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«Apples Kreditkarte ist eine verdammt sexistische Angelegenheit»

FILE - In this March 25, 2019, file photo, Jennifer Bailey, vice president of Apple Pay, speaks about the Apple Card at the Steve Jobs Theater in Cupertino, Calif. A spokeswoman for the New York Depar ...
Mit einer eigenen Kreditkarte will Apple Kunden enger an sich binden.Bild: AP

«Ich habe eine Apple Card beantragt. Was sie anboten, war eine sexistische Beleidigung»

Apple gibt in den USA zusammen mit Goldman Sachs eine Kreditkarte heraus. Jetzt erheben Nutzer Vorwürfe, dass die Bank bei der Vergabe der Kreditlimite Frauen diskriminiere. Apple versteckt sich hinter der Bank, die Bank hinter fragwürdigen Algorithmen.
11.11.2019, 16:5712.11.2019, 12:30
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«Apples Kreditkarte ist eine verdammt sexistische Angelegenheit.»
Software-Entwickler David Heinemeier Hansson

Apple und die US-Investmentbank Goldman Sachs stehen wegen Geschlechterdiskriminierung in der Kritik. Konkret geht es um die angeblich willkürlichen Ausgabenlimiten bei der Kreditkarte Apple Card. Das New York Department of Financial Services (NY DFS) hat deshalb eine Untersuchung gegen Apples Bankpartner Goldman Sachs eingeleitet, berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Die New Yorker Finanzaufsicht will demnach wissen, warum Männer bei gleicher Vermögenssituation offenbar deutlich höhere Kreditrahmen erhalten.

Kunden prangern Apple und Goldman Sachs an

Den Stein ins Rollen brachte letzte Woche der in den USA bekannte Software-Entwickler David Heinemeier Hansson. Er schrieb auf Twitter, dass ihm der undurchsichtige Algorithmus hinter der Apple Card das Zwanzigfache des Kreditrahmens seiner Frau beschert habe, obwohl er und seine langjährige Frau finanziell gleichgestellt seien. Er werde zusammen mit seiner Frau steuerlich veranlagt, sie besässen gemeinsam Immobilien und seien lange verheiratet. Tatsächlich habe seine Frau gar eine bessere Kreditwürdigkeit, sprich einen besseren Credit Score, als er. Dieser Wert wird in den USA von drei grossen Agenturen vergeben.

Seine Frau, Jamie Heinemeier Hansson, schildert in einem Blog-Artikel mit dem Titel «Ich habe eine Apple Card beantragt. Was sie anboten, war eine sexistische Beleidigung» ihre Erlebnisse mit Apple und Goldman Sachs – für die beiden Konzerne ist es wenig schmeichelhaft.

«Ich habe noch nie eine Zahlung zu spät beglichen. Ich habe keine Schulden. David und ich teilen alle Finanzkonten, und meine sehr gute Kreditwürdigkeit ist höher als die von David.»
Jamie Heinemeier Hanssonfastcompany

«Kein Einspruch» habe gegen die diskriminierende Kreditlimite geholfen. Die individuelle Ausgabenlimite bei der Apple Card, die von Algorithmen bestimmt wird, sei eine «Blackbox», sprich völlig undurchsichtig, so Hansson.

Apples Antwort:

«Es liegt nur am Algorithmus.»
Apple-Card-Mitarbeiterfastcompany
«Es liegt nur an deiner Kreditwürdigkeit.»
Apple-Card-Mitarbeiterfastcompany

Apple-Mitgründer Wozniak und seine Frau sind auch betroffen

Schützenhilfe bekam Hansson ausgerechnet von Apple-Mitbegründer Steve Wozniak: Dieser antworte auf Twitter, ihm und seiner Frau sei genau das Gleiche passiert. Er habe die zehn Mal höhere Kreditlimite erhalten, obwohl «wir keine getrennten Bank- oder Kreditkartenkonten oder andere getrennte Vermögenswerte haben». Es sei ausserdem «schwer, einen Angestellten für eine Korrektur zu erreichen», so Wozniak. Das sei «Big Tech im Jahr 2019», bilanziert der Apple-Mitgründer.

Mehrere Twitter-Nutzer berichteten in den letzten Tagen über ähnliche Erfahrungen mit der Apple Card. Am Montag, als die Vorfälle in den Medien breit thematisiert wurden, reagierte Goldman Sachs und teilte mit, dass sich die Bewertung der Apple-Card-Bewerber «an der Kreditwürdigkeit des Kunden» orientiere, jedoch nicht an Faktoren wie «Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, Alter, sexueller Orientierung oder irgendeiner anderen Bewertungsgrundlage, die gesetzlich verboten ist».

Da das Thema immer weitere Kreise zog und nun die Behörden ermitteln, wurde die Kreditlimite seiner Frau inzwischen erhöht, ohne dass Goldman Sachs zusätzliche Unterlagen verlangte, sagt Hansson. Der 40-jährige dänische Programmierer, der auch Sportwagenrennen fährt, glaubt selbst nicht, dass hinter den fragwürdigen Algorithmen eine «böse Person» stecke, die absichtlich «diskriminieren will».

Aber:

«Goldman und Apple delegieren die Bonitätsprüfung an eine Blackbox. Es besteht keine Absicht zur Geschlechterdiskriminierung, aber das Ergebnis ist Geschlechterdiskriminierung.»
David Heinemeier Hansson.bloomberg

Offenbar lernten die Algorithmen Diskriminierung und weder Apple noch Goldman Sachs könnten dieses Verhalten bislang erklären, sagt Hansson. Am Montag doppelte der Programmierer auf Twitter nach und schreibt:

«Niemand will unter der kapriziösen Herrschaft DER ALGORITHMEN leben. Nicht bei Finanzgeschäften, nicht beim Wohnen [Hypothekvergabe], nicht in der Werbung, nicht bei der Mitarbeiterauswahl, nicht in einem der Millionen anderen Bereiche, in denen maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz (KI) die Entscheidungsbefugnis übernehmen.»
David Heinemeier Hansson.twitter

Hansson geht es laut Eigenaussage darum, eine Diskussion über die Rolle der allgegenwärtigen Algorithmen, die wir nicht verstehen, anzustossen. Es dürfe nicht sein, dass Algorithmen über unser Leben entscheiden, während Firmen wie Goldman Sachs oder Apple nicht erklären können (oder wollen), was genau dahinter steckt.

Das Thema beschäftigt auch die linksliberale Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren: Sie forderte im Juni, die Finanzaufsicht müsse «Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Antidiskriminierungsgesetze mit den technischen Innovationen Schritt halten».

Von der Finanzaufsicht heisst es: «Wir werden eine Untersuchung durchführen, um festzustellen, ob gegen New Yorker Recht verstossen wurde, und sicherstellen, dass alle Konsumenten unabhängig vom Geschlecht gleich behandelt werden». Und weiter: «Jeder Algorithmus, der bewusst oder unbewusst zu einer diskriminierenden Behandlung von Frauen oder anderen geschützten Gruppen von Menschen führt, verletzt New Yorker Recht.»

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Hansson wirft Apple zudem vor, sich nun hinter Goldman Sachs zu verstecken, obwohl man in der Werbung behauptet, es handle sich um eine Apple-Kreditkarte – und eben nicht um eine Kreditkarte einer Bank.

Warum Apple und Goldman Sachs gemeinsame Sache machen

Bei der Apple Card handelt es sich um ein gemeinsames Finanzprodukt von Apple, Goldman Sachs und Mastercard. Die Infrastruktur im Hintergrund wird von Goldman Sachs betrieben. Die Bank soll sicherstellen, dass Kreditkartenanträge schnell bearbeitet werden. Den Zahlungsverkehr selbst übernimmt Mastercard. Trotzdem wirbt Apple mit dem Slogan «Created by Apple, not a bank».

Die Karte besitzt ein Belohnungssystem mit dem Ziel, die Konsumenten zum Kauf immer neuer Apple-Produkte zu verführen – sprich eine langfristige Kundenbindung herzustellen. Für Apple ist die Karte nicht zuletzt ein Marketinginstrument, um seinen Bezahldienst Apple Pay zu pushen.

Der Name Apple Card dient Goldman Sachs primär dazu kaufkräftige Apple-Fans anzulocken, die lieber eine Kreditkarte von Apple als von einer Bank möchten. Effektiv steht hinter dem Produkt eine der mächtigsten und gleichzeitig berüchtigsten Banken der Wall Street. Goldman Sachs kann so neue Privatkunden gewinnen, die später allenfalls ein Darlehen aufnehmen müssen, weil sie Kreditkartenschulden haben (was in den USA weit verbreitet ist). Die Bank hat hierzu eine eigene Abteilung, die auf Kunden mit hohen Kreditkartenschulden spezialisiert ist.

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62 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mansour
11.11.2019 17:10registriert November 2017
Das kommt raus, wenn Machine learning entscheidet und sich herausstellt, dass die ganzen "Vorurteile" alle auf statistischer Basis beruhen
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Forrest Gump
11.11.2019 17:14registriert Februar 2014
Dumme Frage: Die Beiden schreiben hier jeweils nur, dass sie das gleiche Vermögen wie ihre Frauen haben. Fast wichtiger bei der Kreditvergabe ist aber das Einkommen. Kann mir kaum vorstellen, dass die Frau von Wozniak gleich viel verdient wie er (nicht weil sie eine Frau ist, sondern weil es einfach verdammt wenig Leute gibt, die so viel verdienen). Könnte nicht das die ziemlech simple Lösung sein?
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Madison Pierce
11.11.2019 18:27registriert September 2015
Ja, da ist halt das System schuld. Kann man nichts machen.

Wenn bei YouTube fälschlicherweise ein Video gesperrt wird, ist ja auch nicht Google schuld, sondern das System.

Oder wenn man beim Provider bei der Umstellung auf Glasfaser neue IP-Adressen bekommt. Kann der Supporter nichts dafür, das System lässt es halt nicht zu, dass man die Adressen behält.

Oder wenn man ungerechtfertigterweise eine Maut-Busse erhält. Hat das System halt die Nummer nicht richtig erkannt.

Wenn die Kunden das weiterhin akzeptieren, haben es die Firmen in Zukunft sehr leicht...
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