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Islamischer Vereinspräsident wehrt sich: «Bei uns wurden sie bestimmt nicht radikalisiert»

Reisten seine Kinder in den Dschihad?

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Reisten seine Kinder in den Dschihad?
Der Vater zeigt im türkischen Fernsehen Bilder seiner Kinder.
quelle: fatih karacali (dha) / fatih karacali (dha)
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Schweizer Teenies in den Fängen des IS?

Islamischer Vereinspräsident wehrt sich: «Bei uns wurden sie bestimmt nicht radikalisiert»

Zwei Winterthurer Teenager hauen von zu Hause ab, ihr Vater reist verzweifelt hinterher. Er glaubt, seine Kinder wollen sich dem IS anschliessen. Der Präsident des Islamischen Vereins «An’ Nur», wo die beiden ein und aus gingen, reagiert schockiert auf die Nachricht.
23.12.2014, 16:1724.12.2014, 11:26
Rafaela Roth
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Wieder sorgen zwei junge Dschihad-Reisende aus der Schweiz für Schlagzeilen: Die beiden Winterthurer Teenager mit Wurzeln in Kosovo sollen sich letzte Woche unbemerkt nach Istanbul abgesetzt haben. Kaum bemerkt der Vater das Fehlen seiner 15-jährigen Tochter und seines 16-jährigen Sohnes, reist er ihnen in die Türkei hinterher. 

Er glaubt, die beiden wollen sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anschliessen. «Der IS hat meine Kinder ausgetrickst», sagt der aufgebrachte Vater gegenüber der türkischen Nachrichtenagentur DHA. Sie vermeldet, die Handys der beiden seien in Adana, einer Stadt nur noch rund 250 Kilometer von der von Kurden und IS umkämpften Stadt Kobane entfernt, geortet worden. Er sei kein Fundamentalist, sagt der Vater gegenüber der DHA. Er vermutet, dass seine Kinder in der Moschee radikalisiert wurden. 

Atef Sahnoun, Präsident des Islamischen Vereins «An’ Nur»
Atef Sahnoun, Präsident des Islamischen Vereins «An’ Nur»

«Der Vater sucht einen Schuldigen»

«Bei uns wurden sie bestimmt nicht radikalisiert», sagt Atef Sahnoun im Gespräch mit watson. Sahnoun ist der Präsident des Islamischen Vereins «An’ Nur» (deutsch: «Das Licht») in Winterthur. «Ihr Vater kam letzte Woche in heller Aufregung zu mir. Er sucht einen Schuldigen. Bei uns ist der aber nicht zu finden», so Sahnoun. 

Der Winterthurer Verein «An’ Nur» existiert seit 2008 und organisiert für Muslime verschiedenster Nationen gemeinsame Gebete, Freizeitaktivitäten und Arabisch Unterricht. Er distanziert sich klar von jeglichen extremen Ansichten. 

«Ich kann nicht alle über hundert Vereinsmitglieder genaustens beobachten. Wenn wir aber merken würden, dass komische Gestalten bei uns Jugendliche ansprechen, würden wir sie auf der Stelle weg schicken», sagt er. Das sei in all den Jahren aber noch nie vorgekommen. Die beiden seien wohl eher über das Internet mit dem IS in Kontakt gekommen.

Das Vereinslokal von «An’ Nur Kultur» in Winterthur. 
Das Vereinslokal von «An’ Nur Kultur» in Winterthur. bild: googleview/screenshot

Nach zwei Jahren wieder im Verein aufgetaucht

Atef Sahnoun war schockiert, als er erfuhr, dass gerade diese beiden Jugendlichen die Absicht hegen sollten, sich dem IS anzuschliessen. «Ich konnte es kaum glauben», sagt er. Es seien höchst anständige und freundliche Jugendliche gewesen. «Dass der Jugendliche auch noch seine Schwester in die Türkei mitnimmt, finde ich unfassbar», sagt Sahnoun. 

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Er kennt die beiden von früher. In den vergangenen zwei Jahren seien sie aber nicht mehr zu Vereinstreffen gekommen. Erst vor ungefähr einem Monat seien sie wieder aufgetaucht. Was in der Zwischenzeit passiert ist, weiss er nicht.

Gegenüber 20 Minuten sagten Kollegen der Kinder, die beiden hätten sich erst in den letzten Monaten verändert. Das Mädchen habe angefangen, sich mit Kopftuch und schwarzem Umhang zu verschleiern und oft von der Moschee erzählt.

Kantonspolizei schaltet fedpol ein

Die Kantonspolizei Zürich bestätigt, dass Anzeigen wegen entlaufenen Teenagern entgegengenommen wurden. «Die beiden Jugendlichen sind international ausgeschrieben, die fedpol ist eingeschaltet», sagt ein Polizeisprecher gegenüber watson. Es gebe Anzeichen, dass sich die beiden in der Türkei aufhielten. Der Grund dafür sei jedoch noch unklar. 

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