Kurz nachdem das Oberste Gericht in den USA die Homo-Ehe landesweit legalisiert hat, wird Facebook mit Profilbildern mit einem Regenbogen-Filter überflutet – mehr als 26 Millionen Menschen machen von der Funktion, die das soziale Netzwerk anbietet, Gebrauch. Das weckt zweierlei Gefühle. Einerseits ist es schön, dass sich so viele mit einer Minderheit solidarisieren und ein historisches Ereignis zelebrieren.
Doch der Hype kommt mit einem schalen Beigeschmack. Es fällt schwer zu glauben, dass Mark Zuckerberg nicht einfach auf der Happy-Welle reiten und dabei Profit schlagen will. Facebook sammelt beispielsweise munter Daten über die Regenbogen-User, doch das ist ein anderes Thema.
Das Hauptproblem ist, dass Facebook sich als Vorreiter für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender-Menschen (LGBT) aufspielt – während es mit seinen Richtlinien die Ausgrenzung dieser Gruppen mitträgt.
Homosexuelle und Transgender-Menschen benutzen auf sozialen Netzwerken oft selbstgewählte Namen, die nicht immer mit dem übereinstimmen, der im Ausweis steht. Das toleriert Facebook nicht und sperrt deswegen immer wieder User. Das Problem: Die Namen sind nicht nur ein wichtiger Teil der selbstbestimmten Identität, sondern können auch vor Verfolgung, Repression und Belästigung schützen.
«Facebook hat denen, die uns zum Schweigen bringen wollen, einen riesigen Hammer in die Hand gegeben», schreibt die Transgender-Frau Zip Cat in einem Beitrag auf dem Blog Medium. Ausgerechnet am Tag des historischen Gerichtsentscheids hat Facebook ihr Profil wegen ihres Pseudonyms gesperrt. Ausgerechnet ihr, die früher bei Facebook gearbeitet hat und dafür verantwortlich ist, dass man im Profil mehr Geschlechtsoptionen als Männlein und Weiblein auswählen kann.
Kritiker mögen anmerken: Warum sollte Facebook seine Richtlinien für eine Minderheit anpassen? Well, that's the point! Es ist eine Minderheit, und Facebook brüstet sich damit, sich für diese stark zu machen. Mit der Unwilligkeit, LGBT-Menschen entgegenzukommen, verteidigt Facebook den Status Quo. Und wer den Status Quo verteidigt, schlägt sich immer auf die Seite des Stärkeren.
Für Minderheiten sind soziale Netzwerke wie Facebook eben oft mehr als nur ein nutzloser Zeitvertrieb, der nichts mit dem echten Leben zu tun hat. Für diejenigen, die in der Gesellschaft ausgegrenzt werden, sind sie ein wichtiger Ort, an dem sie sich vernetzen und Unterstützung finden. Vom grössten sozialen Netzwerk abgeschnitten zu werden, ist für Ausgegrenzte besonders hart.
Das Problem mit der Klarnamen-Pflicht betrifft im Übrigen auch andere: Die Journalistin Laurie Penny benutzte auf Facebook ein Pseudonym, um Mord- und Vergewaltigungsdrohungen von Trollen im Internet entgehen zu können.
Thanks to @facebook forcing me to use my real name, I am now at more risk of rape and death threats. But enjoy flogging that data, guys.
— Laurie Penny (@PennyRed) June 24, 2015
Warum Facebook «Authentizität» so hoch priorisiert, ist klar: Wenn der Name im Profil mit dem auf der Kreditkarte übereinstimmt, steigt der Wert des Produkts – und das Produkt sind die User und ihre Daten.
Es ist den Entscheidungsträgern bei Facebook überlassen, ob Geld ein wichtigeres Ziel sein soll als der Schutz von Minderheiten. Doch dann bitte nicht so tun, als kämpfe man an vorderster Front für die Menschenrechte.
Wenn man also eine andere Identität lebt, dann sollte man das halt auch behördlich ändern als über Facebook rumzuplärren. Das hat mit Diskriminierung nichts zu tun.
Zweifelsfrei unterbinden sicher auch gewisse Staaten sowas (=echte Diskriminierung), aber das ist nicht das Problem einer Internetplattform.