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Sri Lanka kommt nicht zur Ruhe – Explosionen und Schiesserei bei Razzia

Sri Lanka kommt nicht zur Ruhe – Explosionen und Schiesserei bei Razzia

Nach den Anschlägen vom Ostersonntag mit mehr als 250 Toten in Sri Lanka ist es bei einer Razzia erneut zu drei Explosionen und einer Schiesserei gekommen. Die Behörden fanden unter anderem mehrere Sprengstoffwesten.
26.04.2019, 20:16
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In einem Wohnhaus im Osten des Landes wurden am Freitagabend bei mutmasslichen Islamisten daneben Materialien zur Herstellung von Bomben und eine Drohne gefunden, wie die Polizei mitteilte.

Die Sicherheitskräfte entdeckten zudem eine Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und Kleidung, die von einem angeblichen Bekennervideo der Attentäter vom Ostersonntag stammen könnten, die das Sprachrohr des IS verbreitet hatte. Sieben junge Muslime wurden festgenommen.

Stundenlange Schiesserei

Kurz darauf wollten die Polizisten und Soldaten in der Nähe zwei weitere Häuser durchsuchen; dabei gab es in einem der Gebäude drei Explosionen. Anschliessend wurde auf die Einsatzkräfte geschossen. Es schloss sich eine rund zweistündige Schiesserei an. Nach ersten Berichten gab es mindestens einen Verletzten mit Schusswunden.

epa07529110 Sri Lankan Muslims hold posters as they stand together in solidarity for the people killed in the series of blasts at Dawatagaha mosque in Colombo, Sri Lanka, 26 April 2019. According to r ...
Sri Lanka ist auch Tage nach den Anschlägen aufgewühlt.Bild: EPA/EPA

Mehrere mutmassliche Terroristen verschanzten sich. Der Ort des Geschehens befindet sich nicht weit von der Stadt Batticaloa, wo am Ostersonntag eine Kirche angegriffen worden war.

Die Polizei hatte zuvor über neuerliche Anschlagspläne von Islamisten in dem Inselstaat berichtet.

Der «Lonely Planet» hatte Sri Lanka zuletzt noch zum Top-Reiseziel dieses Jahres erklärt. Eine grosse internationale Artenschutz-Konferenz der Länder des CITES-Abkommens, die im Mai in Sri Lanka stattfinden sollte, wurde aufgrund der Anschläge verschoben.

Auch Sufis im Visier

Sri Lankas Polizei teilte mit, dass Islamisten unter der Führung des Hasspredigers Mohammed Zaharan Geheimdienstinformationen zufolge Moscheen der Sufisten – einer Strömung im Islam mit mystischen Traditionen – angreifen wollten.

Radikale Islamisten betrachten Sufisten-Anhänger wegen deren Toleranz anderen Religionen gegenüber als Feinde. Die Sicherheitsvorkehrungen an Sufisten-Moscheen wurden laut Polizei erhöht. Nur in wenigen islamischen Gotteshäusern fanden allerdings Freitagsgebete statt.

Anführer sprengte sich in die Luft

Zaharan – auch Zaharan Hashim genannt – gilt als Anführer der Gruppe National Thowheeth Jamaath, die für die Anschläge vom Ostersonntag verantwortlich gemacht wird. Er sprengte sich nach Angaben der Regierung in einem der Hotels in Colombo in die Luft.

Die US-Botschaft in Colombo hatte bereits vor Anschlagsplänen gewarnt und gemahnt, Gotteshäuser von Freitag bis Sonntag zu meiden. Auch Touristenziele, Flughäfen, Hotels, Krankenhäuser, Restaurants, Märkte und andere öffentliche Orte könnten Ziele sein, hiess es. Schulen und Universitäten sollen erst am 6. Mai wieder öffnen.

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In Sydney gedenkt man den vielen Toten.Bild: EPA/AAP

Obwohl sich Dutzende Verdächtige in Gewahrsam befanden, waren einige noch auf freiem Fuss. Die Polizei bat die Bevölkerung um Hinweise auf sechs Gesuchte - vier Männer und zwei Frauen.

Opferzahlen korrigiert

Neun einheimische Selbstmordattentäter, darunter eine Frau, hatten am Ostersonntag Anschläge unter anderem auf drei christliche Kirchen und drei Luxushotels verübt. Zuletzt war von 359 Todesopfern die Rede gewesen. Das Gesundheitsministerium korrigierte die Zahl am späten Donnerstagabend aber auf 253 nach unten. Die Zahl der Verletzten wurde nun mit 149 statt wie bisher 485 angegeben.

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Sri Lankas Premierminister Ranil Wickremesinghe erlebt intensive Tage.Bild: AP/AP

Die Erklärung für die deutliche Korrektur klingt schaurig: Durch die Wucht der Explosionen habe es zu viele Körperteile gegeben, um die Toten genau zählen zu können. Offen blieb die Frage, warum unter diesen Umständen immer wieder neue, genaue Zahlen herausgegeben worden waren. Auch, ob sich an der zuletzt auf 40 gestiegenen Zahl der ausländischen Todesopfer etwas änderte, war zunächst unklar.

Warnungen ignoriert

Die Behörden des Inselstaates hatten schon zuvor keine gute Figur abgegeben. Indische Geheimdienste hatten bereits mehr als zwei Wochen vor Ostern Hinweise auf Anschlagspläne gegeben, und zwar äusserst konkrete: Sie erhielten die Namen und bekannten Aufenthaltsorte der Anschlagsplaner sowie die Ziele und das Datum der geplanten Angriffe.

Warum die Hinweise unbeachtet blieben, ist die grosse Frage. Manche Experten urteilen, die Sicherheitskräfte hätten einen so grossen Anschlag schlicht nicht für möglich gehalten - zumal es zuvor keine nennenswerte Gewalt gegen die in Sri Lanka relativ kleine Minderheit der Christen gegeben hatte.

«Ich denke, ein Teil der Erklärung ist, dass die Führung des Landes derzeit in Aufruhr ist», twitterte Amarnath Amarasingam, ein kanadischer Extremismusforscher sri-lankischer Herkunft. «Im Grunde hassen der Premierminister und der Präsident einander.»

Zerstrittene Regierung

Staatspräsident Maithripala Sirisena hatte Premierminister Ranil Wickremesinghe Ende vergangenen Jahres überraschend entlassen. Wickremesinghe erkannte das nicht an. Nachdem das Land sieben Wochen lang keine allgemein anerkannte Regierung hatte, gewann der Premier den Machtkampf am Obersten Gerichtshof und blieb im Amt.

Regierungsangehörige von Wickremesinghes Partei beklagten nach den Anschlägen, seit längerem von den Sicherheitsbehörden, die Präsident Sirisena unterstehen, über Fragen der nationalen Sicherheit im Dunkeln gelassen zu werden. Sirisena fungiert auch als Verteidigungsminister.

Sirisena entliess nun den Polizeichef des Landes sowie einen ranghohen Beamten im Verteidigungsministerium. Er machte sie dafür verantwortlich, dass er selbst erst eine Stunde nach den ersten Explosionen in sozialen Medien von den Hinweisen erfahren habe. Die beiden Männer hätten nur «Papiere hin und her geschoben», sagte Sirisena am Freitag bei einem Treffen mit Medienvertretern. (sda/dpa)

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