Vier Millionen Fans und 2.5 Milliarden Videoaufrufe auf Facebook – weg: Margarita Simonyan, Chefredaktorin von RT (ehemals Russia Today) und beim staatlichen russischen Medienkonzern Rossija Sewodnja, twitterte die Nachricht am Montag nüchtern. Mark Zuckerbergs Unternehmen hat mehrere Seiten dicht gemacht, die aus Berlin gesteuerte Ableger der russischen Regierungsmedien sind.
Die Begründung ist offenbar, dass in den Profilen die Verbindungen zum russischen Staat verschleiert werden. Es geht dabei vor allem um den Kanal «In the Now», der zuletzt vier Millionen mehr Fans auf Facebook hatte als etwa «Bild» oder «Spiegel Online». Videos werden nur für soziale Netzwerke produziert, Facebook ist der wichtigste Kanal.
Zuvor hatte ein CNN-Bericht offengelegt, dass «In the Now» - ebenso wie RT - vom russischen Staat finanziert wird. Für die Nutzer der Facebook-Seiten bzw. der viralen Videos, die sich an Jugendliche richten, ist dies aber nicht ersichtlich gewesen. Auch der YouTube-Kanal von «In the Now» erwähnt keine Verbindung zu RT oder Russland.
Facebook begründete die Sperrung mit fehlenden Angaben zur Herkunft der Inhalte. Besucher einer Seite sollten nicht die Irre geführt werden darüber, «wer dahinter steht», teilte das Unternehmen auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP mit.
Die Sperrung einer zum russischen Fernsehsender RT gehörenden Facebookseite hat für Empörung in Moskau gesorgt. «Wir haben keinerlei Facebookregeln gebrochen», beschwerte sich RT-Chefredaktorin Margarita Simonjan am Montag im Messengerdienst Telegram.
Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow forderte eine «Erklärung von Facebook hinsichtlich der genauen Gründe» für die Sperrung. Das soziale Netzwerk sei ein «Druckmittel» Washingtons, fügte er hinzu.
Das von der EU finanzierte Projekts EU vs. Disinfo (EU gegen Fehlinformation) erklärte, «In the Now» sei für ein junges Publikum erschaffen worden, das mit den politischen Berichten von RT nichts anfangen kann. Videos über die Säuberung der Ozeane oder wachsenden Atheismus hätten einen «hohen emotionalen und Unterhaltungswert» und dienten als «Köder», um die Verbindungen des Projekts mit Russland zu «tarnen», hiess es.
Facebook hatte im vergangenen Monat nach eigenen Angaben mehr als 500 aus Russland stammende Seiten gelöscht. Die meisten von ihnen wiesen Verbindungen zu Mitarbeitern der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik auf, an deren Spitze ebenfalls RT-Chefredaktorin Margarita Simonjan steht.
Betroffen sind auch der Geschichts-Kanal «Backthen», die Seite «Waste-ED» mit Beiträgen zu Umweltthemen und «Soapbox» mit vor allem tagesaktuellen Beiträgen zu politischen Themen. Alle haben gemeinsam: Sie gehören zum Netzwerk der russischen Staatsmedien, Kritik in ihren Beiträgen richtet sich überwiegend gegen den Westen – und die mögliche Agenda ist für Zuschauer überhaupt nicht ersichtlich.
Die Spur führt an eine Adresse, unter der kurioserweise auch Facebook grosse Büroflächen für sein deutsches Hauptstadtbüro bezogen hat: Kemperplatz 1, ein Bürohochhaus im Sony Center am Potsdamer Platz in Berlin. Dort sitzt inzwischen die Maffick GmbH, deren Anteile zu knapp 51 Prozent von der Ruptly TV GmbH gehalten werden, die wiederum zu RT (ehemals Russia Today) gehört und Teil des staatlichen russischen Medienkonzerns ist. Der andere Minderheitsaktionär von Maffick ist die ehemalige RT-Mitarbeiterin Anissa Naouai.
Von diesen Verbindungen erfahren Facebook-Nutzer nichts. Auch bei Instagram wird nur zum YouTube-Kanal verlinkt, der dann wie der Twitter-Kanal wiederum zum Facebook-Kanal leitet. Kein Impressum, kein Hinweis auf die Firma dahinter.
Das deutsche Newsportal t-online.de (Medienpartner von watson) hatte im November mit einem Artikel über «Russlands heimliche Medienzentrale in Europa» die Hintergründe der neuen Angebote öffentlich gemacht. Ruptly und Maffick hatten damals ein gemeinsames Klingelschild in Berlin. Weitere Recherchen enthüllten zudem, dass die Homepage inthenow.media, die zur gleichnamigen Facebookseite führt, in der Region Moskau von einem staatlichen Medium registriert worden ist.
CNN stützte sich auf diese Recherchen, als es in den USA zu den Inhalten der Kanäle recherchierte. Nachdem für US-Sicherheitsbehörden feststeht, dass Russland auf die US-Präsidentenwahl Einfluss genommen hat, ist die Sensibilität hoch und die sozialen Netzwerke stehen unter Druck.
Am Freitag zeigte der US-Sender seine Story «Russland fördert eine Firma für Viral-Videos, die sich an amerikanische Millenials richtet». Noch vor der Veröffentlichung hatte Facebook bereits reagiert: Die Seiten wurden gesperrt, die Richtlinien zur Transparenz von Seiten sollen zudem überarbeitet werden, teilte ein Sprecher CNN mit.
Investigation finds Russia is paying to produce viral videos aimed at Americans--@Donie on with @BrianStelter https://t.co/QaV044KxTw pic.twitter.com/HxVFnXQacA— Josh Campbell (@joshscampbell) February 17, 2019
Die Seiten könnten jedoch wieder geöffnet werden. Facebook erklärte, man werde die Verantwortlichen der Maffick-Seiten auffordern, zusätzliche Informationen zur Muttergesellschaft anzugeben. Facebooks Richtlinien schreiben das bisher allerdings nicht klar vor.
«Wir haben keinerlei Regeln von Facebook verletzt», heisst es von Maffick in einer Stellungnahme, die Chefin Anissa Naouai verbreitet hat. Sie antwortete auf eine Anfrage von t-online.de, man habe Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt und warte auf Antwort, was man tun könne.
Maffick beklagt, CNN habe Facebook zu einer «beispiellosen Zensur» gedrängt. Einziger Grund der Sperrung sei, dass es in ihrem Fall die russische Regierung sei, die Geld in das Angebot stecke, so das Statement.
Allerdings verlinken Auslandssender wie Radio Free Europe/Radio Liberty oder die Deutsche Welle auf ihre Internetauftritte und vermitteln nicht gezielt den Eindruck, neue, hippe Angebote unabhängiger Anbieter zu sein. Die auf virale Verbreitung getrimmten Beiträge der Maffick-Kanäle dagegen schon.
Facebook hat auch den Kanal «Redfish» verschont, ein weiteres Angebot aus dem Umfeld der russischen Staatsmedien. Redfish verlinkt allerdings auf Facebook zumindest das Impressum der Firma redfish GmbH mit Adresse in der Sophienstrasse in Berlin, eine hundertprozentige Ruptly-Tochter. Über sich schrieb die Firma, man sei ein «Medienunternehmen, das kritische Ermittlungs- und kollaborative Kurzdokus entwickelt, um soziale und wirtschaftliche Veränderungen anzuregen.»
Diesen Kanal hatte Facebook auch schon im Visier: t-online.de-Recherchen zufolge hatte das Netzwerk die bezahlte Werbung für ein Video mit dem Titel «Die vergessene Kolonie: Puerto Rico» gestoppt. Der Konzern stufte das Video als politische Werbung ein und unterband die auf Südamerika zielende Reklame, da unklar war, woher das Geld dafür stammt.
Verwendete Quellen: