Obwohl Polizeiführung und Sicherheitsexperten noch nicht davon sprechen wollen, kursieren schon eine Menge einschlägige Namensgebungen: Jugend-, Stadt-, Böller- oder Fahrzeug-Intifada wird sie genannt. Von der zuerst aufgekommenen Bezeichnung «stille Intifada» ist keine Rede mehr.
Seit dem Sommer brechen mehrfach wöchentlich Strassenschlachten in Brennpunktvierteln Ost-Jerusalems und in der Altstadt aus. Der massive Einsatz von Schockgranaten durch die Polizei und von gebündelten Knallkörpern durch die Demonstranten begleitet die Zusammenstösse mit ohrenbetäubendem Lärm.
In einem sind sich die Beobachter einig: Jerusalem ist ein Pulverfass und der Tempelberg ist die Lunte, an der sich eine flächendeckende Revolte entzünden könnte.
Binnen vier Monaten hat sich die aktuelle Lage zusammengebraut: Es begann mit dem Mord an einem palästinensischen Jugendlichen in Ost-Jerusalem, der von jüdischen Rechtsextremisten offenbar aus Rache für die Entführung und Erschiessung von drei Talmudschülern begangen wurde.
Der siebenwöchige Gazakrieg heizte die Proteste weiter an. Seit September verkündete die israelische Regierung danach in kurzer Abfolge weitere Stufen zum Siedlungsausbau im besetzen Ost-Jerusalem; vor allem der verdeckte Ankauf von Wohnhäusern mitten in arabischen Vierteln durch nationalreligiöse Siedlergruppen löste weitere Barrikaden und Strassenkämpfe aus.
Dass dann rund um die gehäuften jüdischen Feiertage im Herbst in grösserer Zahl religiöse Eiferer auf das Felsplateau zwischen der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom strömten, um dort jüdische Gebetsrituale zu verrichten, tat ein Übriges.
Weil das Oberrabbinat den Besuch des allerheiligsten Bergs, auf dem bis zum Jahr 70 die jüdischen Tempel standen, aus religiösen Gründen untersagt und die israelischen Behörden aus Sicherheitsgründen dort Gebete nur für Muslime erlauben, hatten gläubige Juden das Hochplateau in der Altstadt bis vor wenigen Jahren gemieden.
Nach Angaben der für die Altstadt zuständigen Polizeipräfektur ist die Zahl jüdischer Besucher aber inzwischen auf rund tausend monatlich gestiegen. Die radikalsten unter ihnen engagieren sich eifrig dafür, den im siebten Jahrhundert zu Ehren der Himmelfahrt Mohammeds errichteten Felsendom abzureissen, um an Originalstelle den Dritten Jüdischen Tempel zu errichten.
Um eine anhaltende Gewaltexplosion noch abzuwenden, müssen dringend Entspannungssignale gesendet werden, fordern die Experten. Dekel plädiert dafür, «Provokationen israelischer Extremisten auf dem Tempelberg zu unterbinden und zugleich die Restriktionen für den Zutritt muslimischer Gläubiger zu lockern». (whr/sda/afp)