Im dritten Anlauf der erste Sieg in dieser Saison gegen die SCL Tigers – und erst noch auswärts. Das Schlusslicht an die Langnauer weitergegeben. Ein Tor und zwei Assists für den Neueinkauf Cory Conacher. Ein Tor, ein Assist und ein neuer Vertrag für Beat Gerber: Wahrlich, der erste rundum erfreuliche Abend für den leidgeprüften Meister. Vielleicht sogar das Ende der Depression. Morgenrot statt Götterdämmerung.
Beat Gerber liefert die erfreuliche Randgeschichte zu diesem Derby: Im Falle einer Niederlage würde sie den Fans Trost spenden. Nun ist es einfach eine gute Nachricht.
Der Oberemmentaler wird im Mai 39 Jahre alt. Im Sommer 2003 wechselte er von Langnau nach Bern und hat sich seither als dritter waschechter Hockey-Langnauer neben Bruno Wittwer und Simon Moser beim SCB Kultstatus erarbeitet.
Der zähe Defensiv-Verteidiger spielte bereits bei sechs SCB-Meisterteams eine wichtige Rolle (2004, 2010, 2013, 2016, 2017, 2019). SCB-Rekord. Bruno Wittwer war in Bern «nur» viermal Meister (1974, 1975, 1977, 1979) und Simon Moser bisher drei Mal (2016, 2017, 2019). Kein Schelm, wer sagt, ohne Langnauer, ohne die «Chäsigen» gehe es eigentlich beim SCB fast nicht mehr.
Wenn wir den Auftrag hätten, eine ewige Rangliste der loyalsten, verlässlichsten und smartesten Defensivbeauftragten der letzten 25 Jahre zu erstellen – Beat Gerber wäre ein heisser Kandidat für den 1. Platz. Die Tempelritter haben den heiligen Gral nicht so mutig, hartnäckig und unerschütterlich verteidigt wie Beat Gerber das SCB-Tor. Und sein Vertrag läuft am Ende dieser Saison aus.
Doch bis heute ist sein Arbeitsverhältnis nicht prolongiert worden. Gross ist deshalb die Aufregung bei den Fans und beim Boulevard: Kein Vertrag für Beat Gerber! Das darf doch nicht sein! So ein verdienter Spieler!
Die ganze Aufregung ist ein Sturm im Schnapsglas. Die neue sportliche Führung hat im Einverständnis mit Marc Lüthi längst entschieden, den Vertrag mit dem «ewigen Verteidiger» um ein weiteres Jahr bis 2022 zu verlängern.
Beat Gerber hat darüber hinaus die Zusicherung, dass er nach seiner aktiven Karriere weiterhin beim SCB beschäftigt wird. Das ist auch richtig so: Keine Hockeyfirma der Welt verzichtet ohne Not auf so viel Erfahrung, so viel meisterliches Wissen. Ein altgedienter Meister nützt neben dem Eis mehr als ein Lehrling.
Warum gibt es noch keine offizielle Meldung über die Verlängerung mit Beat Gerber? Weil der SCB als Bezüger von staatlichen Hilfsgeldern die Lohnsumme auf nächste Saison um eine gute Million zu reduzieren hat.
Das geht nicht mit buchhalterischen Tricks. Marc Lüthi würde «Kunstbuchungen» sowieso niemals dulden. Also obliegt es der neuen sportlichen Führung, durch kluge Transfers Geld einzusparen und im Budget der nächsten Saison für das Salär von Beat Gerber Platz zu schaffen.
Eigentlich kein Problem: Mit Yanik Burren, Inti Pestoni und André Heim verlassen drei Spieler den SCB. Teure Neueinkäufe werden nicht gemacht. Und vielleicht gelingt es unter der kundigen Leitung von Raeto Raffainer sogar noch, diesen oder jenen teuren Mitläufer mit weiterlaufendem Vertrag – warum nicht Miro Zryd? – bei der Konkurrenz unterzubringen.
In den letzten Jahren ist die Planlosigkeit der sportlichen SCB-Führung zu Recht immer wieder kritisiert worden. Nun wird schon kurz nach der Anstellung von Raëto Raffainer langsam, aber sicher eine Strategie erkennbar. Auch da: Morgenröte. Für eine Aufhellung am sportlichen Horizont ist der ehemalige HCD-Sportchef ja auch geholt worden.
Der Sieg in Langnau (4:2) erlöst den SCB endlich von der Schmach des letzten Platzes. Noch nie in der Geschichte musste ein Titelverteidiger so lange am Tabellenende ausharren.
Nun könnten wir einwenden, dass ein Triumph gegen die mit Abstand nominell schwächste Mannschaft der Liga für einen Titelverteidiger Pflicht sei. Kaum des Lobes wert.
Aber das wäre boshaft. Wer etwa nach diesem Sieg das SCB-Powerplay kritisieren oder gar auf die Schwäche des Gegners hinweisen sollte, ist ein Schelm.
Die letzte Wahrheit steht oben auf der Resultattafel: 4:2. Sieg ist Sieg. Punkt. Und die in einer Linie zusammengefassten drei ausländischen Stürmer Jeffrey Dustin, Jesper Olofsson und Cory Conacher hatten den Stock bei drei der vier Treffer im Spiel.
Es ist also auch Pflicht, die SCB-Ausländerpolitik nach diesem Derby-Sieg zu loben. Und wer es nicht tut, ist auch ein Schelm.
Wer auf die vielen Absenzen bei den Langnauern hinweist – etwa auf das Fehlen von Ivars Punnenovs – ist sowieso ein Schelm.
Und wer gar noch SCB-Goalie Tomi Karhunen wegen des zweiten Gegentreffers (zum 2:2) schmäht und vom haltbarsten Tor der Saison spricht statt seine formidable Fangquote von 93,33 Prozent zu rühmen ist erst recht ein Schelm. Ja ein Schuft.
Nun kann der Meister die Segel einer neuen Zuversicht setzen und zu neuen Ufern aufbrechen. Sogar ein neuer Rekord liegt drin. Die Berner sind schon einmal vom 8. Platz aus Meister geworden. 2016 mit Nottrainer Lars Leuenberger an der Bande.
Wenn es gelingt, Ambri oder die Lakers noch abzufangen, dann kann der SCB mit dem österreichischen Nottrainer Mario Kogler sogar vom 10. Platz aus Meister werden. Nach monatelangem Darben auf dem letzten Platz.
Das wäre die verrückteste Geschichte seit Einführung der Playoffs (1986). Unmöglich ist es nicht: Der SCB ist Meister und hat nach wie vor eine der teuersten und nominell besten Mannschaften der Liga.
Diese Einschätzung ist nicht boshaft. Sondern eine Verneigung, die sich vor jedem Titelverteidiger gehört. Schliesslich steht die Wahrheit immer oben auf der Resultatanzeige. Und dort steht nach wie vor: Meister SC Bern.
Kein Schelm, wer sagt: eine Schwalbe macht noch keinen Frühling