Deutscher Bundespräsident will Gespräche mit den Beteiligten führen

Deutscher Bundespräsident will Gespräche mit den Beteiligten führen

21.11.2017, 07:08

Nach dem überraschenden Abbruch der Gespräche über ein Jamaika-Bündnis sucht der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation. Alle Parteien sind geladen.

Steinmeier will am heutigen Dienstag mit FDP-Chef Christian Lindner ausloten, ob es noch Chancen für eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen gibt. Das Treffen sei um 16.00 Uhr geplant, sagte Lindners Sprecher der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Dem Vernehmen nach empfängt Steinmeier noch vor Lindner die Grünen-Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir in seinem Amtssitz Schloss Bellevue. Sollten die Jamaika-Sondierungen nicht wieder aufgenommen werden, drohen Neuwahlen.

Nach dem Scheitern der Gespräche über ein schwarz-gelb-grünes Bündnis hatte Steinmeier die Parteien aufgerufen, sich erneut um eine Regierungsbildung zu bemühen. «Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält», sagte Steinmeier am Montag nach einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel im Schloss Bellevue.

237 Konflikte

Die FDP hatte die Verhandlungen am späten Montagabend platzen lassen und erklärt, man habe keine Vertrauensbasis mit den Partnern gefunden. Lindner widersprach am Montagabend in der ARD der Darstellung, man sei kurz vor einer Einigung gewesen. «Meine Perspektive war: Wir haben nach 50 Tagen noch 237 Konflikte gehabt.» Er fügte hinzu: «Der gesamte Text, den wir erarbeitet haben, der ist gewoben mit einem grünen Faden.» Die Grünen hatten der FDP die Schuld für den Abbruch der Gespräche gegeben.

Am kommenden Mittwoch trifft sich der deutsche Bundespräsident ausserdem mit dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz. Allerdings hat die SPD-Spitze bereits ihr Nein zu einer Wiederauflage der grossen Koalition bekräftigt. In der ARD erklärte Schulz am Montagabend, er gehe von Neuwahlen aus. «Wenn jetzt die Wählerinnen und Wähler bewerten sollen, wie die Jamaika-Koalition an die Wand gefahren worden ist, dann (...) sind Neuwahlen eine Möglichkeit.»

Totalverweigerung nicht gut

In der Union gibt es trotzdem noch Hoffnung, dass Neuwahlen vermieden werden können. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte am Montagabend, die «Totalverweigerung» der SPD sei nicht gut für das Land. Bevor man vorschnell Neuwahlen ausrufe, müsse man alle Möglichkeiten ausloten, die zur Verfügung stehen. Der schleswig-holsteinische Regierungschef Daniel Günther, der in Kiel eine Jamaika-Koalition führt, sagte in den ARD-«Tagesthemen», alle Parteien sollten noch einmal deutlich nachdenken, denn Neuwahlen «wäre der schlechteste Weg, den wir gehen könnten».

Merkel will im Fall von Neuwahlen wieder als Kanzlerkandidatin antreten. Sie habe ihren Wählern vor der Bundestagswahl versprochen, vier weitere Jahre im Amt bleiben zu wollen. Es wäre doch jetzt «komisch», wenn sie dieses Versprechen brechen würde. In der Union wurde die Ankündigung begrüsst.

Merkel liess zudem am Montag erkennen, dass für sie die Frage einer grossen Koalition noch nicht ganz abgehakt ist. Ob sie auf die SPD noch einmal zugehen werde, hänge von dem Ergebnis der geplanten Gespräche zwischen Steinmeier und der SPD ab. «Ich bin zu Gesprächen natürlich bereit», betonte sie.

SPD jammert

Schulz hielt es für unverschämt, dass Merkel schon wieder ihre Kanzlerkandidatur erklärt hat. Im Interview mit dem Fernsehsender RTL sagte Schulz am Montagabend: «Dass Frau Merkel jetzt schon wieder ins Fernsehen rennt und ihre Kandidatur verkündet, finde ich, ist auch eine Missachtung der Gespräche, die der Bundespräsident ja gerade von allen Parteien angemahnt und eingefordert hat.» (sda/dpa)

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