Facebook ist seit Wochen in die Ermittlungen zum möglichen russischen Einfluss auf den US-Wahlkampf verstrickt. Sonderermittler Robert Mueller verlangt von Facebook eine klare Antwort auf die Frage: Haben sich ausländische Akteure via Facebook in den US-Wahlkampf eingemischt?
Noch im Sommer hatte Facebook-Chef Mark Zuckerberg behauptet, Russland habe keine politische Werbung auf seinem sozialen Netzwerk geschaltet, um den US-Wahlkampf zu manipulieren. Erst vor zwei Wochen musste Facebooks Sicherheitschef Alex Stamos eingestehen, dass russische Akteure Anzeigen für rund 100'000 US-Dollar gekauft haben, um den US-Wahlkampf zu beeinflussen. Nun erklärt Zuckerberg in einem Video, dass er weitere Wahlmanipulationen aus dem Ausland nicht ausschliessen könne. Die Summe könnte also weit grösser sein.
Live now: Mark Zuckerberg is discussing Facebook’s role in elections, Russian interference and company's next steps: https://t.co/ryMZLRjtvP pic.twitter.com/rudEBH1d0o
— Recode (@Recode) 21. September 2017
Ja. Das mag erstaunen, da in grossen Tageszeitungen eine einzige Anzeige bereits ungefähr diese Summe verschlingt. Doch auf Facebook lässt sich mit einem relativ geringen Werbebudget viel mehr bewirken als in herkömmlichen Medien.
Im Vergleich zu traditionellen Medien ist Werbung auf Facebook extrem günstig und effizient. Durch den Netzwerk-Effekt – das bezahlte Posting wird von Nutzern hunderttausendfach geteilt – kann sich eine erfolgreiche politische Anzeige verselbständigen und ein Millionenpublikum erreichen. Geht ein Posting viral, können die Kosten für einen erreichten Facebook-Nutzer auf unter einen Rappen sinken, da sich die Anzeige quasi von alleine verbreitet.
100'000 US-Dollar wirken gemessen am gesamten Werbebudget des amerikanischen Wahlkampfs – geschätzt 1,3 Milliarden US-Dollar – wie ein Tropfen auf den heissen Stein, doch auf Facebook lassen sich mit 100'000 Dollar geschätzt drei bis 20 Millionen Personen erreichen, schreibt das Wall Street Journal. Das Werbebudget wird so zweitrangig, viel wichtiger ist, wie oft die kontroversen, emotionalen Anzeigen geteilt werden.
Kommt hinzu: Die Summe ist keineswegs in Stein gemeisselt. Offenbar weiss Facebook selbst nicht abschliessend, welche ausländischen Akteure wie viel Geld für politische Werbung ausgeben. Anfänglich hiess es, Russland habe keine politische Werbung gekauft, nun sind es 100'000 Dollar. Bei genaueren Untersuchungen könnte die Summe weiter steigen.
Der Algorithmus des sozialen Netzwerkes honoriert Beiträge, die bei den Nutzern auf grosses Interesse stossen, sprich häufig geteilt, gelikt oder kommentiert werden. Das sind in der Regel polarisierende Postings bzw. Werbeanzeigen mit einer klaren Botschaft – beispielsweise pro Waffenbesitz. Politischen Akteuren mit extremen Ansichten spielt genau dies in die Hände. Ihre Postings stossen auf grosse Resonanz und werden von Facebook möglichst vielen Menschen angezeigt, die ähnlich denken.
Als Werbekunden können auch ausländische Akteure, die in den Wahlen eingreifen wollen, auf Facebook bestimmte Zielgruppen genau auswählen, etwa nach Alter, Beruf, ethnischer Zugehörigkeit oder Interessen wie beispielsweise Waffen. Vor wenigen Tagen hat die Rechercheplattform Pro Publica aufgedeckt, dass man auf Facebook als Zielgruppe gar Antisemiten auswählen kann – nützlich für alle, die etwa Nazi-T-Shirts verkaufen.
Das Problem: Für die Öffentlichkeit bleiben die Auftraggeber der Anzeigen bislang im Dunkeln, Facebook-Nutzer wissen also nicht, wer hinter der politischen Werbung steckt, die sie sehen.
Wie viele Personen pro eingesetztem Dollar erreicht werden, ist davon abhängig, wie polarisierend die Anzeige ist und wie gut sie bei der anvisierten Zielgruppe ankommt, der die Werbung eingeblendet wird.
Die von Facebook aufgedeckten Anzeigen russischer Urheber sprachen sich nicht direkt für einen Präsidentschaftskandidaten aus, sondern thematisierten emotionale Wahlkampfthemen wie Waffenbesitz oder Abtreibung. Sie dienten also dazu, Gleichgesinnte zu mobilisieren und zu vernetzen.
Trump bezeichnet die Angelegenheit als Scherz, obwohl Facebook nun mehrfach bestätigt hat, dass russische Akteure Anzeigen im US-Wahlkampf gekauft haben.
The Russia hoax continues, now it's ads on Facebook. What about the totally biased and dishonest Media coverage in favor of Crooked Hillary?
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 22. September 2017
Facebook’s Collusion https://t.co/6ese4jJxFn pic.twitter.com/hgLQAONUKL
— Clay Jones (@claytoonz) 8. September 2017
Erstens soll politisch motivierte Werbung besser kenntlich gemacht werden. Damit solle leichter erkannt werden können, welche Anzeigen in Verbindung mit einer Wahl geschaltet werden. Derzeit kann jedermann anonym Facebook-Anzeigen über eine Webseite oder App buchen, ohne direkten Kontakt mit Facebook-Angestellten zu haben. Parteien und politische Aktivisten nutzen diese Möglichkeit auch in Deutschland oder bei uns, um unerkannt Facebook-Nutzer mit ihren Botschaften zu erreichen. Zuckerberg kündigte nun an, künftig würde transparent gemacht, welcher Facebook-Account eine Anzeige bezahlt habe, und welche Zielgruppen die Werbung adressiere.
Zweitens werde das interne Facebook-Team, das für die Überprüfung von politischen Anzeigen und Wahlwerbung zuständig ist, um mehr als 250 Mitarbeiter aufgestockt. Das würde rund einer Verdopplung entsprechen.
Drittens will Facebook weltweit verstärkt mit Behörden kooperieren, die für die Organisation von Wahlen zuständig sind.
Facebook unterliegt (noch) nicht den Regulierungen für Wahlkampf-Werbung, die für klassische Medien gelten. Zuckerbergs Ankündigung, dem Kongress politische Werbe-Anzeigen auszuhändigen, die Russland im US-Wahlkampf geschaltet haben soll, ist daher nicht zuletzt als Versuch zu verstehen, staatliche Regulierung politischer Werbung auf sozialen Netzwerken zu verhindern. Zuckerberg kooperiert wohl nicht zuletzt, um dem Ruf nach Verboten politischer Anzeigen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Das Problem: Facebook verspricht zwar Transparenz, aber Facebook bleibt eine Black Box und Zuckerbergs Versprechungen lassen sich nur schwer überprüfen. Fakt ist: Facebook hat ein inhärentes Interesse, mit Werbung Geld zu verdienen, und ist nicht daran interessiert, potenzielle Werbekunden zu vergraulen.
Mark Zuckerbergs versteckte Agenda kennt nur Mark Zuckerberg. Dem Facebook-Gründer wird aber seit Jahren nachgesagt, Pläne zu hegen, in die Politik einzusteigen. Dabei dürfte der intelligente Stratege nichts weniger als das Präsidentenamt im Auge haben.
Zuckerberg hätte genug Geld, um einen Wahlkampf aus der eigenen Tasche zu finanzieren. Aber darauf wäre er vermutlich gar nicht im grossen Stil angewiesen. Mit Facebook hat sich Zuckerberg nicht nur eine Geldmaschine gebaut, sondern auch die perfekte, persönliche Wahlkampfmaschine. Auf seinem sozialen Netzwerk könnte er Millionen US-Bürger gezielt mit seinen Botschaften bombardieren – ähnlich wie einst Berlusconi mit seinen TV-Sendern in Italien. Zudem könnte ein Präsidentschaftskandidat Zuckerberg gegen ihn gerichtete Postings und Kommentare auf Facebook ins Leere laufen lassen, beziehungsweise ganz sperren.
Noch ist Zuckerberg zu jung, aber bereits 2021 hätte er das Mindestalter für einen US-Präsidenten knapp überschritten. Ein Hinweis für diese Spekulationen ist, dass der Social-Media-Tycoon Hillary Clintons ehemaligen Chefstrategen angeheuert hat.
Kommt hinzu: Der liberale Bundesstaat Kalifornien hat sich schon mehrfach als Sprungbrett für Prominente in die Politik bewährt: Der frühere Schauspieler Ronald Reagan war von 1967 bis 1975 Gouverneur von Kalifornien gewesen, bevor er 1981 zum 40. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. 2003 wählten die Bürger des Sonnenstaates Arnold Schwarzenegger zu ihrem Gouverneur.
Sonderermittler Robert Mueller untersucht, ob Personen aus dem Umfeld von Donald Trump mit russischen Akteuren kooperiert haben. Zuckerbergs Aussage, Facebook habe fast 500 Profile gefunden und eliminiert, die zum Zweck der Wahlbeeinflussung von russischen Stellen eröffnet worden seien, bringen Trump in der Russlandaffäre weiter in Bedrängnis.
Zuletzt gab sein ältester Sohn unter Druck zu, sich im Wahlkampf 2016 mit einer russischen Emissärin getroffen zu haben, von der er sich kompromittierende Informationen über Hillary Clinton versprochen hatte – ein Widerspruch zu allen früheren Dementis des Trump-Lagers.
Nach Geheimdiensterkenntnissen hat Russland mit Fake-News-Propaganda und Cyber-Angriffen in den US-Wahlkampf eingegriffen, um Trump zu helfen. Sonderermittler Robert Mueller untersucht, ob es zwischen dem Trump-Lager und dem Kreml Absprachen gab. Mehrere Berater des Präsidenten hatten Kontakte zu Russen zunächst verschwiegen und gaben sie erst zu, als sie durch die US-Medien bekannt wurden. Trump versucht, die Affäre auszusitzen. Als FBI-Chef James Comey sich weigerte, die Ermittlungen einzustellen, feuerte er ihn. Seither ermittelt Mueller auch wegen Justizbehinderung gegen Trump.