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Wieso ein Macron in der Schweiz undenkbar ist

Wieso ein Macron in der Schweiz undenkbar ist

Der Wahlsieg des französischen Präsidenten sei einzigartig, sagt Politgeograf Michael Hermann.
13.06.2017, 05:4213.06.2017, 12:44
Anna Wanner / Nordwestschweiz
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Politikverdrossenheit macht sich in den Demokratien breit. Das nutzte der Franzose Emmanuel Macron, 39. Er verkaufte sich als Politiker, der nicht zum Establishment gehört, als einer, der Aufbruch verspricht. Also gründete er vor 14 Monaten das Mouvement La République en Marche.

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Macron gewinnt Parlamentswahlen in Frankreich deutlich

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Macron gewinnt Parlamentswahlen in Frankreich deutlich
Der «Kennedy» von Frankreich hat die Herzen der Wähler im Sturm erobert. Nur einen Monat nach den Präsidentschaftswahlen erzielte seine Partei «République en Marche» bei den Parlamentswahlen ein Glanzergebnis.
quelle: epa/epa pool / christophe petit tesson / pool
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Dass er als Minister unter dem früheren Präsidenten François Hollande amtete, tat seiner Popularität keinen Abbruch. Nein. Nach seiner Wahl zum Präsidenten vor einem Monat stattet ihn nun das Volk mit einem Parlament aus, das seine Reformpolitik stützt: Es wählt fleissig die Kandidaten des Mouvements.

Auch in der Schweiz schaffen neue Parteien immer wieder den Sprung ins Parlament. Dass jedoch ein Aufstieg à la Macron gelingen kann, hält Politgeograf Michael Hermann prinzipiell für unmöglich.

Das Wahlsystem als Grundlage

Vor allem die Unterschiede im Wahlsystem verhindern einen Durchmarsch: Wie in den USA wählt in Frankreich das Volk seinen Präsidenten. Wie in Deutschland oder Grossbritannien kann dieser aber nur regieren, wenn es vom Parlament gestützt wird. Das französische System ist also eine Mischform, eine «semi-präsidentielle» Demokratie.

Gemäss Hermann ist in Frankreich die Figur, der Staatschef, wichtiger als das Parlament. «Die Franzosen hievten Emmanuel Macron ins Amt – und vollziehen mit der Parlamentswahl nun den zweiten Schritt: Sie müssen ihm die Handlungsfähigkeit ermöglichen.»

Einzigartiges Phänomen

In der Schweiz wird die Regierung vom Parlament gewählt. So funktionierten Eveline Widmer-Schlumpf oder Christoph Blocher als Zugpferde für Parlamentswahlen. Ihre Macht blieb eingeschränkt, gehören Bundesräte einerseits einem Siebner-Gremium an. Andererseits vereint die grösste Partei, die SVP, knapp 30 Prozent der Stimmen auf sich, dem Mouvement wird zugetraut, mehr als 400 der 577 Sitze zu besetzen.

Das hängt mit dem Wahlsystem zusammen. Im Unterschied zum französischen Majorzsystem (pro Wahlkreis kommt eine Person ins Parlament) wählt die Schweiz den Nationalrat im Proporzwahlrecht: Je nach Kantonsgrösse und Stimmenverhältnis werden die Sitze auf verschiedene Parteien verteilt. In Frankreich gilt für jeden der 577 Wahlkreise: The winner takes it all.

Das Wahlsystem ist ein Grund. Für Hermann ist Macron generell «eine Ausnahmefigur». Europaweit sei es «sehr unüblich», dass eine neue, starke Partei entsteht, ohne dass eine alte vorgängig zusammengebrochen ist. Bemerkenswert sei ausserdem, dass auch in anderen Ländern links-liberale Bewegungen entstanden seien, in der Regel aber sehr klein blieben. Hermann: «Macron hat seine Vorteile geschickt ausgespielt und sich als Gegner der rechtsnationalen Politikerin Marine Le Pen positioniert.» Auch sie machte sich die Politikverdrossenheit zunutze. Gegen die frische Kraft, die Optimismus versprüht, hatte sie aber keine Chance. (aargauerzeitung.ch)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wilhelm Dingo
13.06.2017 07:48registriert Dezember 2014
In Frankreich wird regiert in der Schweiz verhandelt.
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D(r)ummer
13.06.2017 08:55registriert Mai 2016
Wohl eher eine Politikerverdrossenheit und nicht eine Politikverdrossenheit.

Wie bei Religionen... Die Gebote und Grundgedanken wären gut, aber die Vertreter auf Erden verderben den Brei.
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