Die Zeit drängt. Tourbus um Tourbus staut sich vor dem Eingang zum weltberühmten Hindu-Tempel Tanaloth auf Bali. Mit Selfie-Sticks bewaffnet hasten die Touristenscharen durch das Wirrwarr von Marktständen zum Sunset Point. Schweden, Russen, Schweizer und Chinesen.
Ein Victory-Zeichen hier, ein Bikini-Blitzer da: Mit peinlichen Posen setzen sich die Touristen vor den Tempelfiguren in Szene, wie der watson-Reporter während seines Asien-Arbeitseinsatzes beobachtete. Noch während des Sonnenuntergangs laden einige die Bilder auf Instagram.
Nun zieht Bali wegen der respektlosen Touristenmassen die Reissleine. Wer die heiligen Tempel der Götterinsel besucht, muss in Zukunft Kleidung tragen, die Schultern sowie Knie bedecken. Fertig Gotteslästerung! Knappe Bikinis sind fortan tabu. «Wir sind zu offen mit Touristen – also es kommen zu viele – und die Qualität der Touristen ist jetzt anders als früher», sagte der Provinzgouverneur zu BBC.
Darum haben die Einheimischen genug von den Touristen:
Allein in den letzten zwei Jahren ist die Zahl der chinesischen Touristen auf Bali von 986'000 (2016) auf 1,4 Millionen (2017) gestiegen – also fast um 50 Prozent! Das Problem: Die so genannten «Zero-Dollar-Touristen» bringen den Balinesen kaum Einnahmen. Denn die chinesischen Pauschaltouristen jetten zu absoluten Tiefstpreisen nach Bali. «70 Prozent der Chinesen kommen mit den ‹Gratis-Reisen›, das ist absolut alarmierend», so der balinesische Tourismusdirektor Ida Bagus.
Viel von der Insel bekommen die Chinesen allerdings nicht zu sehen. Um das Geld wieder reinzuholen, werden sie von den Reiseveranstaltern in eigens dafür eröffnete Shops gekarrt. Dort werden sie teilweise gezwungen, völlig überteuerte Waren zu kaufen – die Shops gehören chinesischen Geschäftsleuten. «Das Geld geht mittels Bezahl-Apps direkt nach China», so ein indonesischer Professor zum Sydney Morning Herald.
Insgesamt strömen jährlich über fünf Millionen Besucher nach Bali – mehr als die Insel Einwohner hat. Die Chinesen haben inzwischen die Australier bei den Touristenankünften vom Spitzenplatz verdrängt. Tausende Schweizer strömen jedes Jahr nach Bali. Kein Wunder: Der 16-Stunden-Flug ist bereits für 500 Franken zu haben.
Bali ertrinkt wegen der Touristenmassen im Plastikmüll. Die Einheimischen nennen die Regenzeit inzwischen Abfallsaison. Im letzten Dezember waren die Strände übersät von Plastikflaschen, Abfallsäcken, Flipflops. Der Müll kam von den Flüssen aus dem Landesinnern und durch Meeresströmungen von anderen Inseln an die Strände. Ein Taucher wagte sich in den vermüllten Ozean, das Video (siehe oben) ging um die Welt. Aufräumequipen und freiwillige Helfer sammelten in der Regenzeit täglich bis zu 100 (!) Tonnen Müll an den Stränden ein. Trotz des massiven Bevölkerungswachstums fehlt bislang eine geordnete Müllentsorgung.
Der Hipster-Ort Canggu ist in Bali das Mekka aller Lifestyle-Enthusiasten, Surfer und Expats. Doch statt Palmen stehen immer mehr Kräne. In schier atemberaubendem Tempo werden die Reisfelder mit neuen Hotels, Läden und Restaurants zugebaut. Ausländer kaufen Land und Immobilien auf und versuchen, das grosse Geschäft zu machen. Die Locals haben das Nachsehen.
Der Bauboom trifft nun auch die Surfer. Am weltberühmten «Echo Beach» wird derzeit eine Bootsanlegestelle für die Heerscharen von Touristen gebaut. Die einheimischen Surflehrer haben ebenfalls das Nachsehen.
Die Infrastruktur kann mit dem Touristen-Boom nicht Schritt halten. Taxis, Touristenbusse und Mopeds verstopfen die Strassen. Einheimische stehen oft endlos im Stau, um von ihren Dörfern oder dem Hauptort Denpasar an ihren Arbeitsplatz in den Touristengebieten zu fahren.
Obschon Bali eine tropische Insel ist, sinkt der Grundwasserspiegel wegen des Massentourismus teilweise dramatisch.
«Ein Tourist verbraucht fünfmal so viele Ressourcen am Tag wie ein Balinese. Am meisten ist das beim Wasser zu sehen. Pro Gast werden bis zu 2000 Liter Wasser verbraucht – pro Tag», sagt Umweltberater Nino Lotze zu SRF. Dies, weil es überall Lecks habe und sich niemand um das Wassersystem kümmere. «Das Wasser ist viel zu günstig», bilanziert der Experte.