daten in der Schweiz – zugänglicher denn je.
Daten in der Schweiz – zugänglicher denn je.Bild: KEYSTONE

Wegen Staatstrojaner: Schweizer Startups für Cybersicherheit verlieren ihren Standortvorteil  

In der IT-Branche galt die Schweiz wegen der zurückhaltenden Überwachung in datenschützerischen Belangen als vorbildlich. Das ist nun vorbei – der gute Ruf wird darunter leiden.
19.03.2015, 16:0520.03.2015, 09:42
Roman Rey
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Protonmail ist einer der sichersten E-Mail-Dienste der Welt. Das Wirtschaftsmagazin Forbes bezeichnet es als «einziges E-Mail-System, zu dem die NSA keinen Zugang hat.» Zum Erfolgsrezept gehört ein ausgeklügelter Verschlüsselungsmechanismus. Und – bisher zumindest – der Standort Schweiz.

Als erstes Verkaufsargument steht auf der Website des in Genf basierten Unternehmens: «Alle unsere Server stehen in der Schweiz. Wir befinden uns ausserhalb des US- und EU-Rechtsraums und die Daten unserer User sind durch das strikte Schweizer Gesetz geschützt.»

So wirbt Protonmail mit dem Schweizer Standort.
So wirbt Protonmail mit dem Schweizer Standort.

Dieser Standortvorteil ist mit der Verschärfung des Nachrichtengesetzes nun dahin. Protonmail-Gründer Andy Yen zeigt sich enttäuscht: «Privatsphäre und Cybersicherheit gehören traditionell zu den zwei grössten Stärken der Schweiz. Es ist ein grosser Fehler, sich davon abzuwenden», sagt Yen zu watson.

«Wir haben das unangenehme Gefühl, der eigene Geheimdienst arbeitet nicht für uns, sondern gegen unsere Sicherheit.»
Peeter Keel, Wuala

«Eigentlich müsste die Privatsphäre in der Schweiz gestärkt werden, nicht geschwächt», so der ehemalige CERN-Forscher Yen. Der Schweizer Wirtschaftsstandort würde nun weniger attraktiv für Unternehmen, die sich darauf spezialisieren.

Enttäuschte IT-Firmen

Zu diesen Unternehmen gehört Wuala, das eine sichere Alternative zum Cloud-Dienst Dropbox anbietet. «Wir sind enttäuscht, dass der Nationalrat beschlossen hat, die totale Überwachung einzuführen, statt ausländischen Spionagediensten den Riegel vorzuschieben», sagt Peter Keel von Wuala.

«Da wir auch Infrastruktur im Ausland betreiben, hat der Nachrichtendienst im Prinzip Carte Blanche, Server von uns zu attackieren», so Keel weiter. «Wir haben das unangenehme Gefühl, der eigene Geheimdienst arbeitet nicht für uns, sondern gegen unsere Sicherheit.»

«Die demokratische Kontrolle wurde nicht gestärkt. Darunter wird der Ruf der Schweiz leiden.»
Hannes Gassert, Unternehmer

Auch Georg Greve, CEO von Kolab Systems in Küsnacht ZH, kritisiert das Parlament scharf: «Die aktuelle Vorlage des neuen Nachrichtendienstgesetzes ist ein Schritt in die falsche Richtung.» Das Gesetz sei eine «weitere, unnötige Gefahr für den Wohlstand in der Schweiz». Kolab bietet internationalen Konzernen eine Art überwachungssicheres Outlook-System an.

Auch Kolab hebt den Standortvorteil hervor.
Auch Kolab hebt den Standortvorteil hervor.

Furcht vor dem BÜPF

Hannes Gassert, Mitgründer der Web-Entwicklerfirma Liip und Vizepräsident von OpenData.ch, kann den Unmut nachvollziehen: «Die Schweiz hatte bisher einen vorbildlichen Ruf, wenn es um die Überwachung der Überwacher ging. Und das war ausschlaggebend für viele Startups, die auf die Schweiz als guten Standort für sichere IT setzten», sagt der Kenner der Startup-Szene. 

Mit der Gesetzesänderung gebe man dem Nachrichtendienst nun mehr Macht, ohne auch die Kontrollen entsprechend auszubauen. «Die demokratische Kontrolle wurde nicht gestärkt», so Gassert. «Das Schadet direkt dem Startup-Standort Schweiz.»

Gassert warnt auch vor dem des Bundesgesetz betreffend der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF), das künftig Staatstrojaner und Vorratsdatenspeicherung erlauben soll. «Die Revision des BÜPF ist aus unternehmerischer Sicht noch schlimmer, weil Firmen aktiv und teuer Daten über Kunden sammeln müssten.» Deshalb wehren sich auch Internetprovider gegen die Revision.

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