So lautete die Devise des Eroberers, der während des heraufdämmernden 13. Jahrhunderts die mongolischen Stämme vereinte, um mit ihnen die halbe Welt zu erobern. Diese Welt war rau wie die staubigen, unendlich scheinenden Steppen, über deren borstige Gräser er preschte. Hier galt das Gesetz des Stärkeren, und Dschingis Khan war stark.
Er musste es mit neun Jahren schon werden, nach dem Tod seines Vaters, einem Klanchef des Mongghol-Stammes, den man vergiftet hatte. Seines Erbes beraubt, gedemütigt und verfolgt, kämpfte sich der Junge, den man Temüdschin getauft hatte und der sich vor Hunden fürchtete, wieder nach oben. Er verhandelte geschickt mit den verschiedenen mongolischen Sippen und beendete auf diese Weise ihre kleingeistigen Fehden. Denn draussen vor ihren Zelten lag der Rest der Welt, man musste ihn sich nur nehmen.
Und er nahm ihn sich, der Mann, dessen Stammbaum von einem Wolf und einer Hirschkuh begründet worden war, am Fusse des heiligen Berges Burchan Chaldun, wo die Geister seiner Ahnen wohnten.
1206 wurde er von den Schamanen und Stammesfürsten zum Grosskhan aller Mongolen ernannt – zu Dschingis Khan, dem ungestümen, ozeangleichen Herrscher.
Als solcher besiegte er die Tataren, die Keraiten und Naimanen, eroberte das Reich der Tanguten und Jurchen, unterwarf die Jin-Dynastie und machte sich auch manch ein muslimisches Königreich zu eigen. Dschingis Khans Nachfolger sollten seinem 19 Millionen-Quadratkilometer-Erbe noch einiges hinzufügen, sodass es bald zum grössten Reich anschwellen würde, das die Menschheit je zu Gesicht bekam.
Grösser als das Imperium Romanum, grösser auch als das Reich Alexanders des Grossen, grösser als alles, was einmal gierigen britischen Kolonialhänden unterstand. Die Mongolen beherrschten bald ein Gebiet, das von der Donau bis zum Pazifischen Ozean reichte.
Doch noch war es nicht ganz so weit, noch war Dschingis Khan daran, den Grundstein zu legen für dieses Imperium. Mit seiner ihm treu ergebenen Armee legte er ganze Städte und Dörfer in Schutt und Asche, massakrierte die Männer und vergewaltigte die Frauen. Manchmal verschonte er diejenigen, die nicht grösser waren als die Achshöhe eines Ochsenkarrens.
Meistens aber nicht.
Architekten und Handwerker hatten die grösste Chance, Dschingis Khans mörderischem Schwert zu entgehen, er brauchte sie für den Aufbau seines Grossreiches. Die Verwaltung desselben verlangte ein einheitliches Gesetzbuch und eine eigene Schrift – für all dies sorgte Dschingis Khan, der Analphabet.
1226 zog er mit seinen Männern noch einmal gegen die Tanguten. Dieses Volk siedelte seit fast 200 Jahren im nordwestlichen China, am Gelben Fluss (Huang He). Und es hielt sich nicht an die Pflichten, die der mongolische Grosskhan ihnen auferlegt hatte. Sie lieferten ihm keine Pferde und auch keine Hilfstruppen für seine blutigen Eroberungszüge. Also bestrafte er sie. Und zwar so sehr, dass kaum ein Tangute seinem Zorn entkam.
Die Felder waren bald übersät mit menschlichen Gebeinen. Doch auch Dschingis Khan selbst sollte nicht ungestraft davonkommen.
In der «Geheimen Geschichte der Mongolen», deren Verfasser unbekannt ist, heisst es, Dschingis Khan sei von seinem Pferd geworfen worden und habe sich schwer verletzt. In der Nacht sei sein Fleisch ganz heiss geworden. Und zum Gebrüll der Reiter, den Schreien der niedergesäbelten Tanguten und dem Getrommel der Pferdehufe, mit dieser donnernden Todesmusik in den Ohren, zu der der Grosskhan 65 Jahre lang getanzt hatte, tat er seinen letzten Atemzug.
Vielleicht aber ist er auch durch die Hand einer Frau gestorben. So will es zumindest eine Volkslegende, die einer schönen Tangutenprinzessin ein Messer ins Haar dichtete, mit dem sie sich in sein Zelt aufmachte.
Dschingis Khan schickte nach ihr, nachdem er ihre Familie in der Schlacht besiegt hatte – sie sollte ihm die Nacht versüssen. Doch sobald er sich an ihr vergehen will, greift sie zu ihrem Dolch und entmannt den Vergewaltiger.
Da lag er dann, der grosse Anführer der Mongolen, und blutete seinem Tod entgegen.
Seine letzte Reise führte ihn vom Gelben Fluss durch die Wüste Gobi viele Kilometer nach Norden in seine Heimat. Dort begrub man ihn, gemeinsam mit seinen Schätzen, auf der Göttlichen Weide, dem heiligen Berg Burchan Chaldun. Die Krieger trieben danach tausende Pferde über den Platz, damit alle Spuren für immer verwischt wurden.
Dann erschlugen sie die Sklaven, die das Grab geschaufelt hatten. Jedes Lebewesen, das sich in der Nähe des toten Mongolenherrschers aufgehalten hatte, die tausend Teilnehmer der Bestattung, alle wurden niedergemacht. Selbst die Krieger, hundert an der Zahl, empfingen den Tod durch die Schwerter dieser Tradition. Ihre Tränen und ihr Blut sickerten in die Erde, aus der sich bald Tannen erhoben, hoch gewachsene, stramme Grabwächter, die mit ihren Nadelästen den heiligen Ort vor Eindringlingen schützten.
Diese Menschen starben für «Ikn Khoring», das «Grosse Tabu». Denn niemand durfte je erfahren, wo der ozeangleiche Herrscher begraben liegt.
Und so schweigt der heilige Berg bis heute. Er trotzte den unzähligen Grabungen von Archäologen, spottete japanischen Infrarotgeräten und Satellitenfotos und entzog sich ebenso den gierigen Händen des Rechtsanwaltes Maury Kravitz, der über 40 Jahre lang wie ein Besessener nach Dschingis Khans Grabstätte suchte.
Doch auch seine Millionen versickerten allesamt in den endlosen Weiten der mongolischen Steppe.