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Eismeister Zaugg

Warum es eine Torheit wäre, Gottéron-Trainer Gerd Zenhäusern zu feuern

Erreicht Fribourg-Trainer Gerd Zenhäusern seine Spieler noch? Eine Frage, die sich die Gottéron-Verantwortlichen stellen müssen.
Erreicht Fribourg-Trainer Gerd Zenhäusern seine Spieler noch? Eine Frage, die sich die Gottéron-Verantwortlichen stellen müssen.
Bild: EQ Images
Eismeister Zaugg

Warum es eine Torheit wäre, Gottéron-Trainer Gerd Zenhäusern zu feuern

Gottéron wie es rockt und rollt: Der Trainer stellt die Vertrauensfrage, der Goalie tobt und ein griechischer Sagenheld liefert uns die Erklärung für eine Krise, die eigentlich gar keine ist.
04.01.2016, 08:4504.01.2016, 11:00
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Ohne jede Boshaftigkeit dürfen wir behaupten: So schnell wie Gottéron ist das Römische Reich nicht untergegangen. Am 30. Oktober 2015 räumt Gottéron nach der 2:5-Heimniederlage gegen Ambri nach 18 Runden den Leaderthron. Der Vorsprung auf den «Strich» beträgt damals immer noch stattliche 15 Punkte.

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Nach der sonntäglichen Niederlage bei den SCL Tigers (2:3 n.V.), die elfte in Serie, ist Gottéron auf dem 8. Platz angekommen. Der Vorsprung auf den Trennstrich zwischen Playoffs und Abstiegsrunde ist auf einen einzigen Punkt geschrumpft. Nie seit Einführung der Playoffs (1985/86) ist ein Tabellenführer so spektakulär so tief gestürzt.

Die Gottéron-Spieler wirken immer ratloser.
Die Gottéron-Spieler wirken immer ratloser.
Bild: PHOTOPRESS

Es wäre boshaft zu behaupten, den Spielern sei es egal. Nach dem Spiel halten die Chronisten auf dem Weg zur Gästegarderobe im Kabinengang des Ilfis-Tempels verwundert inne. In der Gottéron-Kabine tobt einer, dass die Wände wackeln. Zwischendurch hört man dumpfe Schläge. Als sei der Drache im Gottéron-Tal nach Jahrhunderten befreit worden. Dem Boshaften fällt spontan ein Spruch der grossen Schauspielerin Hildegard Knef ein: «Brüllt ein Mann, ist er dynamisch. Brüllt eine Frau, ist sie hysterisch.»

Als schliesslich die Türe aufgestossen wird, fliegen Stöcke scheppernd in den Gang hinaus. Das Naturereignis dauerte gut und gerne fünf Minuten. Früher war Gottéron auf dem Eis vom «heiligen Zorn» beseelt. Jetzt entflammt dieser Zorn nur noch in der Kabine. Nicht Trainer Gerd Zenhäusern hat getobt. Auch nicht Sportchef Christian Dubé. Nein, es war … Torhüter Benjamin Conz.

Sprungers bittere Erkenntnis

Es war sein gutes Recht, sehr aufgebracht, ausser sich, ja zornig zu sein. Mit grossartigen Paraden hatte er seine Jungs im Spiel gehalten. Mit tausend Händen hat er sich gewehrt, gekämpft und die Verlängerung ermöglicht. Und in dieser Verlängerung wird er schmählich im Stich gelassen, ja geradezu verraten.

Benjamin Conz platzte in der Kabine der Kragen.
Benjamin Conz platzte in der Kabine der Kragen.
Bild: Christian Pfander/freshfocus

Ausgerechnet als Langnaus charismatischer Leitwolf Chris DiDomenico angespielt wird, wechseln die Fribourger fliegend. Der Kanadier zieht unbehelligt davon, legt seine ganze Energie in den Abschluss, explodiert förmlich und bezwingt den tapferen Benjamin Conz mit einem gänzlich unhaltbaren Schuss nach nur 51 Sekunden in der Verlängerung zum 3:2.

Kein Wunder ist Gottérons Leitwolf Julien Sprunger hinterher kleinlaut. Er sagt einen Satz, der das ganze Elend seiner Mannschaft gut erklärt: «Wir finden einfach keinen Weg, um ein Spiel zu gewinnen. Aber wir finden immer einen Weg, um ein Spiel zu verlieren.»

Trainer Gerd Zenhäusern sieht nach dem Spiel ein bisschen zerzaust aus. Wenn Gottéron noch immer Tabellenführer wäre, dann dürften wir mit ein wenig Boshaftigkeit behaupten, er habe es mit den Silvester-Feierlichkeiten übertrieben.

Aber das dürfen wir nicht sagen. Es ist der Stress des Verlierens, der diesem so ruhigen und sachlichen Trainer anzumerken ist. Der Zorn seines Goalies hat ihn nicht überrascht. «Er hat schon einmal so getobt. Nach dem 1:9 gegen Davos.»

Zenhäusern stellt die Vertrauensfrage

Gerd Zenhäusern sagt, er habe inzwischen alles probiert. Getobt und gelobt. Er habe seine Jungs geschlaucht und ihnen eine Pause gegönnt. Er gebe jetzt am Montag erst einmal frei. Ja, er habe vor der Weihnachtspause der Mannschaft in der Kabine die Vertrauensfrage gestellt: «Habt ihr ein Problem mit mir?» Niemand habe das Wort ergriffen. Er werde diese Vertrauensfrage noch einmal stellen. Und explizit fordern, dass jeder offen sagen soll, was nicht stimmt.

Ohne viel Boshaftigkeit dürfen wir dazu sagen: Wenn ein Trainer seinen Jungs die Vertrauensfrage stellt, ist das so, wie wenn ein verunsicherter Ehemann seine Gattin fragt: «Schatz, liebst Du mich noch?» Er wird nie eine ehrliche Antwort erhalten. Bis zur Scheidung.

Viel Gesprächsstoff im Gottéron-Training.
Viel Gesprächsstoff im Gottéron-Training.
Bild: Urs Lindt/freshfocus

Das weiss auch Gerd Zenhäusern. Er sagt: «Wenn eine Mannschaft elfmal hintereinander verliert, dann ist der Trainer unter Druck.» Darüber mache er sich keine Gedanken. «Sonst würde ich verrückt».

Es hilft Gerd Zenhäusern, dass der Trainerjob für ihn nicht existenziell ist. Er hat, bevor er nach einer Denkpause und einem Wirtschafts-Studium wieder ins Hockeygeschäft eingestiegen ist, im Immobiliengeschäft mehr verdient als jetzt an der Bande. Und zudem hat er einen Vertrag bis 2018. Am 24. November 2015, als seine Mannschaft noch auf dem 3. Platz stand, ist sein Kontrakt vorzeitig bis 2018 verlängert worden. Sein Agent Dani Giger hat Sportchef Christian Dubé zu diesem Fehler verleitet.

Über solchen völlig unsinnigen, vorzeitigen Verlängerungen liegt ein Fluch: Hans Kossmann ist letzte Saison in Fribourg nach einer solchen Prolongation des Amtes enthoben worden. Diese Saison hat es Luganos Patrick Fischer bereits erwischt. Er hatte vorzeitig bis 2018 verlängert. Dass Biels Kevin Schläpfer (bis 2018) und Zugs Harold Kreis (bis 2017) ungeschoren durch ihre vorzeitig prolongierten Verträge kommen, wagt längst niemand mehr zu wetten.

Wir haben jetzt nur geschildert, wie es bei Gottéron in Zeiten der Krise zu und hergeht. Aber keine Antwort geliefert, warum die Mannschaft so abgestürzt ist.

Fribourg ist im Herbst zu hoch geflogen.
Fribourg ist im Herbst zu hoch geflogen.
Bild: KEYSTONE

Die Antwort ist recht einfach: Das «Ikarus-Syndrom.» Zur Erklärung: Um aus der Gefangenschaft zu entfliegen, erfand Dädalus für sich und seinen Sohn Ikarus Flügel aus Federn, die er mit Wachs fixierte. Vor dem Start schärfte er seinem Bub ein, nicht zu hoch zu fliegen, da sonst die Hitze der Sonne zum Absturz führen würde. Ikarus wurde übermütig und stieg so hoch hinauf, dass die Sonne das Wachs seiner Flügel schmolz, woraufhin sich die Federn lösten und er ins Meer stürzte.

Der Ikarus-Mythos symbolisiert die Strafe der Götter für einen unverschämten Griff nach der Sonne. Gottéron ist im Herbst viel zu hoch geflogen. Die wochenlange Leaderposition im Herbst war nie durch entsprechende spielerische Substanz abgesichert.

Vielkritisierte Prognose stimmt doch

Ein paar Wochen lang musste sich der Chronist im Herbst für seine Saisonprognose boshafte Kommentare anhören. Er hatte prognostiziert: «Obwohl die Ausländerpositionen besser besetzt sind, sehen wir zu wenig Gründe, warum es jetzt für die Playoffs reichen sollte. Aber wir sehen gute Gründe für einen 12. und letzten Platz und viel Polemik. Was ja eigentlich eher dem wahren Gottéron entspricht als Siege und Spitzenklassierungen.»

Aber das war, ist und bleibt die Wahrheit. Gottéron steht jetzt dort, wo es aufgrund seiner spielerischen Substanz im besten Falle hingehört. Wären die Siege und die Niederlagen besser verteilt, gäbe es nicht diese Häufung von Siegen am Anfang und Niederlagen in den letzten Wochen, dann gäbe es bei genau gleicher Klassierung keine Polemik. Niemand würde von einer Krise sprechen.

Wenn Fribourg die Playoffs noch schaffen will, muss die Wende her. Und zwar schnell.
Wenn Fribourg die Playoffs noch schaffen will, muss die Wende her. Und zwar schnell.
Bild: Christian Pfander/freshfocus

Vielmehr würden Sportchef Christian Dubé und sein Trainer Gerd Zehnhäusern für ihre hervorragende Arbeit gerühmt. Es sei geradezu ein Wunder, dass Gottéron auch im Januar noch um die Playoffs spiele. Dass Gottéron im Januar auf Augenhöhe mit dem Giganten SC Bern und gar vor dem Titanen Kloten klassiert sei. So gesehen steckt Gottéron gar nicht in der Krise. Es wäre eine Torheit, den Trainer zu feuern.

Trainer Gerd Zenhäusern hat die Situation übrigens immer richtig eingeschätzt. Als er im Herbst für die Leaderposition von einem Chronisten gerühmt wurde, wehrte er ab: «Aber wir haben noch gar nichts erreicht. Wir sind ja noch nicht einmal in den Playoffs …»

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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tikkanen
04.01.2016 11:50registriert November 2014
Die Entwicklung im Üechtland verläuft nach Plan. Die Anschaffung eines Pokalregales ist langfristig nicht budgetiert😳
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geistfrei
04.01.2016 11:14registriert Februar 2014
für alle die sich fragen, wer denn die nummer 9 auf dem 2. bild ist: gerd zenhäusern im jahre 2006. habe auch eine weile gebraucht! :D
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