Neuer Murgang mit weiteren Schäden und Evakuationen im Bergell

Neuer Murgang mit weiteren Schäden und Evakuationen im Bergell

01.09.2017, 18:36

Ein zweiter Murgang in der Nacht auf Freitag hat die Lage im Bergsturzgebiet des Südbündner Bergells zusätzlich verschärft. Die Gerölllawine traf eine weitere Siedlung und beide Kantonsstrassen. Personen mussten evakuiert werden. Verletzte gab es nicht.

Der erneute Murgang in der Nacht auf Freitag richtete weitere Verwüstungen im Katastrophengebiet um den Ort Bondo an. Erstmals ergossen sich Geröllmassen über den Bergfluss Maira auf die andere Seite des Tales und unterbrachen dort die alte Kantonsstrasse, die verkehrstechnisch der letzte Lebensnerv des Tales war.

Die erneute grosse Mure blockierte das Bergell und verunmöglichte eine Durchfahrt durch das Tal auf der Strasse. Die Verbindung in Richtung Italien sei dadurch für mehrere Tage unterbrochen, erklärte Anita Senti, Sprecherin der Kantonspolizei Graubünden, am Freitag auf Anfrage.

Die Geröllmassen füllten das Flussbeet der Maira, so dass sich das Wasser neue Wege sucht. Weitere Infrastrukturen werden dadurch bedroht.

Strasse im oberen Bergell unterbrochen

Ebenfalls unterbrochen wurde in der Nacht auf Freitag die Kantonsstrasse im oberen Bergell, am Fusse des Malojapasses. Dort überschwemmte ein über die Ufer getretener Bach den Verkehrsweg auf mehreren hundert Metern.

Offenbar sind dort die Geröllmassen relativ gering. Die Einsatzkräfte hofften, die Strasse am Freitagabend wieder freigeben zu können, wie Christian Gartmann, Sprecher des Führungsstabes der Gemeinde Bregaglia, sagte. Die Strassen durch das rund 30 Kilometer lange Bergell waren somit am Freitag an den beiden Enden des Tales unterbrochen. Das führte dazu, dass weite Teil des Bergells von der Aussenwelt abgeschnitten wurden.

Neue Evakuationen

Der neuerliche Murgang füllte das teils entleerte Auffangbecken bei Bondo und traf die Siedlung Spino auf der anderen Talseite. Offenbar spielten sich dramatische Szenen ab. Einwohner von Spino flüchteten vor den herannahenden Massen aus Gestein und Schlamm. Zwei ältere Personen wurden in ihrem Haus eingeschlossen. Der Rega gelang es, sie in der Dunkelheit mit einer Winde zu retten und auszufliegen.

Gespenstisch wurde die Szenerie, als in Promontogno, dem Nachbardorf von Bondo, Stromleitungen zerstört wurden und das Licht ausfiel. Christian Gartmann sagte, die Situation sei für die Leute in der Nacht im Bergsturzgebiet «dramatisch gewesen mit dem Lärm und der Kulisse».

Das Ereignis hatte sich lautstark mit einem Gewitter und Gesteinsabbrüchen am Piz Cengalo angekündigt. Es folgte das Grollen der fliessenden Mure durch das Seitental Val Bondasca, bevor die Geröllmassen das Haupttal bei Bondo erreichten.

Gefahr bleibt hoch - Arbeiten eingestellt

Die Gefahr für die Siedlungen Bondo, Promontogno und Spino hat sich durch den neuerlichen Murgang verschärft. Und zwar deshalb, weil das Auffangbecken bei Bondo mit neuem Material gefüllt wurde. Damit fehlt bei einem weiteren Murgang eine zentrale Schutzvorrichtung.

Räumungsarbeiten waren am Freitag nicht möglich. Die Gefahr für die Einsatzkräfte war zu gross. Wie es weitergeht, wollte der Führungsstab am Samstagmorgen entscheiden. Das Risiko weiterer Felsabbrüche und Murgänge bleibt derweil hoch.

Bevölkerung erschüttert

Die wiederholten Murgänge und Evakuationen zehren inzwischen an den Nerven der betroffenen Bevölkerung. Die insgesamt 1500 Bewohner des Südtales versuchen, die Situation gemeinsam zu bewältigen und sich gegenseitig beizustehen.

Man spüre schon auch Verzweiflung im Tal, sagte Christian Gartmann der Nachrichtenagentur sda. Viele Menschen seien erschüttert: «Manche mussten so schnell flüchten, dass sie nicht mal eine Bankkarte mitnehmen konnten.»

Die gegenseitige Anteilnahme sei gross. Man helfe sich. Das Gemeindehaus und das Büro von Gemeindepräsidentin Anna Giacometti stünden allen jederzeit offen. «Wer kommt, dem wird geholfen», berichtete Gartmann.

Ein Grossteil der aus Bondo und nun auch aus Spino evakuierten Menschen ist bei Verwandten und Freunden untergekommen. Einzelne fanden Zuflucht im kleinen Talspital. (sda)

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