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Bundesliga-Stars zeigen Solidarität mit George Floyd – es drohen Strafen

Moenchengladbach's Marcus Thuram taking the knee after scoring his side's second goal during the German Bundesliga soccer match between Borussia Moenchengladbach and Union Berlin in Moenchen ...
«Take a knee» – Marcus Thuram in Anlehnung an Footballspieler Colin Kaepernick.Bild: keystone
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Warum Fussballer nicht bestraft werden dürfen, wenn sie gegen Rassismus protestieren

Mehrere Bundesliga-Profis haben am Wochenende ein starkes Zeichen gesetzt und sich auf dem Feld durch Botschaften mit dem verstorbenen George Floyd solidarisiert. Nun drohen ihnen Sanktionen, die der Deutsche Fussball-Bund auf keinen Fall aussprechen darf.
02.06.2020, 12:4603.06.2020, 09:03
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«Justice for George Floyd», stand auf dem Unterleibchen von BVB-Youngster Jadon Sancho. Der Engländer präsentierte es nach dem ersten seiner drei Tore gegen Paderborn – er sah dafür die gelbe Karte.

Der 19-Jährige wurde allerdings nicht für seine Botschaft, sondern für das Ausziehen des Trikots bestraft – vorerst. Es drohen ihm nämlich weitere Sanktionen, so wie auch Teamkollege Achraf Hakim, Schalkes Weston McKennie oder Gladbachs Marcus Thuram. Sie alle zeigten Solidarität mit den Protesten in den USA nach der Tötung des Schwarzen George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz.

«Wir müssen für das einstehen, woran wir glauben, und ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass wir gehört werden!»
Weston McKennie

Jadon Sancho und Co. protestieren gegen Rassismus

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Jadon Sancho und Co. protestieren gegen Rassismus
Beim 6:1-Sieg von Borussia Dortmund in Paderborn hatte Jadon Sancho eine klare Botschaft: Mit einem Shirt mit der Aufschrift «Justice for George Floyd» zeigte er sich solidarisch mit dem nach einem Polizei-Einsatz in Minneapolis verstorbenen George Floyd.
quelle: keystone / lars baron / pool
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Hakimi zeigte wie Sancho ein beschriftetes Unterleibchen, McKennie trug die Botschaft auf einer Armbinde und Thuram solidarisierte sich mit einem Kniefall und nahm damit Bezug auf Football-Profi Colin Kaepernick und die «Take a knee»-Bewegung.

Nun droht den Spielern aber Ungemach, denn ihre Aktionen sind nach den Statuten des Deutschen Fussball-Bundes (DFB) untersagt. So heisst es unter Paragraph 36 in der Spielkleidungsrichtlinie: «Politische und/oder andere Mitteilungen auf den Ausrüstungsgegenständen sind keinesfalls erlaubt.» Der Kontrollausschuss befasst sich bereits mit den Fällen.

«Ob es in den vorliegenden Fällen zu Sanktionen kommen muss, bleibt abzuwarten», sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch am Montagabend. Bei der Überprüfung durch den Kontrollausschuss gehe es darum, «festzustellen, ob das Spiel und das Spielfeld der richtige Ort für diese Handlungen sind.»

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Rainer Koch, DFB-Vizepräsident.Bild: imago sportfotodienst

Der DFB gerät damit in eine Zwickmühle. Einerseits sollte er seine eigenen Regeln durchsetzen, sonst drohen bald regelmässig Botschaften von Spielern, die dann gleich geahndet werden müssten, egal ob diese moralisch gut oder schlecht sind. Andererseits würde der DFB mit allfälligen Sanktionen seine Bemühungen, den Rassismus zu bekämpfen, gleich selbst verdrängen.

Die betroffenen Spieler haben zwar ein politisches Statement zum Ausdruck gebracht, jedoch muss hierbei auch festgehalten werden, dass Rassismus keine Politik oder Meinung ist, sondern Menschenverachtung. Deshalb wäre es fatal, sollte der DFB nach diesen Solidaritätsbekundungen Sanktionen aussprechen. Es gibt derzeit Wichtigeres als Paragraphen im Regelbuch, der Fussballverband muss Fingerspitzengefühl zeigen und auf eine Bestrafung verzichten.

«Ich habe grossen Respekt vor Spielerinnen und Spielern, die Haltung haben und ihre Solidarität zeigen, solche mündigen Spielerinnen und Spieler wünsche ich mir, auf sie bin ich stolz.»
DFB-Präsident Fritz Keller in einer Mitteilung von Montag

Immer wieder wird gefordert, dass Fussballer vermehrt als Vorbilder agieren sollen. Nun haben einige ganz klar Haltung, Solidarität und Stärke gezeigt und ihre Stimme erhoben. Durch ihren Status als Profis nutzen sie eine Plattform und erhalten die Aufmerksamkeit, welche der Kampf gegen den Rassismus dringend braucht.

Die FIFA und Klubs als Unterstützer

Selbst die FIFA, die sich «No to Racism» gross auf die Flagge geschrieben hat, dies aber selten konsequent umsetzt, hat sich überraschend deutlich positioniert. In einer Stellungnahme bittet der Weltfussballverband, dass der «gesunde Menschenverstand» genutzt werde und die Umstände berücksichtigt werden sollen. Zudem schrieb die FIFA, dass sie «die Tiefe der Gefühle und Bedenken, die viele Fussballer angesichts der tragischen Umstände des Falles George Floyd zum Ausdruck bringen», verstehe.

Mehr zur FIFA und Rassismus:

Unterstützung gibt es auch vom Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann. Er forderte am Dienstagmorgen im ZDF-«Morgenmagazin» Augenmass in der Bewertung von Protesten.

«Deshalb kann ich nur ermutigen: Sagt das, was ihr denkt. Zeigt das, was ihr empfindet. Ich kann nur hoffen, dass in den Verbänden und Organisationen ein entsprechendes Augenmass in der Bewertung dieser Aktionen gegeben ist. Wenn inakzeptable Themen weltweit passieren, ist es nicht nur das gute Recht, sondern die Pflicht des Sports, die Stimme zu erheben.»
Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes Alfons Hörmann

Präzedenz-Fall Anthony Ujah

Der Kontrollausschuss des DFB kann bei seiner Entscheidung auf einen Präzedenz-Fall aus dem Jahr 2014 zurückgreifen. Damals äusserte sich Kölns Anthony Ujah ähnlich politisch, indem er ein T-Shirt mit der Aufschrift «Eric Garner #cantbreathe #justice» präsentierte. Damals wurde Garner auf ähnliche Weise getötet wie Floyd.

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Anthony Ujah mit seiner Botschaft im Dezember 2014.Bild: imago sportfotodienst

Damals beliess es der DFB bei einer Ermahnung und einer Erinnerung an das Verbot von politischen Statements. Diesmal muss ebenfalls eine solch diplomatisch Entscheidung her, sonst gibt der DFB selbst ein bedenkliches Statement ab. Der Kampf gegen Rassismus darf nicht von Spielkleidungsrichtlinien gebremst werden.

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Proteste in Minneapolis
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Proteste in Minneapolis
Minneapolis brennt: Nach dem Tod von George Floyd sind in den ganzen USA Proteste ausgebrochen.
quelle: keystone / john minchillo
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Anti-Rassismus-Demo: Rund 1000 Menschen protestieren friedlich in Zürich
Video: watson
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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Grohenloh
02.06.2020 13:55registriert August 2018
Ich sympathisiere sehr mit den antirassistischen Statements der Spieler.

Das Problem ist, wer bestimmt, was ein „gutes“ oder „schlechtes“ Statement ist? Es werden in Zukunft Statements kommen, wo sich die Menschen weniger einig sind, ob sie jetzt unterstützenswürdig sind oder nicht.
Deshalb gibt es nur eins: Keine politischen Statements auf dem Spielfeld. Die Spieler können sich privat äussern.
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ingmarbergman
02.06.2020 14:07registriert August 2017
Die FIFA hat eine eigene Kampagne zu „Say no to racism“, die vor jedem Spiel prominent inszeniert wird.
Aber wenn ein Spieler sich gegen Rassismus äussert, soll es plötzlich nicht ok sein?

Sich gegen Rassismus einzusetzen ist immer ok, egal wo und wann.
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banda69
02.06.2020 13:10registriert Januar 2020
«Politische und/oder andere Mitteilungen auf den Ausrüstungsgegenständen sind keinesfalls erlaubt.»


Ausser man verdient damit viel Geld.
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