Auf den ersten Blick wirken die vier Bronze-Helden wie Musterknaben. Logisch: Drei Calvinisten (Peter de Cruz, Valentin Tanner, Benoit Schwarz) und Claudio Pätz aus der Zwingli-Stadt Zürich. Puritaner. Beten und Arbeiten. Erst recht im Gentleman-Sport Curling. Könnte man meinen.
So ist es nicht ganz. So langweilig wie es scheint, sind die Jungs gar nicht. Mit ziemlicher Sicherheit werden sie feiern wie keine anderen Medaillengewinner. Valentin Tanner arbeitet nämlich nebenbei als Barmann in einem Sauna-Club im Genfer Rotlichtquartier.
Wenn er arbeitet, ist sozusagen Valentinstag im Sauna-Club. Besitzer ist ein ehemaliger Arzt. Männer zahlen 30 Franken Eintritt. Frauen nur 10 Franken. Wer will, kann aber auch nur ein wenig Schwitzen und ein Bier trinken. Neuerdings serviert von einem olympischen Helden.
Auf die Frage, ob die Medaille in dem Lokal gefeiert wird, sagt Valentin Tanner mit einem Schmunzeln. «Ja, davon können Sie ausgehen.» Wird auch Silber-Rock’n’Roller Martin Rios eingeladen? «Warum nicht?»
Diese Nebentätigkeit im Saunaclub ist allerdings bloss ein Farbtupfer. Nicht, dass da ein falscher Eindruck entsteht. Aus dem Quartett geht ja auch noch Claudio Pätz einer Nebentätigkeit nach. Er ist Treuhänder.
Das Bronze-Quartett ist also hochseriös und gehört seit längerer Zeit zu den besten Curling-Teams der Welt. Ja, bei jedem Titel-Turnier, bei dem die vier angetreten sind, haben sie bisher eine Medaille geholt: nach EM Silber 2015, EM-Bronze 2016, WM-Bronze 2017 nun Olympia-Bronze 2018.
Weil die Konkurrenz in der Schweiz nicht mithalten kann, wird häufig an den grossen Turnieren in Kanada gespielt. Deshalb steht unser Bronze-Team in der Weltrangliste auf Position 7. Ausserhalb von Kanada ist nur das Team des Schweden Niklas Edin besser platziert.
Es ist eine Bronze-Medaille mit hohem Kurswert. Gewonnen durch einen grossen Sieg. 7:5 gegen Kanada. Damit bleibt die grosse Curling-Nation Kanada erstmals seit Wiedereinführung des Curlings im olympischen Programm (1998) ohne Medaille bei den Männer- und Frauen-Teams.
Die kanadischen Männer haben seit 1998 zweimal Gold und dreimal Silber gewonnen. Nun haben ausgerechnet die Schweizer diese Serie beendet. Gold gab es für die Kanadier hier nur im Mixed – aber diese Disziplin ist hier erstmals gespielt worden und wird von Curling-Puritanern nicht ernst genommen.
Der Weg zur olympischen Medaille hat mit einem olympischen Frust begonnen. 2014 verloren die vier die Ausscheidung um den Schweizer Olympia-Startplatz für Sotschi gegen Adelboden. Dieses Team enttäuschte dann in Sotschi mit einem 8. Platz.
Aber das Jahr 2014 sollte zum Wendepunkt werden. Während die Adelbodner Crew auseinanderbrach, überwanden die Genfer ihre Enttäuschung schnell. Ein paar Wochen nach Sotschi gewannen sie in Peking bei ihrem ersten Titelturnier WM-Bronze. Und noch wichtiger: Bei dieser WM in China entstand das aktuelle olympische Bronze-Team. Die drei Genfer konnten nämlich Claudio Pätz überzeugen, sich ihrer Mannschaft anzuschliessen.
Pätz hatte eben erst den Olympia-Blues gespürt und die Adelbodner verlassen. Doch er stellte sich für die WM als Ersatzmann zur Verfügung. Als anschliessend eine Vakanz entstand, weil Dominik Märki eine Amerikanerin heiratete und in Arkansas ein Uhrenmacher-Geschäft eröffnete, kam Claudio Pätz ins Team.
Ob es dieses Team weiterhin geben wird, ist noch offen. Claudio Pätz sagt, man werde nach der Saison über die Zukunft reden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er zurücktreten wird.
Am besten machen die vier ihre Saison-Schlusssitzung in der Sauna-Bar in Genf, lassen Champagner auffahren und motivieren Claudio Plätz zum weitermachen.