Vor zwei Wochen hat die Aargauer Regierung entschieden, eine Pakistanerin, deren Gesuch in Erlinsbach von der Gemeindeversammlung viermal abgelehnt worden war, einzubürgern.
Ausgelöst durch diesen Entscheid, wird SVP-Präsident Thomas Burgherr im Grossen Rat eine Motion einreichen. Er verlangt, dass das Gesetz künftig «der Gemeindeversammlung die letztinstanzliche Entscheidung über die Verleihung des Gemeindebürgerrechts garantiert».
Die Gemeindeversammlung sei die konstituierende Gemeinschaft der Gemeinde. Burgherr sagt: «Es wirkt geradezu grotesk, wenn der Kanton eine Gemeinde zwingt, ihr Gemeindebürgerrecht einer Person zu verleihen, die der betroffenen Bevölkerung als zu wenig integriert erscheint.»
Kopfschüttelnd reagiert der frühere Bundesrichter und Aargauer Ständerat Thomas Pfisterer: «Volk und Kantone haben 2008 mit fast 64 Prozent Nein die SVP-Initiative abgelehnt, die den Rechtsschutz beim Richter abschaffen wollte; der Aargau sagte sogar mit 68,5 Prozent Nein, also mit mehr als 2/3 der Stimmenden.»
Ebenso habe der Grosse Rat 2013 mit 107 zu 5 Stimmen das aargauische Bürgerrechtsgesetz mit Rechtsschutz beschlossen, so Pfisterer, «und zugleich eingeführt, dass der Einbürgerungsentscheid an den Gemeinderat übertragen werden darf». Niemand habe dagegen ein Referendum ergriffen, auch die SVP nicht, obwohl sie dies schon im Grossen Rat allein hätte tun können.
Pfisterer weiter: «Die Motion widerspricht der Bundesverfassung und dem neuen Bundesgesetz zum Bürgerrecht. Dieses legt die Begründungspflicht fest. Die SVP sagte dazu in Bern mit 57 zu 0 Stimmen Ja, die FDP mit 30 zu 0. Solche demokratischen Entscheide werden bei uns normalerweise akzeptiert, solange keine neuen Umstände aufgetreten sind. Das muss auch im Wahlkampf gelten.»
Thomas Burgherr hält Pfisterer entgegen, die Volksabstimmung von 2008 sei durch die Frage der Einbürgerung mittels Urnenabstimmungen ausgelöst worden: «Direktdemokratische Entscheidungen an Gemeindeversammlungen waren nicht der Auslöser und wurden weder vor noch nach der Abstimmung infrage gestellt.» Schliesslich, so Burgherr, hätte diese Initiative eine schweizweite Lösung ausgelöst.
Sein Vorstoss fordere aber, «im Rahmen der kantonalen Autonomie eine Lösung zu finden». Im schlimmsten Fall brauche es eine Standesinitiative oder einen Vorstoss in Bern, denn, so Burgherr: «In der Schweiz entscheidet noch die Politik über Recht und Gesetz, nicht Richter und auch nicht Beamte.» Zur Nachfrage der AZ, warum er den Volksentscheid von 2008 nicht akzeptiere, sagt er: «Diese Frage hier hat nichts mit jener Abstimmung zu tun.»
Bis 2013 seien im kantonalen Bürgerrecht Beschwerden gegen Entscheide der Gemeindeversammlung, des Einwohnerrates, des Grossen Rates oder der Einbürgerungskommission des Grossen Rates ausgeschlossen gewesen, so Burgherr weiter. Sein Vorstoss ziele jetzt direkt auf die Frage, «ob ein direktdemokratischer Entscheid einer Gemeindeversammlung durch einen reinen Bürotisch-Akt über den Haufen geworfen werden darf».
(aargauerzeitung.ch)