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Studie: Wie sich Erkältungen auf die Corona-Immunantwort auswirken

Neue Studie: Wie sich frühere Erkältungen auf die Corona-Immunantwort auswirken

Coronaviren sind keine unbekannten Krankheitserreger. Sie kamen bislang meist als harmlose Erkältungsviren daher. Wer mit ihnen infiziert war, hat wohl eine bessere Abwehr gegen SARS-CoV-2.
12.09.2021, 12:28
Christiane Braunsdorf / t-online
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t-online

Vier Arten von Coronaviren waren bereits vor dem Auftreten des Covid-19 -Erregers unter den Menschen verbreitet. Sie führen zu in der Regel harmlosen Erkältungssymptomen. Nun haben Forscher der Berliner Charité herausgefunden, dass bestimmte Immunzellen, die Menschen, die mit diesen Erkältungscoronaviren infiziert waren, gebildet hatten, die Immunreaktion gegen SARS-CoV-2 stärken.

T-Helferzellen erkennen Coronavirus

Für die Studie, die im Fachblatt «Science» veröffentlicht wurde, wurden ab Mitte 2020 fast 800 Menschen, die noch nicht mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen waren, rekrutiert. In regelmässigen Abständen wurde kontrolliert, ob sie sich mit dem neuen Coronavirus infiziert hatten. 17 Personen wurden dabei ermittelt. Ihr Immunsystem wurde vor und während der Infektion analysiert. Die Erkenntnis: Ihr Körper mobilisierte die sogenannten T-Helferzellen, die er gegen die bekannten Erkältungscoronaviren gebildet hatte, auch gegen SARS-CoV-2. 

T-Helferzellen sind für die Steuerung und Koordinierung der Immunantwort verantwortlich. Sie sorgen dafür, dass andere Immunzellen in den Körper eindringende Erreger direkt bekämpfen und passgenaue Antikörper bilden. Sogenannte T-Helfer-Gedächtniszellen überleben viele Jahre im Körper und sorgen für eine schnelle Immunantwort bei einem erneuten Kontakt mit dem Erreger.  

«Universelles Coronavirus-Gedächtnis»

Die Mobilisierung dieser Zellen führte zu einer verbesserten Immunantwort auf SARS-CoV-2. So erkannten sie zum Beispiel einen bestimmten Bereich des charakteristischen Spike-Proteins im neuartigen Coronavirus, der bei den bekannten Erkältungsviren ähnlich ist und bekämpften so den Erreger. Fachleute sprechen von Kreuzreaktivität.

«Bei Erkältungen mit harmloseren Coronaviren baut das Immunsystem also eine Art universelles, schützendes Coronavirus-Gedächtnis auf», erklärt Dr. Claudia Giesecke-Thiel, leitende Autorin der Studie. «Wenn es nun mit SARS-CoV-2 in Kontakt kommt, werden solche Gedächtniszellen wieder aktiviert und greifen nun auch den neuen Erreger an. Das könnte zu einer schnelleren Immunantwort gegen SARS-CoV-2 beitragen, die einer ungehinderten Ausbreitung des Virus im Körper zu Beginn der Infektion entgegensteht und so den Verlauf der Erkrankung vermutlich günstig beeinflusst.»

Die Wissenschaftlerin betont aber auch: «Das bedeutet nicht, dass man durch vergangene Erkältungen mit Sicherheit vor SARS-CoV-2 geschützt ist. Eine Impfung ist in jedem Fall wichtig.»

Impfung sorgt für schnelle Immunantwort

Denn: Den immunverstärkenden Effekt der kreuzreagierenden T-Zellen wiesen die Wissenschaftler auch bei einer Impfung mit dem Vakzin von Biontech nach. Eine Analyse der Immunreaktion von 31 gesunden Personen vor und nach der Impfung ergab: Während normale T-Helferzellen über einen Zeitraum von zwei Wochen schrittweise aktiviert wurden, sprachen die kreuzreagierenden T-Helferzellen innerhalb von einer Woche sehr rasch auf die Impfung an. Der Körper konnte also sehr schnell Antikörper produzieren und die Infektionsausbreitung früh bremsen.

«Auch bei der Impfung kann der Körper also zumindest teilweise auf ein Immungedächtnis zurückgreifen, wenn er bereits Erkältungen mit endemischen Coronaviren durchgemacht hat», sagt Prof. Dr. Andreas Thiel, ebenfalls leitender Autor der Studie. «Das könnte die überraschend schnelle und sehr hohe Schutzwirkung erklären, die wir zumindest bei jüngeren Menschen schon nach einer Covid-19-Erstimpfung beobachten.»

Kreuzimmunität nimmt im Alter ab

Denn auch einen anderen Fakt ermittelten die Forscher: Die Kreuzimmunität nimmt mit zunehmendem Alter ab. Sowohl die Anzahl der kreuzreagierenden T-Zellen als auch ihre Bindungsstärke (also wie gut sie den Erreger einfangen) war bei älteren Studienteilnehmern geringer als bei jüngeren. Dies wird auf natürliche Veränderungen eines alternden Immunsystems zurückgeführt.

«Der Vorteil, den eine harmlose Coronavirus-Erkältung jüngeren Menschen bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2 und auch beim Aufbau des Impfschutzes häufig bringt, fällt bei älteren Menschen leider geringer aus», sagt Prof. Thiel. Das könnte erklären, warum ältere Menschen an Covid-19 häufiger schwer erkranken und bei ihnen der Impfschutz oft schwächer ausfällt als bei Jüngeren. «Eine dritte Auffrischungsimpfung könnte in dieser stärker gefährdeten Bevölkerungsgruppe die schwächere Immunantwort vermutlich ausgleichen und für einen ausreichenden Impfschutz sorgen», so Thiels Fazit. 

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35 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nevermind
12.09.2021 16:25registriert Mai 2016
Es ist kein Argument gegen Schutzmassnahmen oder Impfung. Die Überlastung der Gesundheitswesen und das Sterben weltweit ist Realität.

Es zeigt aber, dass Sars-Cov-2 bald endemisch werden kann und dass das Angstszenario der Impf- und Massnahmegegner, dass man auf ewig alle 6 Monate nachimpfen muss und die Einschränkungen für immer bleiben, nicht eintreten wird.

Ohne dieses Gejammer und Leugnen würde es schneller und mit weniger Opfer gehen. Man müsste sich einfach mal der Realität stellen und den Kopf zum A#$%/ rausziehen.
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