Vor knapp zwei Jahren machte das Fyre Festival weltweit Schlagzeilen. Das «Coachella für Reiche» war ein riesiges Desaster und sorgte online für Kopfschütteln und einiges an Schadenfreude. Nun hat Netflix das Thema in einer beinahe zweistündigen Doku aufgearbeitet.
Im April 2017 hätte auf den Bahamas ein Festival stattfinden sollen, welches alle bisherigen Festivals an Dekadenz um Längen übertreffen sollte. Die Werbung für den Event versprach Supermodels, weisse Sandstrände und extravagante Unterkünfte. Selbst ein einfaches Zelt sollte besser ausgestattet sein als manches Vier-Stern-Hotelzimmer. Die Tickets waren entsprechend teuer. Ein Tagespass kostete zwischen 500 und 1500 Dollar, VIP-Packages hatten Preisschilder von bis zu 12'000 Dollar.
Was die Besucher allerdings am Festival erwartete, war aus ihrer Sicht der blanke Horror. Die Infrastruktur für den Megaevent war nicht annähernd fertig, Bands und Supermodels nirgends zu sehen. Offizielle Informationen des Veranstalters gab es bis zuletzt nicht und selbst die Versorgung mit Essen und Trinken war nicht gewährleistet.
Das Festival organisiert hatten Rapper Ja Rule und der Tech-Unternehmer Billy McFarland. Laut einem offiziellen Statement der Veranstalter sei die Infrastruktur aus Gründen, die sich ihrer Kontrolle entzogen, nicht rechtzeitig fertig geworden.
Achtung: Der Text enthält leichte Spoiler.
Mit seiner Doku «Fyre: The Greatest Party That Never Happened» will Netflix nun die unkontrollierbaren Gründe beleuchten, welche zu diesem Ergebnis geführt haben. Um das glaubhaft zu vermitteln, kommen viele der damals verantwortlichen Organisatoren zu Wort. Überraschen kann die Doku dabei gleich zu Beginn, wenn klar wird, dass das Festival eigentlich nur ein Promoevent für eine neue App namens «Fyre» sein sollte.
Danach schildert die Dokumentation, wie aus einer beiläufigen Idee, die bei einem Brainstorming fiel, ein Projekt wurde, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Mittelpunkt ist dabei der Fyre-App-Gründer Billy McFarland, der es wunderbar verstand, Leuten Träume zu verkaufen.
Akribisch wird aufgezeigt, wie McFarland nur mit Willenskraft und sehr viel Geld innerhalb von nur fünf Monaten ein Festival aus dem Boden stampfen wollte. Schritt für Schritt arbeitet die Doku auf, wie aus dem Fyre Festival ein immer grösseres Lügenkonstrukt wurde, welches McFarland selbst dann noch aufrechterhalten wollte, als es bereits in sich zusammenfiel.
Auch wenn es durchaus interessant ist, McFarland bei seiner Abwärtsspirale zuzuschauen, fragt man sich doch, warum er als alleiniger Sündenbock herhalten muss. Vor allem, da zu Beginn der Doku der Rapper Ja Rule ebenfalls als treibende Kraft hinter dem Projekt vorgestellt wird. Seine Beteiligung wird allerdings schon bald unter den Teppich gekehrt, wodurch schlussendlich unklar bleibt, wie gross dessen Schuld am gesamten Fiasko ist.
Hatte man da schlicht Angst, dem Rap-Mogul etwas fester auf den Zahn zu fühlen? Ja Rule jedenfalls sieht die Netflix-Doku selbstverständlich sehr kritisch und stellt in einer konkurrierenden Dokumentation beim Streaming-Dienst Hulu seine Sicht der Dinge dar. Leider ist diese Doku in der Schweiz momentan nicht verfügbar.
Nebst den organisatorischen Mega-Fails zeigt die Netflix-Doku auch auf, wie sich die Instagram-Generation blindlings verführen lässt und sehr schnell auf das geistige Niveau von Neandertalern zurückfällt, wenn ihre heile Welt aus den Fugen gerät. Diese Momente dürften einigen Zuschauern sicher ein schadenfrohes Grinsen entlocken.
Dass dieses ganze Haha-Fiasko aber noch eine andere, wirklich tragische Seite hat, schneidet die Doku nur kurz an. Die wahren Geschädigten sind nämlich nicht die Besucher, welche die Veranstalter mit Millionenklagen überziehen. Es sind die ehemaligen Mitarbeiter der ursprünglichen Softwarefirma, welche nun teilweise auf riesigen Schuldenbergen sitzen. Es sind die Aufbauhelfer des Festivals, welche bis heute nicht bezahlt wurden. Es ist die Catering-Angestellte, welche ihre gesamten Ersparnisse aufgebraucht hat, um ihre Angestellten doch noch bezahlen zu können.
Insgesamt ist die Dokumentation mit 107 Minuten zu lange und bedient so eigentlich nur den Voyeurismus der Zuschauer, welche die Rich-Kids in allen Facetten scheitern sehen wollen. Dennoch gewährt einem der Film interessante Einblicke in Menschen und eine Welt, die man wohl nur schwer nachvollziehen kann.
«Fyre: The Greatest Party That Never Happened» kann ab sofort auf Netflix abgerufen werden.