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«Stürze kontaktlos zu erkennen ist extrem anspruchsvoll»

Die beiden Startup-Gründer Sandro Cilurzo und Eugenie Nicoud mit ihrem Produkt, dem intelligenten Sturzmelder.
Die beiden Startup-Gründer Sandro Cilurzo und Eugenie Nicoud mit ihrem Produkt, dem intelligenten Sturzmelder. illustration: FH SCHWEIZ/flavia korner
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Gefährlicher Sturz oder Übung am Boden? Dieses Ding kann dein Leben retten

Jährlich stürzen Millionen von Menschen und benötigen danach rasch medizinische Hilfe. Das Startup von Eugenie Nicoud und Sandro Cilurzo hat intelligente Sturzmelder entwickelt, die schwere Folgeschäden verhindern können. Die jüngste Finanzierungsrunde war äusserst erfolgreich. Nun steht der Start auf dem internationalen Markt bevor.
07.09.2021, 11:18
Guy Studer
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Scheinbar harmlose Stürze können zu gravierenden gesundheitlichen Schäden und hohen Kosten führen, besonders wenn Personen danach länger liegen bleiben. Das Startup Sedimentum von Sandro Cilurzo und Eugenie Nicoud hat deshalb intelligente Sturzmelder entwickelt. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde hat es 2,1 Millionen Franken eingenommen, mehr als erwartet. Gleichzeitig wurde der Verwaltungsrat mit Erfahrung und Fachwissen von aussen verstärkt. Der internationale Markteintritt im DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) wird nun erfolgen. Gegründet haben Cilurzo und Nicoud das Startup zusammen mit zwei weiteren Kollegen vor zwei Jahren, sie sind Mitglieder der dreiköpfigen Geschäftsleitung. Er als CEO und technischer «Mastermind», sie ist als COO für die operative Geschäftsführung verantwortlich. Produziert werden die Sturzmelder in der Schweiz.

Wie kommt man auf die Idee, Sturzmelder zu entwickeln?
Sandro Cilurzo: Ich war in einer schweizerischen psychiatrischen Klinik für die Information und Cyber Security verantwortlich. Im Rahmen meiner Funktion war ich ebenfalls Mitglied eines Thinktanks mit Kadermitarbeitern und medizinischen Fachleuten. Eine der Hauptherausforderungen jeder Institution im Gesundheitswesen ist die unterbrechungsfreie Gewährleistung der Patienten- und Bewohnersicherheit über 24 Stunden hinweg. Akuter Personalmangel in der Pflege, veraltete sowie mangelhafte technologische Hilfsmittel oder Geräte mit Kameras und Mikrofonen, welche die Privatsphäre massiv beeinträchtigen – so sah leider die Realität aus. Dieses Problem liess mich nicht mehr los. Deshalb habe ich Sedimentum gegründet.

Sandro Cilurzo und Eugenie Nicoud, Sedimentum
Sandro Cilurzo und Eugenie Nicoud auf dem Foto, das die Vorlage zum Hauptbild lieferte.zvg

Wie ist euer Gründerteam entstanden?
Cilurzo: Mit Roman Böhni, unserem Anwalt, habe ich zusammen an der Hochschule Luzern (HSLU) Wirtschaftsinformatik studiert. Eugenie hat an der HSLU Wirtschaft studiert und über persönliche Kontakte kam ich zum Vergnügen, mit ihr gemeinsam diverse Projekte zu realisieren. Mit Immanuel Zerbini habe ich jahrelang Kung-Fu praktiziert. Nebst der Kampfkunst hat uns unsere andere gemeinsame Leidenschaft, die Informatik, verbunden. So habe ich das Team zusammengeführt. Es deckt verschiedenste Kompetenzfelder ab, welche die Weichen für unser Unternehmenswachstum gelegt haben.

Was macht Stürze so gefährlich?
Eugenie Nicoud: Ein Sturzunfall ist eine der häufigsten Unfallursachen in den eigenen vier Wänden. Weltweit sprechen wir von Millionen, die danach medizinische Hilfe benötigen. 82 Prozent der gestürzten sind ältere Menschen, wovon die Hälfte nicht alleine wieder aufstehen kann. Diese Stürze sind mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden. Bei älteren Menschen ist eine sogenannte «Long-Lie Condition» besonders gefährlich, also wenn sie nach dem Sturz länger als eine Stunde liegen bleiben. Die gesundheitlichen Folgeschäden, psychisch und körperlich, sind für die Betroffenen leider häufig sehr dramatisch.

«Bei älteren Menschen ist eine sogenannte «Long-Lie Condition» besonders gefährlich, also wenn sie nach dem Sturz länger als eine Stunde liegen bleiben.»
Eugenie Nicoud, Sedimentum

Was sind das für Folgen?
Nicoud: Beispielsweise Thrombose, aber auch Muskel- und Gewebeschäden sowie Bettlägerigkeit. Vereinzelt kommt es vor, dass eine Person nach einem Sturz etliche Stunden unentdeckt bleibt, was zu Unterkühlung und Dehydrierung führen kann. Meistens kommt eine Folge nicht alleine – die Kombination erhöht die Mortalität von älteren Menschen nach Stürzen markant.

Contentpartnerschaft mit FH Schweiz
Die Beiträge dieses Blogs stammen vom Dachverband der Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen (FH Schweiz). Darin geht es um Arbeit, Karriere sowie Aus- und Weiterbildung. Es handelt sich nicht um bezahlten Content. (red)

Gibt es Zahlen, was diese Stürze etwa für Kosten verursachen?
Nicoud: In der Schweiz entstehen jährlich Kosten von rund 1,8 Milliarden Franken, welche von Stürzen bei Senioren entstehen. Dies beinhaltet unter anderem Kosten für Heilung und Pflege. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) schätzt allerdings die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten von Stürzen bei Senioren auf rund 14 Milliarden Franken.

Und wo setzt nun euer Sturzmelder an?
Cilurzo: Genau bei der erwähnten gesellschaftlichen Problematik: Sie erkennen kontaktlos Stürze und können damit Folgeschäden und Kosten verhindern. Dabei ist das «Herzstück» unserer Innovation das eigens entwickelte Verfahren mittels künstlicher Intelligenz (KI).

Bitte erklären Sie…
Cilurzo: Zuverlässig Stürze kontaktlos zu erkennen, ist eine extrem anspruchsvolle Disziplin. Es gibt wortwörtlich eine unendliche Anzahl Möglichkeiten zu stürzen. Eine Fitnessübung auf dem Boden ist aber eindeutig kein Sturz. Für uns Menschen ist diese Unterscheidung klar, für klassische technische Lösungen nicht. Deshalb gab es bis jetzt keine wirklich zuverlässige und intelligente Lösung, die eine «echte» Sturzerkennung betreibt. Damit diese über das gleiche «intuitive» Verständnis wie ein Mensch verfügen kann, braucht es künstliche Intelligenz. Deshalb haben wir ein anspruchsvolles und neuartiges KI-Verfahren entwickelt, welches Sturzereignisse erkennt, ohne dabei Fehlalarme zu senden, wenn jemand eine Fitnessübung auf dem Boden macht oder eine Katze in der Wohnung herumtollt.

«Die Beratungsstelle für Unfallverhütung schätzt die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten von Stürzen bei Senioren auf rund 14 Milliarden Franken.»
Eugenie Nicoud, Sedimentum

Was hebt euch von der Konkurrenz ab?
Nicoud: Drei entscheidende Faktoren. Erstens: unsere intelligente Sturzerkennung. Zweitens: die Einfachheit der Installation, denn wir müssen unseren Sturzmelder nicht kalibrieren und können das Gerät überall an der Decke montieren. Drittens: Unser einzigartiges Datenanonymisierungsverfahren erlaubt uns eine anonymisierte Datenverarbeitung. Oft wird fälschlicher Weise angenommen, dass Sensordaten per se anonym sind, was aber nicht der Fall ist. Diese Kombination macht uns einzigartig.

Wie schafft man es, Vermögende, Stiftungen und Investoren dazu zu bringen, Millionen in ein so junges Unternehmen zu investieren?
Cilurzo: Harte Arbeit, viel Geduld, eine ziemlich grosse Frustrationstoleranz und natürlich ein Hauch von Glück, im richtigen Moment die richtigen Leute kennenlernen zu dürfen. Als First-Time-Founders muss man sich das Netzwerk zuerst erarbeiten, was viel Zeit beansprucht. Wir haben etliche Gespräche geführt und natürlich auch Absagen erhalten, jedoch sind wir von unserer Vision überzeugt und blieben immer hartnäckig. Diese Beharrlichkeit hat sich schlussendlich bewährt und wir konnten sogar eine überzeichnete Finanzierungsrunde abschliessen. Das war jedoch erst der Anfang, der Weg, der noch vor uns liegt, ist steinig und lang, aber wir freuen uns auf jeden einzelnen Schritt.

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Leute, denen es auf der Arbeit offensichtlich langweilig war
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Leute, denen es auf der Arbeit offensichtlich langweilig war
Wenn es schon langweilig ist, dann wenigstens «bequem» sitzend.
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3 Kommentare
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70 Jahre Sex, Joints und Liebe! Happy Birthday, Papi!
Ich war, bin und werde wohl immer ein Papa-Kind sein. Sorry, Mum! Heute feiert besagter Superheld seinen 70. Geburtstag. Eine Ode an den Mann, der mich zu meiner besten Version geformt hat.

Man sagt ja, dass Männer quasi ihre Mütter und Frauen ihre Väter heiraten. Würde ich Sandro heiraten, wäre an dieser Floskel ganz definitiv was dran. Und das nicht nur, weil ich sowohl Sandro als auch meinen Papa Bruno von Herzen liebe.

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