Es war nur eine Randbemerkung, die der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis gegenüber der New York Times machte: «Die Medien verbreiteten Lügen, für welche sie nicht allein verantwortlich sind. Sie wurden von EU-Kreisen mit Angaben gefüttert, die wahrheitswidrig sind», sagte er im Interview, als er auf den Vorwurf angesprochen wurde, wonach ihn seine Kollegen bei einem EU-Finanzministertreffen Ende April als «Spieler, Amateur und Zeitverschwender» bezeichnet hätten.
Eine heimliche Tonbandaufnahme, die Varoufakis während dem Treffen machte, soll seine Version bestätigen können. Die mediale Schelte kam sofort: Der «Blick» titelte seine Aussagen mit «Frecher Grieche: Varoufakis nahm Minister-Kollegen heimlich auf!». Die deutsche «Bild», die für ihre Anti-Griechen-Propaganda bekannt ist, sah darin gar einen «Skandal». Und schon verschob sich der mediale Fokus beim Streit über die finanzielle Zukunft Griechenlands auf einen Nebenschauplatz.
Was passierte wirklich beim Ministertreffen Ende April? Wurden die Beleidigungen wirklich ausgesprochen? Der griechische Journalist Nikos Sverkos wollte es genauer wissen. Er recherchierte, woher diese Informationen stammten, und brachte gemäss Infosperber die zwielichtige Rolle einiger Medien-Einflüsterer oder «Spin-Doktoren» ans Tageslicht.
Sein Fazit, welches er auf verschiedenen Portalen veröffentlichte, zeigt auf, wie Brüssel-Journalisten funktionieren und wie sich Aussagen anonymer Personen wie ein Lauffeuer durch Europas Medienlandschaft verbreiten.
Seiner These nach, die vom langjährigen deutschen «Handelsblatt»-Journalisten Norbert Häring übersetzt und als «hochgradig plausibel» eingestuft wurde, operiere die «gut geölte Brüsseler Medienmaschine» auf der Basis der Anonymität. Ausgewählte Journalisten, meist von namhaften Medien und Agenturen wie Reuters, Bloomberg oder «Financial Times» werden gemäss Darstellung von Sverkos von hochrangigen Offiziellen oder deren Sprecher zu inoffiziellen «Briefings» eingeladen. Die Informationen, die die Journalisten dabei erhalten, dürften sie jedoch nur anonym zitieren.
Diese Spiele der «anonymen Informationen», deren Wahrheitsgehalt meist nicht geprüft werde, würden die Journalisten in Brüssel mitspielen. Sie verschwiegen die Existenz dieser inoffiziellen Pressemeetings, da sie sonst nicht mehr eingeladen würden und keine «Insider-Informationen» mehr erhielten. So soll es gemäss Sverkos' Recherchen auch bei den angeblichen Beschimpfungen gegen Varoufakis gekommen sein.
Eine Deutsch sprechende Person, die offiziell für die EU-Kommission («EU-Regierung») tätig ist, soll unmittelbar nach Ende des Finanzminister-Treffens im April acht ausgewählte Journalisten für die übliche inoffizielle Pressekonferenz zusammengerufen haben. Der Offizielle soll dabei direkt Informationen aus der Sitzung wiedergegeben haben, unter anderem, dass Varoufakis als «jemand von einem anderen Planeten» bezeichnet worden sei. Sverkos soll dies nach eigenen Angaben von einem Journalisten erfahren haben, der selbst bei den Briefings anwesend war.
Die Beleidigungen gegen Varoufakis verbreiteten sich daraufhin wie ein Lauffeuer durch die Medien. Auch die SRF-«Tagesschau» übernahm die mutmasslich von Medien-Einflüsterern verbreiteten Beschimpfungen: «Als ‹Spieler›, ‹Amateur› und ‹Zeitverschwender› soll er betitelt worden sein.» Woher die Informationen stammten, wurde dem Leser oder dem Zuschauer in der Regel nicht gesagt. Auch watson hat die Beleidigungs-Geschichte aufgenommen. Wenig Verbreitung fanden die Aussagen des italienischen Finanzministers Pier Carlo Padoan, wonach es beim Treffen nicht zu solchen Beleidigungen gekommen sei.
Infosperber stellt in seinem Artikel die Frage, ob bei dieser Affäre medienethische Grundsätze verletzt wurden. Der Medienkodex des schweizerischen Presserates erklärt eindeutig, dass Journalisten «anonyme Anschuldigungen» unterlassen sollten. Warum sich die SRF-«Tagesschau» in diesem Fall nicht an diesen Grundsatz gehalten hat, liess das Fernsehen auf Anfrage von Infosperber bisher unbeantwortet.