Der Mann der Woche heisst Alain Sutter. Zu Wochenbeginn hat der Sportchef des FC St. Gallen in der Causa «Andreas Wittwer» – Vertragsverlängerung ja oder nein? – in der Ostschweiz und beim Boulevard für viel Gesprächsstoff gesorgt; gestern nun auf nationaler Ebene. Da sickerte durch, dass am Montag der Zentralvorstand des SFV den neuen Nationalmannschafts-Manager bestimmen werde. In der Poleposition: Alain Sutter. Der weitere Kandidat: Pierluigi Tami.
Die Wahl würde ziemlich genau sieben Monate nach dem Auftritt von Bernhard Heusler und Georg Heitz erfolgen. Die beiden hatten im Auftrag des SFV und als Folge der Doppeladler-Affäre und der Doppelbürger-Debatte das Umfeld der Nationalmannschaft durchleuchtet und Ende November in Bern ihre Vorschläge präsentiert.
Deutlich war geworden, dass der Verband Entscheide nicht entschlossen genug gefällt hatte, weil die Verantwortlichkeiten nicht klar definiert waren. Heusler und Heitz stellten fest, dass es eine professionelle Führungskraft mit weitreichenden Befugnissen brauche, eine Art Sportdirektor wie bei einem Klub; einen Manager vielleicht, wie ihn Oliver Bierhoff beim Deutschen Fussball-Bund verkörpert. Einer, der die Ziele festlegt und für gute Bedingungen bei der Nati, die Prämien – und, wichtig – für die Kommunikation zuständig ist.
Nehmen wir Alain Sutter unter die Lupe und fragen: Kann der das?
Unbestritten ist, dass der 51-Jährige über einen prall gefüllten Rucksack verfügt. Er gehört zu den schillerndsten Figuren des Schweizer Fussballs. Ohne, dass man ihm nachsagen müsste, mediengeil zu sein. Er wurde 1994 zum Volkshelden, als er bei der WM in den USA trotz eines gebrochenen Zehs ein Tor schoss; er initiierte 1995 bei einem Länderspiel das legendäre Banner «Stop it, Chirac»; er stand im Mittelpunkt der Polemik um Trainer Artur Jorge, der ihn 1996 nicht an die EM mitnahm; er spielte für GC, YB, Nürnberg, Bayern, Freiburg, Dallas und absolvierte 62 Länderspiele. Er hat viel SFV-Stallgeruch eingeatmet.
Dass er sich nach seiner Karriere nicht sofort weiter auf den Fussball stürzte, sondern als Stressmanager arbeitete und Buchautor (u.a. «Stressfrei glücklich sein») wurde, spricht nicht gegen ihn, im Gegenteil. Sutter ist einer, der über den Tellerrand hinausschaut und weiss, was ausserhalb der Fussballblase läuft.
Trotzdem geht sein Fussball-Background über seine Spielerkarriere hinaus. Er hat während 14 Jahren als Experte die Schweizer Nati begleitet. Weil diese oft gute Resultate lieferte, kann Sutter nicht vorgeworfen werden, er habe Beisshemmung gehabt. Wenn ihm etwas nicht passte, sagte er es. Aber Sutter sammelte noch weitere Erfahrungen:
Bei GC als Verwaltungsrat, als Trainer im Frauenfussball, und er beriet den Vorstand des FC Winterthur. Dass er mit 50 Jahren seine berufliche Komfortzone verliess und aus dem Nichts beim FC St. Gallen als Sportchef begann, zeugt von Selbstbewusstsein, Courage und davon, tatsächlich vom Fussballvirus infiziert zu sein.
Bleibt seine charakterliche Einschätzung. Sutter ist ein Freigeist, der immer auch wieder aneckt und seinen Weg konsequent geht. Er wird nie laut, kann in der Sache aber hart sein. Wie nun beim FC St.Gallen der Sympathieträger Andreas Wittwer erfuhr. Der Aussenverteidiger wurde eiskalt ausgemustert und warf Sutter Defizite im menschlichen Bereich und in der Kommunikation vor.
Überhaupt: Nimmt man den mittelmässigen Leistungsausweis Sutters in der Ostschweiz als Referenz, rücken die vielen guten Facetten schon etwas in den Hintergrund. Er ist auf alle Fälle längst nicht so imponierend wie jener des ursprünglichen Topkandidaten Christoph Spycher bei YB.
Sutters Kaderplanung ist nicht über alle Zweifel erhaben und man hat generell nicht den Eindruck, er habe den FC St. Gallen weitergebracht. Wäre aus seiner Sicht alles paletti, hätte er sich, anders als Spycher, wohl auch nicht auf Gespräche mit dem SFV eingelassen.
Kann der das? Vieles spricht dafür. Seine Arbeit in St. Gallen hat aber für ein paar Zweifel gesorgt. Auch wenn die beiden Jobprofile nicht identisch sind.
Offenbar lässt Schalke seinen technischen Direktor nicht ziehen, hier hätte ich vom SFV erwartet, dass diese Bemühungen intensiviert werden.
- Wer würde nicht zu einem gut bezahlten Job beim Verband wechseln? Würden wir alle tun
Auf der anderen Seite denk ich als SGler:
- Warum zum Teufel muss sich der Verband bei den eigenen Vereinen mit Personal bedienen? Der CH-Fussball hat schon einen schweren Stand und dann besorgt er sich auch noch an derem Personal? Finde ich nicht ok.
Und zuletzt denke ich:
- Sutter redete von "Langfristigen Projekt in St. Gallen" und hat einen 3-Jahresvertrag und wechselt dann nach 1 Jahr? Glaubwürdigkeit ade.
Mittelmässiger Leistungsausweis:
- Itten fest verpflichtet
- Quintilla gefunden, welcher nun für 3 Mio auf dem Absprung steht
- Nuhu fest verpflichtet (vor der Verletzung auf sensationellem Weg)
- Nüchtern sind genau 2 Transfers nicht eingeschlagen: Rapp und Manneh
Sutter eckt an, aber macht bisher einen sauberen Job in SG.
Was mich mehr stört: Warum "zerstört" der SFV die Arbeit einer seiner eigenen Vereine? Was wäre, wenn jetzt SG z.b. die Freigabe verweigert? Muss sich dann der FCSG vor Konsequenzen fürchten?