Heinz Brand, Heinz Tännler, Adrian Amstutz und neuerdings wieder Hannes Germann. Das Kandidatenkarussell dreht seit Monaten – und immer schneller. Wen portiert die SVP am 9. Dezember als zweiten Bundesratskandidaten?
Unabhängig davon, wer am Ende auserkoren wird, warnte gestern Vizefraktionschef Felix Müri im «Blick»: «Bekommen wir den zweiten Sitz auf Kosten der BDP nicht, müssen wir Ueli Maurer aus dem Bundesrat zurückziehen, in die totale Opposition gehen.»
Abgesehen davon, dass die Drohung von der Parteispitze nicht mitgetragen wird, gehört sie zu den alten Maschen.
Rückblende: Bei den Wahlen 1999 liess die SVP alle anderen Parteien links liegen und avancierte erstmals zur wählerstärksten Kraft im Land. Trotzdem hielt die Bundesversammlung an der Zauberformel von 1959 fest (2 FDP, 2 CVP, 2 SP, 1 SVP). Diese währte bis 2003, als der damalige SVP-Präsident Ueli Maurer am Wahlsonntag vor laufender Kamera verlangte, entweder erhalte die SVP mit Christoph Blocher einen zweiten Bundesrat oder sie gehe in Opposition.
Die Drohung wirkte: Nebst Samuel Schmid wählte die Bundesversammlung den SVP-Doyen in die Regierung. Doch der Friede war von kurzer Dauer. Das Parlament beendete das Experiment «Einbindung der SVP» im Dezember 2007. Es wählte anstelle Christoph Blochers die gemässigte Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf in den Bundesrat. Die Parteispitze schloss daraufhin Schmid («halber Bundesrat») und Widmer-Schlumpf («Verräterin») aus der Partei aus – und ging in Opposition.
Nicht zuletzt diese Erfahrung, von der Regierung abgenabelt zu sein und die wichtigen Entscheide spät und nur lückenhaft zu erhalten, hat die SVP schnell dazu bewogen, sich von der Oppositionsstrategie wieder zu verabschieden. 2008 folgte Ueli Maurer auf Schmid. Und als 2011 kein zweiter SVP-Kandidat den Sprung in den Bundesrat schaffte, verzichtete die Partei auf einen Rückzug aus der Regierung. So erstaunt es kaum, dass Fraktionschef Adrian Amstutz Kollege Müri gestern zurückpfiff. Gegenüber dem «Blick» sagte Amstutz: Es sei immer noch besser, mit einer Stimme im Bundesrat vertreten zu sein als mit gar keiner.
Die Oppositionsdrohung ist Ausdruck einer gewissen Verzweiflung. Denn trotz früh eingesetzter Findungskommission scheint die SVP ein lang anhaltendes Problem nicht lösen zu können: Die Partei findet keine geeigneten Kandidaten, sie steckt in einem Dilemma. Ein Hardliner hat kaum Wahlchancen. Und an einem halben Bundesrat, der die Mehrheitsmeinung nur teilweise vertritt, hat die Parteileitung kein Interesse.
Doch abgesehen von der schwierigen Kandidatenkür sprechen die Mehrheitsverhältnisse im Parlament ganz grundsätzlich gegen einen zweiten SVP-Bundesrat. Auch wenn am kommenden Sonntag ein Rechtsrutsch erfolgen sollte, bilden SP, CVP, Grüne und BDP weiterhin die Mehrheit: Sie wollen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, an Widmer-Schlumpf festhalten.
Ob der schier ausweglosen Situation sind Oppositionsgelüste also verständlich. Ein Funken Hoffnung besteht für die wählerstärkste Partei dennoch: Sie müsste einen Spitzenkandidaten nominieren, der weit über die Parteigrenzen hinaus anerkannt ist. Ein Kandidat, dem das Parlament nur schwerlich eine Absage erteilen könnte.
Etwa der allseits respektierte Thurgauer Wirtschaftsboss Peter Spuhler. Oder geschickter noch: ein Tessiner. Das Verlangen nach einem italienischsprachigen Bundesrat hat sich seit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative vervielfacht. Chancen hätte der Rechtspopulist Marco Borradori, Stadtpräsident von Lugano. Er ist zwar Mitglied der Lega dei Ticinesi, politisiert aber in Ausländerfragen auf einer Linie mit der SVP. Und er ist populär: Borradori stiess 2013 überraschend den langjährigen FDP-Stadtpräsidenten Giorgio Giudici vom Thron, weil er weit über die Parteigrenzen Stimmen holte.
Der Haken für die SVP: Beide Papabili wollen nicht. Spuhler und Borradori haben der Parteispitze eine Absage erteilt. Das heisst: Wir dürfen weiterhin gespannt sein, wen die SVP nach den Wahlen aus dem Hut zaubert.