Schweiz
Gesellschaft & Politik

UNO-Migrationspakt: Jetzt debattiert der Nationalrat.

Nationalrat vertagt Entscheid über Vorstösse zu Migrationspakt

06.12.2018, 10:3606.12.2018, 14:33
Mehr «Schweiz»
Bundesrat Ignazio Cassis, links, diskutiert mit Doris Fiala, FDP-ZH, waehrend der Debatte um den UNO-Migrationspakt im Nationalrat, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag ...
Bild: KEYSTONE

Der Nationalrat hat sich am Donnerstag mit parlamentarischen Vorstössen zum Uno-Migrationspakt befasst. Darüber entscheiden wird er aus Zeitgründen erst kommenden Dienstag. Die Meinungen sind aber gemacht.

Der Uno-Migrationspakt wird nächste Woche an einer Konferenz in Marrakesch formell verabschiedet. Die Schweiz nimmt daran nicht teil: Der Bundesrat hat beschlossen, den Ausgang der Debatten im Parlament abzuwarten.

Der Ständerat hat sich vergangene Woche mit dem Thema befasst. Er fordert, dass nicht der Bundesrat, sondern das Parlament über die Zustimmung der Schweiz entscheidet. Dieser Ausgang zeichnet sich auch im Nationalrat ab. So könne sich das Parlament vertieft mit dem Migrationspakt zu beschäftigen, lautete der Tenor. Und der Bundesrat könne darlegen, welche Auswirkungen der Pakt habe.

Die SVP und ein Teil der FDP möchten bereits einen inhaltlichen Entscheid fällen. Sie fordern, dass die Schweiz dem Pakt nicht zustimmt. SP, Grüne und Grünliberale lehnen beides ab. Sie möchten, dass der Bundesrat seine verfassungsmässige Kompetenz wahrnimmt und dem Pakt zustimmt.

Sensibles Thema

In der Mitte dominiert die Auffassung, der Inhalt des rechtlich nicht verbindlichen Migrationspaktes sei zwar unproblematisch, doch sei das Thema sensibel. Die CVP hatte laut Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP/BL) ursprünglich keine Vorbehalte. Trotzdem findet die Mehrheit, dass sich das Parlament vertieft mit dem Pakt beschäftigen sollte.

Der Bundesrat erhalte so die Möglichkeit, das Parlament aufzuklären, sagte Schneider-Schneiter. Sie warf der Regierung vor, das versäumt zu haben. Marco Romano (CVP/TI) stellte fest: «Wegen der mangelnden politischen Sensibilität des Bundesrates befindet sich die Schweiz nun in einer peinlichen Situation.»

Martin Landolt (BDP/GL) sagte, er habe viel über den Pakt und dessen angebliche Konsequenzen gelesen, bevor er das Dokument gelesen habe. Bei der Lektüre habe er nichts gefunden, das ihm problematisch erscheine. Dennoch befürworte die BDP die Zusatzschlaufe über das Parlament. Damit erweise man dem Projekt einen Gefallen.

Migration erleichtern

Die Vertreter der SVP kritisierten den Inhalt des Migrationspakts. Dieser erleichtere die Migration, sagte Luzi Stamm (SVP/AG). Auch Passagen zur Ausschaffungshaft, zu Sans-Papiers oder zu Medien sind aus Sicht der SVP problematisch.

Das Ziel sei es, legale Migrationsrouten zu schaffen, sagte Gregor Rutz (SVP/ZH). Das widerspreche der Bundesverfassung, vorab dem Zuwanderungsartikel. Thomas Aeschi (SVP/ZG) warnte, dass aus «Soft Law» plötzlich ein verbindlicher Standard werden könne. Die Schweiz verpflichte sich, wenn sie dem Pakt zustimme.

FDP-Vertreter zeigten sich ebenfalls skeptisch. Matthias Jauslin (FDP/AG) befand, viele Punkte seien vage formuliert. Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) vermisst im Pakt Regeln zur Lastenverteilung unter den Staaten oder zur Bekämpfung der Ursachen von Migration.

Falsche Behauptungen

Die Vertreterinnen und Vertreter von SP und Grünen warfen der Ratsrechten vor, falsche Behauptungen über den Migrationspakt zu verbreiten. Cédric Wermuth (SP/AG) sprach von einer «Verleumdungs-, Verschwörungs- und Lügenkampagne rechtsextremer Sekten von Ungarn über Österreich bis in die Schweiz».

Dass die falschen Behauptungen vom Freisinn und teilweise auch von Medien übernommen würden, sei ein Tiefpunkt. Die Demokratie sei darauf angewiesen, dass sich Meinungsäusserungen auf Fakten bezögen. Der Migrationspakt wolle nichts anderes, als dass Menschen regulär statt irregulär migrierten - und dass sie, wenn sie einmal angekommen seien, die gleichen Rechte hätten wie alle anderen.

Sibel Arslan (Grüne/BS) äusserte den Verdacht, der SVP käme ein Referendum zum Migrationspakt im Wahljahr gelegen. Warum die FDP und Teile der CVP das Spiel mitmachten, sei ihr allerdings schleierhaft. Die Schweiz erfülle mit Ausnahme eines Punktes alle Empfehlungen des Paktes. Selbst wenn der Migrationspakt verbindlich wäre, wären keine rechtlichen Anpassungen nötig.

Geordnete Migration

Aussenminister Ignazio Cassis hat sich im Nationalrat noch nicht geäussert. Im Ständerat hatte er festgestellt, mit dem Pakt werde die Migration weder eingedämmt noch gefördert. Das Ziel sei es, die irreguläre Migration zu Gunsten der regulären zu reduzieren.

Nicht alle Ziele des Migrationspaktes entsprächen der Schweizer Politik. Deshalb habe der Bundesrat entschieden, dass er keine lückenlose Umsetzung wolle. Im Pakt verankert ist «das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen». Die Medienfreiheit wird laut dem Bundesrat nicht tangiert.

Der Migrationspakt ist auch in anderen Ländern umstritten. Ausgeschert sind bisher die USA, Israel, Australien, Österreich, Ungarn, Polen, Tschechien, die Slowakei und Bulgarien. (sda)

Deshalb will Portugal mehr Migranten

Video: srf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
14 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Diavolino666
06.12.2018 10:41registriert April 2017
Da hoffe ich mal auf ein kräftiges NEIN!

Mit diesem Pakt wird etwas grosses ganz grob unterschätzt...
8718
Melden
Zum Kommentar
avatar
dorfne
06.12.2018 11:05registriert Februar 2017
Der Pakt "verpflichtet" die Herkunftsländer abgewiesene Asylbewerber zurück zu nehmen. Er "verlangt" eine Bekämpfung des kriminellen Schleppertums, Einhaltung der Menschenwürde. Nur: Wie soll das von Unrechtsstaaten wie Eritrea und gescheiterten Chaoten-Staaten wie Libyen eingefordert werden, ohne dass die Forderungen ins Leere verpuffen? Länder wie die Schweiz hingegen könnten aufgrund ihrer Verfassung, ihrer Gesetze und der Menschenrechtskonvention problemlos in die Zange genommen werden. Und von Ferne grüssen schon die Milliarden-"Entschädigngen". Deshalb nein.
7815
Melden
Zum Kommentar
14
Identität der Todesopfer nach Busunglück noch unklar – laut EDA keine Schweizer

Nach dem schweren Busunglück auf der deutschen Autobahn 9 bei Leipzig ist die Identität der vier Todesopfer noch nicht geklärt. Laut dem eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sollen sich aber keine Schweizerinnen und Schweizer darunter befinden.

Zur Story