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Elektronisch dünn werden: Nach drei Wochen unter dem Diktat der Abnehm-Apps weiss ich, dass Popcorn direkt aus der Hölle kommt

Ausgerüstet mit zahlreichen Gadgets wage ich das Experiment Selbstkontrolle.
Ausgerüstet mit zahlreichen Gadgets wage ich das Experiment Selbstkontrolle.Bild: watson

Elektronisch dünn werden: Nach drei Wochen unter dem Diktat der Abnehm-Apps weiss ich, dass Popcorn direkt aus der Hölle kommt

Im Bereich Gesundheit, Diät und Fitness gibt es unzählige Apps und Geräte, die man zusätzlich mit dem Smartphone koppeln kann. Doch ist das alles bloss Schnick-Schnack oder machen einen diese Gadgets wirklich fit? Der Selbsttest zeigt: nur bedingt.
10.04.2015, 06:4311.04.2015, 07:23
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Zugegeben, wahrscheinlich habe ich nicht das Potenzial, Unmengen von Kilos abzunehmen, aber ein paar Pfunde weniger wünschen sich doch die meisten von uns. Und dass das mit dem Abnehmen gar nicht so einfach ist, weiss ebenfalls jeder, der es schon einmal versucht hat. Wie praktisch, dass in unserem täglichen Begleiter, dem Smartphone, ein kleiner Personal-Trainer steckt – wenn wir das denn wollen.

Und so lade ich mir heute eine Kalorienzähl-App, eine Gewichtkontroll-App und eine Körperaktivitäten-App auf mein Handy. Damit nicht genug: Zusätzlich besorge ich mir eine Waage, die neben meinem Gewicht auch meinen Körperfettanteil misst, und ein Armband, welches Schritte, Puls, verbrannte Kalorien und Schlafrhythmus erfasst. Beide Geräte senden automatisch alle Daten via Bluetooth an mein Smartphone.

1. Die Waage aka der «Smart Body Analyzer»

Schon beim Installieren der Waage erlebe ich den ersten Schock. «Wie hoch mein Körperfettanteil wohl liegen mag?», frage ich meinen Freund. Ich habe von so etwas wirklich keine Ahnung – und er offenbar auch nicht: «Mmh, vielleicht so 15 Prozent?», tippt er. Auf der Waage erscheint die Antwort: 24,1. Na super...

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Schnell recherchiere ich, welcher Wert für eine Frau in meinem Alter normal ist, und erfahre, dass mein Ergebnis wohl ziemlich okay ist. Trotzdem hat mich das Gerät schon jetzt einmal komplett verrückt gemacht – das geht ja gut los. Im Laufe des Tests wird sich dann herausstellen, dass die Sache mit dem Körperfettanteil ohnehin ziemlicher Blödsinn ist. Die Werte schwanken vom einen auf den anderen Tag sehr stark – da kann was nicht stimmen. 

Von 25,8 auf 23,8 in einer Stunde

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Eine kurze Recherche im Internet zeigt, dass die Messungen solcher Waagen ungenau sind und davon abhängen, wie hydriert beziehungsweise dehydriert der Körper ist. Das schreit doch nach einem kleinen Extra-Test: Eines Morgens stelle ich mich auf die Waage, mein Körperfettanteil liegt – angeblich – bei 25,8 Prozent. Dann gehe ich eine halbe Stunde joggen und stelle mich anschliessend wieder auf das Gerät: Der Wert ist auf 23,8 Prozent gesunken. Na, dann wiege ich mich doch ab sofort einfach immer nach dem Sport!

Für mich der einzige Pluspunkt dieses Gerätes: Wer abnehmen möchte, kann sich das mühsame Buchführen sparen. Die Tatsache, dass die Waage die Werte jeweils gleich ans Smartphone sendet, ist schon irgendwie praktisch.

2. Der Schrittzähler aka das «Heart Rate & Activity Wristband»

Das zweite Gadget erobert meine Liebe – ganz im Gegensatz zu der Waage (aber wer mag diese Teile schon?!) – im Sturm. Vom ersten Tag an finde ich es total spannend zu beobachten, wie viele Schritte ich im normalen Alltag mache und wie sich Distanz und Kalorienverbrauch verändern, wenn ich zusätzlich Sport treibe. Auch die Daten, die mir verraten, wie ruhig oder unruhig ich geschlafen habe, schaue ich immer wieder interessiert an – wobei ich nicht so genau weiss, was ich mit diesen Informationen schlussendlich anfangen soll.

Schlechte Nacht:

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Gute (wenn auch kurze) Nacht:

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Wie dem auch sei. Hier meine Ergebnisse im Überblick: An einem normalen Arbeitstag – an dem ich also grösstenteils sitze – verbrenne ich rund 1800 Kalorien. Gehe ich abends noch ins Basketballtraining, liegt der Verbrauch bei 2250. Den absoluten Rekord stelle ich an einem Match-Tag auf: 2700 verbrannte Kalorien zeigt mir das Armband am Ende des Tages an.

Mein persönlicher Rekord:

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Greift zum Schrubber!

Kleiner Tipp für alle Putzmuffel: Hausarbeit zahlt sich ebenfalls aus. Ein paar Mal in den Keller laufen, um die Wäsche zu machen, und ein kleiner Wohnungsputz schlagen ebenfalls mit einer Steigerung des Verbrauchs um rund 200 Kalorien zu Buche.

Mein Fazit für das intelligente Armband fällt durch und durch positiv aus, denn es wirkt auf mich eindeutig motivierend: Als in der zweiten Woche meines Tests das Wetter besser wird, gewöhne ich mir doch tatsächlich an, nach der Arbeit nach Hause zu LAUFEN – statt den Bus zu nehmen. Denn mit den erwähnten 1800 verbrannten Kalorien will ich mich nicht abfinden. Die knappen drei Kilometer Fussweg schrauben den Tagesverbrauch immerhin auf fast 2000 hoch.

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3. Die Kalorien-App aka «MyFitnessPal»

Kommen wir nun zur Kalorien-App – und damit zu meinem grössten Feind. Vom ersten Tag an bringt mich das Ding zur Verzweiflung! Ich möchte eintragen, dass ich einen Latte Macchiato zum Frühstück getrunken habe. Doch welchen wähle ich denn jetzt aus? Von «Homemade, 200ml, 66 Kalorien» bis «Latte Macchiato, 200ml, 129 Kalorien» ist ungefähr alles dabei. Das Gleiche beim Gipfeli: Da gäbe es das «Croissant, Boulangerie, 1 pièce, 180 Kalorien» und das «Croissant, Bäcker, 100 g, 310 Kalorien» zur Auswahl.

Will ich mich jetzt selbst verarschen und trage einfach immer die harmloseste Version ein oder bin ich streng mit mir selbst und wähle die Kalorienbombe aus? Ich muss sagen: Ich habe keine Ahnung – und entscheide mich jeweils für irgendein Mittelding. Beim Mittagessen bin ich dann gleich wieder aufgeschmissen: Was weiss denn ich, wie viele Kalorien das Pasta-Gericht hat, welches ich mir aus dem Restaurant nebenan geholt habe?! Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu schätzen – und damit liege ich wahrscheinlich meilenweit daneben.

Gesucht: Lebensmittel mit Barcode!

Am Nachmittag dann der erste «Erfolg»: Das Schoggi-Stängeli, das ich mir gönne, kann ich ganz einfach mit der Kalorien-App erfassen, indem ich den Barcode mit der Handy-Kamera scanne. Genauso gehe ich dann am Abend wieder vor: Fast alle Zutaten, die ich für mein Abendessen verwende, kann ich einfach scannen. 

Wer selbst den Kochlöffel schwingt, kann sich (fast) nicht selbst betrügen.
Wer selbst den Kochlöffel schwingt, kann sich (fast) nicht selbst betrügen.bild: watson

Da ich bei den meisten Zutaten natürlich nicht die ganze Packung esse, muss ich jeweils schätzen, wie viel ich tatsächlich davon genommen habe – denn eine Küchenwaage besitze ich nicht. Auch dabei kann man sich natürlich gut und gern ein bisschen selbst betrügen – aber alles in allem gelange ich so, glaube ich zumindest, zu einem halbwegs realistischen Wert: Eine Portion Gemüserisotto mit Mozzarella wird mit 605 Kalorien verbucht.

So lange man also selbst kocht, ist das mit der App schön und gut. In meinem Alltag haut das aber nicht wirklich hin. Während der drei Testwochen bin ich immer mal wieder irgendwo zum Essen eingeladen oder gehe in ein Restaurant – und muss am Ende wieder schätzen und raten. Wodurch die erreichten Werte wahrscheinlich vorne und hinten nicht stimmen.

Etwas Positives fällt mir dann aber doch noch auf: Dank der App nasche ich viel weniger Süsskram. Denn wann immer mir jemand ein Stück Schokolade oder sonst eine kleine Leckerei anbietet, denke ich für mich: «Wie soll ich das denn jetzt wieder in der App auflisten?» – und lehne dankend ab. Und auch abends vor der Glotze werde ich nicht so schnell schwach, weil ich weiss: Das, was ich jetzt noch esse, muss ich auch wieder eintragen. Also lass ich's doch lieber gleich.

4. Wie die Apps untereinander kommunizieren aka «das grosse Chaos»

Dank des Schrittzählers – und der dazugehörigen App – weiss ich nun also, wie viele Kalorien ich an einem Tag verbrannt habe. Und die andere App, mit der ich jeweils die Barcodes scanne und alle gegessenen Lebensmittel aufliste, weiss, wie viele Kalorien ich im Gegenzug zu mir genommen habe. 

Damit ich nicht selbst ausrechnen muss, ob die Bilanz nun positiv oder negativ ausfällt, kann ich beide Apps miteinander synchronisieren. Sprich: Die Apps greifen auf die Daten der jeweils anderen App zu. Klingt gut, nicht wahr?

Das Lustige ist bloss: Sie kommen nicht zum gleichen Ergebnis. Während die eine App am Ende des Tages der Meinung ist, dass ich leider ein bisschen zu viele Kalorien zu mir genommen habe, findet das andere Programm, dass ich ruhig noch einmal zum Kühlschrank gehen darf – zumindest für einen ganz kleinen Snack. Na, welcher App schenke ich wohl lieber Glauben...?

Schluss mit lustig:

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Da geht noch was:

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5. Mein Fazit

Nach diesem ersten Tag – an dem Kalorienaufnahme und -verbrauch etwa gleich waren – versuche ich natürlich, während der restlichen Zeit des Tests weniger zu essen, als ich verbrenne. Das gelingt mir auch ziemlich gut. Am Ende des Tages jubelt mir die App regelmässig Folgendes entgegen:

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«So viel möchte ich zwar gar nicht abnehmen, aber immerhin scheine ich damit auf dem richtigen Weg zu sein», denke ich – und irre mich. Denn im Nachhinein betrachtet muss ich leider sagen: Ich habe in den drei Wochen nicht wirklich abgenommen. Die Kurve, die die Waagen-App generiert hat, deutet zwar lange Zeit in die richtige Richtung, aber getan hat sich am Ende dennoch nichts.

Angefangen bei 58,9, aufgehört bei 58,7:

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Vielleicht liegt es daran, dass ich mich bei der Kalorien-Schätzerei ständig geirrt – oder selbst betrogen habe. Vielleicht war ich aber auch nicht geduldig, oder nicht eisern genug. Dass ich während des Tests unheimlich an Muskelmasse zugelegt und dafür Fett abgebaut habe, ist auch eher unwahrscheinlich. Denn ich habe nicht mehr Sport gemacht als sonst auch.

Wie dem auch sei – ein paar spannende Erkenntnisse nehme ich aus dem Test auf jeden Fall mit. Weil ich mich zuvor noch nie mit der Kalorien-Zählerei beschäftigt hatte, konnte ich so einiges über Lebensmittel lernen: Popcorn beispielsweise kommt direkt aus der Hölle. Blöderweise mag ich das süsse am allerliebsten – doch bei 1372 Kalorien für eine mittelgrosse Tüte vergeht einem doch irgendwie der Appetit. 

Und während ich mich früher bei der Frage «Croissant oder Laugenbrezel mit Butter?» immer für die Brezel entschieden hätte – weil ich dachte, das sei die schlankere Variante –, bin ich diesbezüglich heute schlauer. Eigentlich ist es völlig egal, was ich nehme – denn beide Produkte haben es in sich.

Infobox:
Der «Smart Body Analyzer» von Withings wurde uns von Apple zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Das «Heart Rate & Activity Wristband» von Fitbit hat uns brack.ch für den dreiwöchigen Test ausgeliehen.

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