Hilfsorganisationen sehen Konferenz in Bern kritisch

Hilfsorganisationen sehen Konferenz in Bern kritisch

13.11.2017, 10:48

Ministerinnen und Minister aus europäischen und afrikanischen Staaten beraten heute Montag in Bern über Massnahmen zum Schutz von Flüchtlingen und Migranten. Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen zeigen sich skeptisch.

Zwar begrüssen die Organisationen mehrheitlich, dass die «Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer» bei ihrem dritten Treffen den Schutz in den Vordergrund stellt. Sie fordern aber eine Abkehr von der Politik der Abschottung und die Bekämpfung der Fluchtursachen.

Die Kontaktgruppe war auf Initiative des italienischen Innenministers ins Leben gerufen worden, als in Italien täglich Flüchtlinge und Migranten ankamen. Inzwischen sind es weniger, doch das Problem ist damit nicht gelöst.

Hunderttausende sind in Libyen gestrandet, Zehntausende werden unter menschenunwürdigen Bedingungen in Haftzentren festgehalten, die von Milizen betrieben werden. Ohne politische Stabilisierung in Libyen sind kaum Lösungen zu erwarten.

Politik neu ausrichten

Die Hilfsorganisationen nehmen die Konferenz in Bern jedoch zum Anlass, ein generelles Umdenken zu fordern. Angesichts der dramatischen Menschenrechtssituation in Libyen müssten sofort sichere und legale Fluchtwege geöffnet werden, fordert Amnesty International Schweiz. Europa dürfe die Verantwortung nicht länger an afrikanische Staaten auslagern.

Die Konferenz in Bern befasse sich mit dem Schutz der Flüchtlinge. Es gebe jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass die europäischen Staaten breit seien, ihren bisherigen Ansatz aufzugeben, schreibt Amnesty. Dieser bestehe darin, Menschen von der Fahrt über das Mittelmeer abzuhalten.

Mitschuldig am Elend

Die Organisationen kritisieren insbesondere, dass die Staaten die libysche Küstenwache unterstützen. Diese fange die Flüchtlinge auf dem Meer ab und bringe sie in die Haftlager in Libyen, wo sie Folter und anderen Formen der Gewalt ausgesetzt seien.

Mit der Unterstützung der Küstenwache machten sich die europäischen Staaten mitschuldig an den desaströsen Zuständen, schreibt die Schweizerische Flüchtlingshilfe. Die europäischen Staaten erwidern auf solche Kritik, dass die Küstenwache im laufenden Jahr bereits über 14'000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet habe.

Handelspolitik ändern

Die Organisation Solidarité sans frontières wirft der Kontaktgruppe vor, nur vorzugeben, dass es ihnen um den Schutz von Flüchtlingen gehe. In Wahrheit gehe es ihr weiterhin um Abschottung. Diese Politik der EU sei tödlich. «Wir brauchen eine radikale Reform», heisst es in der Mitteilung der Organisation.

Zur Frage, wie die Situation in Libyen verbessert werden könnte, bleiben die Organisationen vage. Sie weisen aber auf die Fluchtursachen hin, die es zu bekämpfen gelte. Die europäischen Staaten seien mitverantwortlich an der Situation in vielen afrikanischen Staaten, betonen sie.

Konzerne - auch solche mit Sitz in der Schweiz - plünderten afrikanische Staaten, wie jüngst auch die Paradise Papers gezeigt hätten. «Die neokoloniale Handels- und Wirtschaftspolitik muss endlich beendet werden», schreibt Solidarité sans frontières. (sda)

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