Besorgnis in aller Welt nach Trumps Jerusalem-Entscheidung

Besorgnis in aller Welt nach Trumps Jerusalem-Entscheidung

07.12.2017, 05:28

Die Weltgemeinschaft hat mit grösster Besorgnis auf den historischen Alleingang Donald Trumps zur Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt reagiert. Für Freitag wurde eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats zu dem Thema angesetzt.

Der US-Verbündete Saudi-Arabien rief die USA auf, die Entscheidung zurückzunehmen. Die Nato-Partner Frankreich und Grossbritannien als Vetomächte sowie weitere Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates beantragten eine Sondersitzung des Gremiums in New York. Sie soll bereits am Freitag stattfinden.

«Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es Zeit ist, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen», hatte Trump am Mittwoch in Washington gesagt. Die Entscheidung des Weissen Hauses erfuhr auch die Rückendeckung des US-Aussenministeriums.

Applaus kam von jüdischen Verbänden in den USA sowie aus Israel. Premierminister Benjamin Netanjahu sprach von einem «historischen Tag für Jerusalem».

Jerusalem sei unter anderem Sitz von Regierung und Parlament Israels. «Heute erkennen wir das Offensichtliche an - dass Jerusalem Israels Hauptstadt ist», betonte der US-Präsident. Damit sei jedoch keine endgültige Grenzziehung anerkannt. «Das ist Sache der Parteien.»

Sofortiger Beginn der Botschaftsverlegung

Trump wies das Aussenministerium an, mit dem Prozess zur Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu beginnen. «Dieser Prozess beginnt sofort», sagte Trump.

Eine Zwei-Staaten-Lösung zur Beendigung des Nahost-Konfliktes werde er weiterhin unterstützen, wenn sie von beiden Konfliktparteien gewünscht wird. Damit blieb Trump am Mittwoch bei seiner Linie, die er bereits bei einem Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu in Washington im Februar vorgezeichnet hatte.

Fundamentaler Streitpunkt

Jerusalem gilt als eines der heikelsten Probleme der Weltpolitik und als einer der fundamentalen Streitpunkte in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.

Letztere reklamieren den arabisch geprägten Ostteil für sich und wollen dort die Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates errichten.

Trump - und wenig später Israels Premierminister Netanjahu - versicherten, der Status der Heiligen Stätten von Christen und Muslimen in Jerusalem werde sich nicht ändern.

Die Muslime zählen den Felsendom und die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem zu ihren wichtigsten Heiligtümern, die Christen die in Jerusalems Altstadt befindliche Grabeskirche Jesu. Juden beten an der Klagemauer.

Völlig neuer Ansatz

Trump erklärte am Mittwoch, er wolle bei der Lösung des Nahost-Konfliktes einen völlig neuen Ansatz verfolgen. «Wir können unsere Probleme nicht lösen, indem wir dieselben fälschlichen Annahmen und dieselben gescheiterten Strategien aus der Vergangenheit wiederholen.»

Sein neuer Kurs sei der beste Weg, den Friedensprozess in Nahost voranzubringen, sagte Trump. «Dies ist ein lange überfälliger Schritt, den Friedensprozess weiterzuführen und auf eine tragfähige Vereinbarung hinzuarbeiten», betonte Trump.

Israel sei eine souveräne Nation und habe auch das Recht, seine Hauptstadt frei zu wählen. CNN berichtete am Mittwochabend (Ortszeit), US-Regierungsvertreter hätten eingeräumt, es könne zu vorübergehenden Abstrichen beim Friedensprozess kommen.

Kritik im Nahen Osten und Europa

Neben Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte sich besonders auch die Führung des Irans kritisch geäussert. «Die amerikanische Regierung hat sich mit dieser Erklärung dazu entschlossen, alle internationalen und bilateralen Resolutionen und Vereinbarungen zu verletzen», sagte Abbas. Die Palästinenser haben zu einem Generalstreik und Kundgebungen am Donnerstag aufgerufen.

«Diese irrationale und provokante Entscheidung wird zu einer weiteren Intifada sowie mehr Extremismus und Gewalt führen», hiess es vom Aussenministerium in Teheran.

Die radikal-islamische Hamas erklärte, das palästinensische Volk werde angemessen reagieren. Ein Hamas-Führer sprach offen von einer «Kriegserklärung». Die Türkei warf Trump vor, internationales Recht zu brechen.

Auch in Europa reagierten die Regierungen mit Besorgnis. «Ich glaube, dass sie (die Entscheidung Trumps) wirklich das Risiko beinhaltet, dass eine ohnehin schon schwierige Lage dort im Nahen Osten und in dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern jetzt noch weiter eskaliert», sagte der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel in den ARD-«Tagesthemen».

Auch Kanzlerin Angela Merkel liess über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert via Twitter kundtun: «Die Bundesregierung unterstützt diese Haltung nicht, weil der Status von Jerusalem im Rahmen einer 2-Staaten-Lösung auszuhandeln ist.»

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wurde deutlicher: «Diese Entscheidung verletzt internationales Recht und alle UNO-Resolutionen.»

Kritik aus der Schweiz

Die Gesellschaft Schweiz-Palästina hat das Vorhaben von US-Präsident Donald Trump, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, verurteilt.

Der Schritt verstosse gegen eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates und breche internationales Recht.

Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) teilte auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda mit, es habe die Entscheidung der USA zur Kenntnis genommen, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Die Schweizer Reaktion darauf werde der Geschäftsträgerin der US-Botschaft in Bern am Donnerstagmorgen mitgeteilt. Nach diesem Treffen werde auch die Öffentlichkeit über die offizielle Stellungnahme der Schweiz informiert.

«Worldwide Caution»

Das US-Aussenministerium hat indessen in einer «Worldwide Caution» zu erhöhter Wachsamkeit vor Terrorattacken aufgerufen. US-Bürger wurden augefordert, im Ausland besonders vorsichtig zu sein und sich vor Reiseantritt über etwaige Reisewarnungen für das Zielland zu informieren.

Israel hatte 1967 während des Sechs-Tage-Kriegs den arabisch geprägten Ostteil der Stadt erobert und später annektiert. Es beansprucht ganz Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt.

Dieser Anspruch wird international nicht anerkannt. Unter anderem erkennen die Vereinten Nationen nicht ganz Jerusalem als Israels Hauptstadt an. Die Palästinenser sehen in Ost-Jerusalem ihre künftige Hauptstadt. (sda/dpa)

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