Das Prinzip ist bekannt durch die Fahrdienstplattform Uber. Via App bestellt man sich mit dem Smartphone einen Fahrer. Doch anstelle eines Taxis kommt eine Privatperson mit dem eigenen Auto und fährt den Kunden an den gewünschten Ort. Uber fungiert dabei nach eigenem Verständnis nur als Plattform und nicht als Arbeitgeber. Die Fahrer werden als Selbstständige angesehen, weshalb auch keine Sozialleistungen bezahlt werden. Diese Taktik des US-Unternehmens sorgte in den vergangenen Jahren auch in Basel für hitzige Diskussionen und rechtliche Auseinandersetzungen.
Von der Öffentlichkeit deutlich weniger bemerkt, machte sich die Gig Economy (etwa: Auftragswirtschaft) in den vergangenen Jahren auch in weiteren Branchen breit – etwa bei Kurier- und Lieferdiensten. Vor wenigen Monaten startete in Genf Uber Eats nach dem gleichen Modell. Privatpersonen können sich als Kuriere registrieren, erhalten Aufträge via App und liefern für verschiedene Restaurants das Essen zum Kunden aus. Auch in Basel kämpft aktuell eine Reihe meist internationaler Unternehmen um die Vorherrschaft im Heimlieferservice.
Doch auch der Non-Food-Bereich ist unter den Kurierdiensten hart umkämpft. In der Schweiz sind in den vergangenen Jahren in der Kurierbranche mehrere Start-ups nach dem Uber-Prinzip entstanden. Die Registrierung als Fahrer läuft direkt meist über die Homepage. Bezahlt werden die Kuriere pro Auftrag. Sie decken für den Onlinehandel die letzte Meile ab. Eine Stunde nach dem Klick soll das Paket zu Hause vor der Türe stehen.
Gegen dieses Geschäftsmodell machen nun die traditionellen Velokuriere mobil. Die Basler Kurierzentrale mit 106 Angestellten hat gemeinsam mit weiteren Velokurierbetrieben aus Zürich und Biel mit der Gewerkschaft Syndicom einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für die Branche ausgehandelt. Der wichtigste Punkt ist der Mindestlohn: So soll ausgeschlossen werden, dass das unternehmerische Risiko auf die Fahrer abgewälzt wird. Unter dem GAV haben diese nun einen Stundenlohn von knapp 25 Franken garantiert. Im Schnitt erreichen die meisten ein paar Franken mehr. Auch weitere Punkte wie Spesen oder Vaterschaftsurlaub werden geregelt.
Der GAV sei ein Qualitätssiegel für das Unternehmen, so Geschäftsführer Jérôme Thiriet, der jede Woche noch selber aufs Velo steigt. «Wir sind professionelle Kuriere und gehen mit unseren Leuten professionell um.» Es sei klar, dass man die Konkurrenz durch Start-ups mit dem GAV nicht verhindern könne, «aber wir positionieren uns klar, und der Kunde kann dann entscheiden, mit welchem Unternehmen er zusammen arbeiten will», sagt Thiriet, der seit Kurzem für die Grünen im Grossen Rat politisiert.
Bisher sind drei Unternehmen an den GAV Velokuriere und urbane Kurierdienstleistungen angeschlossen. Allerdings stehe der Beitritt auch weiteren offen, sagt Thiriet. Daniel Münger, Präsident der Gewerkschaft Syndicom, denkt schon weiter: Im GAV ist festgehalten, dass die sogenannte Allgemeinverbindlichkeit angestrebt wird. Damit würde der Vertrag landesweit für die ganze Branche Pflicht. Entscheiden muss dies letztlich der Bundesrat. «Der GAV könnte wegweisend sein», sagt Münger. Denn er umfasst sämtliche Kurierdienstanbieter – also auch die Onlineplattformen. Simpel ausgedrückt: Wenn der GAV die Allgemeinverbindlichkeit zugesprochen bekommt, sind die Probleme der Gig Economy in der Kurierdienstbranche gelöst.
Ansonsten nähme die Zahl der Billig-Plattformen weiter zu, ist Münger überzeugt. «Ich bin kürzlich in Lissabon einem Kurier mit vier Rucksäcken begegnet. Der hat alles ausgeliefert – von Pizza bis zu Elektronik», sagt Münger und meint weiter: «Solche Arbeitsbedingungen haben wir hier dann auch bald.» (bzbasel.ch)