Schweiz
Wirtschaft

Apple Music spaltet die Schweizer Musikszene: Das sind die Gewinner und Verlierer

Apple Music spaltet die Schweizer Musikszene: Das sind die Gewinner und Verlierer

Mit dem Streaming-Dienst Apple Music wird der Tech-Konzern den Musikmarkt aufmischen. Einige Bands werden davon profitieren – für andere wird es richtig hart.
30.06.2015, 10:1801.07.2015, 10:14
Roman Rey
Folge mir
Mehr «Schweiz»
So viel müssen wir streamen, dass die Künstler auf einen grünen Zweig kommen.
So viel müssen wir streamen, dass die Künstler auf einen grünen Zweig kommen.Grafik: Watson/Sven Rüf

Heute startet in über 100 Ländern der Streaming-Dienst Apple Music. Musikfans und Apple-Jünger fiebern dem Service freudig entgegen – Schweizer Künstler haben gemischte Gefühle.

Denn es wird Gewinner und Verlierer geben. Musiker, die nur den Schweizer Markt beackern, haben nicht allzu gute Karten, da sie ohne internationale Reichweite kaum genug Streams machen, um allfällige Download-Einbussen zu kompensieren. Andreas Ryser, Präsident des Interessenverbandes IndieSuisse, meint: «Ich glaube, Streaming lohnt sich für die meisten Schweizer Künstler nicht.» Doch man könne sich der Technologie nicht verwehren, räumt er ein.

«Es kann sein, dass Apple mit den Streams ihr Download-Angebot kannibalisiert, das bisher sehr gut funktioniert hat.»
Andreas Ryser

Die Musiker befürchten, dass Apple mit seiner geballten Marktmacht noch mehr Leute dazu bringt, ihre Musik vor allem übers Streaming zu konsumieren, statt CDs zu kaufen oder für Downloads zu bezahlen. «Es kann sein, dass Apple mit den Streams ihr Download-Angebot kannibalisiert, das bisher sehr gut funktioniert hat», sagt Ryser. Dort könnten die Einnahmen einbrechen.

Letzte Woche wurde bekannt, wie viel Apple Indie-Musikern für jeden gratis gestreamten Song zahlt: 0,2 Cent. Das berichtet die «New York Times». Die Verhandlungen starteten kurz nachdem sich Taylor Swift öffentlich über die miesen Konditionen für Künstler beklagt hatte. Doch schon vor ihrem offenen Brief hatten sich viele Indie-Vertreter bei Apple beschwert und Druck ausgeübt.

Darauf einigte sich Apple mit den Unabhängigen – die Konditionen gelten für alle Independent-Labels der Welt, auch die in der Schweiz. Andreas Ryser begrüsst das Entgegenkommen: «Apple war immer fair zu den Künstlern, und das sind sie in diesem Fall auch», sagt er.

Andreas Ryser von IndieSuisse.
Andreas Ryser von IndieSuisse.

Eine Chance für Schweizer Bands

Nicht im ganzen Land herrscht Skepsis. «Ich freue mich sehr auf Apple Music», sagt Christian Wicky, CEO des Indie-Labels Irascible und Sänger der Rockband Favez. Für Schweizer Bands, die auf einen internationalen Markt zielen, seien Streaming-Dienste ein Segen. «Einige Bands bei Irascible haben auf Spotify mehr Hörer im Ausland als in der Schweiz», so Wicky. Das führe zu mehr Konzerten und somit neuen Einnahmequellen.

«Apple ist eines der wenigen Tech-Unternehmen, die Musik nie gratis angeboten haben. Ich hoffe, der Rest wird folgen.»
Christian Wicky

Als grosse Errungenschaft sieht Wicky, dass es bei Apple Music – im Gegensatz zu anderen Diensten wie Spotify – kein Gratismodell geben wird. Darüber sind sich die Musikervertreter in der Schweiz einig. Apple hatte mit dem Gedanken gespielt, ist aber auf Druck der Industrie davon abgewichen: Sowohl Indie- als auch Major-Labels hatten sich dagegen gewehrt. «Apple ist eines der wenigen Tech-Unternehmen, die Musik nie gratis angeboten haben. Ich hoffe, der Rest wird folgen», sagt Wicky.

Christian Wicky, Label-Chef von Irascible und Favez-Sänger.
Christian Wicky, Label-Chef von Irascible und Favez-Sänger.

Ein Umdenken in der Tech-Industrie könnte auch dazu beitragen, Konsumenten von der Gratismentalität wegzubringen. «Als Musiker finde ich es respektlos, wenn Leute Musik hören, ohne einen Rappen dafür zu bezahlen», sagt Wicky. 

Dass sich nicht alle über den Wandel zum Streaming freuen, kann er nachvollziehen. Bands mit internationaler Strahlkraft und solche, die in der Schweiz schon länger bekannt sind, können von Apple Music profitieren. Für Bands, die nur eine CD auf dem Markt haben, werde es hart. «Da ist es die Pflicht der Industrie, in junge Bands zu investieren», sagt Wicky.

«Es ist respektlos, wenn Leute Musik hören, ohne einen Rappen dafür zu bezahlen.»
Christian Wicky

Dafür braucht es Geld. Und davon ist in den Zeiten des digitalen Wandels immer weniger vorhanden – obwohl Musik immer besser verfügbar ist und dank tragbaren Geräten viel mehr gehört wird. Gemäss dem Branchenverband der Musiklabels (IFPI) betrug im Jahr 1995 der Umsatz mit Tonträgern in der Schweiz 317 Millionen Franken. 2014 waren es noch 84,8 Millionen.

Bild
Grafik: IFPI Schweiz

Würden sich alle Konsumenten, die regelmässig Musik streamen, daran gewöhnen, zu bezahlen, könnte der Negativtrend wohl etwas abgefedert werden. Das Apple-Music-Abo soll knapp 13 Franken pro Monat kosten. «Das ist weniger als ein Gin Tonic», sagt Christian Wicky. «Es ist ein wunderbar demokratisches Prinzip. Jeder beteiligt sich mit einem kleinen Beitrag.»

Wissenswertes zur Grafik
Unsere Infografik soll die Unterschiede zwischen der alten und neuen Welt des Musikkonsums veranschaulichen. Die Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen, da es sich um Durchschnitts- und Schätzwerte handelt – in der Realität variieren die Konditionen stark. Die Zahlen ergeben sich aus Berechnungen des Blogs Information is Beautiful und Gesprächen mit Schweizer Musikern.

Der Betrag, den ein Musiker für einen kostenlosen Apple-Play-Stream erhält, ergibt sich folgendermassen: Apple zahlt 0,002 US-Dollar pro Stream, das sind 0,0018 Schweizer Franken. Gemäss Information is Beautiful bekommen Musiker rund 20 Prozent des Streaming-Erlöses: also 0,00036 Franken.

Dieser Betrag bezieht sich lediglich auf Gratis-Streams, solche also, die von einem User während der kostenlosen Testphase getätigt werden. Wie viel Apple für die Streams der Bezahl-Abos zahlt, ist nicht bekannt. Gemäss Christian Wicky, Chef des Indie-Labels Irascible, dürfte es jedoch rund zehn Mal so viel sein.

Die Grossen verdienen bereits anständiges Geld

Wenn wir ein wenig über den Tellerrand hinausblicken, sehen wir, dass sich Streaming durchaus lohnen kann. Die erfolgreichsten Songs werden bei Spotify bis zu 25 Millionen Mal pro Woche gespielt. Bei den 0,7 Cent, die das Unternehmen pro Stream bezahlt, kommt man auf 175'000 Dollar. Das ist eine beachtliche Summe – obwohl nur ein Bruchteil davon an den Künstler geht.

Doch das betrifft vor allem Musiker, die bei einem der drei Major-Labels Universal, Sony Music und Warner unter Vertrag stehen. Für die «Big Three», die zwischen 75 und 80 Prozent des weltweiten Marktes kontrollieren, gelten auch bei Apple Music andere Regeln. Über die Konditionen ist nichts bekannt, doch es ist davon auszugehen, dass die Stars wie Pharrell Williams, der seine Single «Freedom» exklusiv auf Apple Music rausbringt, von Apple saftige Vorschüsse erhalten.

Das bietet Apple Music

1 / 23
Das bietet Apple Music
Mit iOS 8.4 kommt eine neue Musik-App (unten rechts) aufs iPhone und darin integriert ist der neue Musikdienst Apple Music.
quelle: apple
Auf Facebook teilenAuf X teilen
No Components found for watson.appWerbebox.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
16 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Achja
30.06.2015 11:28registriert Oktober 2014
Kleines Rechenbeispiel:
Ich kaufte eine neue CD mit 10 Songs. Meine Freude ist gross und ich Hore sie 50mal im ersten Jahr. In den nächsten 5 Jahren noch ca. 5mal. Dann verschwindet sie in der Sammlung und wir für die nächsten 25 Jahre, je einmal rausgeholt. Total höre ich also 100x10 Songs. Das gibt bei 3fr. pro CD 0.003fr. pro Song. Dies entspricht in etwa dem Betrag des Streamings. Ich empfinde die Preise also durchaus als gerechtfertigt.
Gratis Striemig geht für mich jedoch auch überhaupt nicht!!
Auch wäre es schön wen sie Newcomer und um bekante Musiker mehr fördern würden.
344
Melden
Zum Kommentar
16
In Luzerner Kantonsspital kursiert «Mimimi-Formular» – Belegschaft «verletzt und empört»

«Wir sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Luzerner Kantonsspital (LUKS) und schreiben Ihnen diesen Brief, um Ihnen ein schwerwiegendes Problem in unserem Unternehmen aufzuzeigen» – so beginnt ein anonymes Schreiben, das die watson-Redaktion diese Woche erhalten hat.

Zur Story