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Plötzlich wollen Männer heulen. Der Bachelor weint irrsinnig gerne. Stefan Raab heult zum Abschied. Eddie Redmayne tut es sowieso am liebsten immer. Letzte Woche weinten alle männlichen Kandidaten meiner Lieblings-Kochshow «MasterChef: The Professionals» auf BBC. Benedict Cumberbatch weint, während er an einem Literaturfestival alte Liebesbriefe von irgendwelchen toten Briten vorliest.
Bereits altbekannt sind Teenagertränen. Wenn der Sturm der Hormone die armen Buben durchschüttelt, dürfen sie weinen. Eine Castingshow ohne weinende Jungs hätte schlechte Quoten. Staatsmänner weinen für die Symbolik. Fussballfans ist das Weinen seit Jahrzehnten gestattet, es handelt sich dabei ja um einen kollektiven Religionsersatz samt Reinigungsritual.
«Ein weinender Mann ist wie ein Toyota auf dem Pannenstreifen – man sieht so was so gut wie nie», schrieb der Schweizer Schriftsteller Thomas Meyer. Vor 11 Jahren. Als er noch kein bisschen berühmt war. Er stand schon damals mutig dazu, gelegentlich zu weinen. Etwa bei Trennungen, traurigen Geschichten anderer Menschen und Flugshows.
Heute dürfen Männer viel öfter weinen. Also, mindestens so oft wie die Italiener, schon seit der Antike die hemmungslosen Weltmeister der Herrenträne. «Buzzfeed» hat 2015 gar zum Jahr der weinenden Männer erhoben. «Diese Bilder von weinenden Männern werden deine Geschlechterwahrnehmung herausfordern», hiess es im Juni. Gezeigt wurden junge Männer aus Litauen, die mit ihren Tränen gegen den obligatorischen Militärdienst protestierten.
Zwei Wochen später folgten «19 Dinge, die Männer zum Weinen bringen»: traurige alte Eltern, alte Haustiere, Sonnenuntergänge, herzige Filme mit Hunden, Sportler, die ihre Trophäen ihrer Familie widmen, die Geburt des eigenen Kindes, Beziehungsprobleme, Scheidung – et cetera. Mitte Oktober kam die Recherche «22 Jungs erzählen, worüber sie zuletzt weinen mussten». Zum Beispiel über die tote Katze, die tote Mutter, einen Traum, die Scheidung, eine Diät, eine Werbung, einen Song, einen Kriegsfilm, weil ich mich gerade schlecht fühlte. Also irgendwie über alles. Immer. Wie Roger Federer.
Und womit hat das jetzt zu tun? Ist der Feminismus schuld? Oder Victoria Beckham, die ihren David metrosexualisiert hat? Die Transgender-Bewegung, die so viele traditionelle Geschlechtszuschreibungen aufzulösen beginnt? Vermutlich ein bisschen. Oder ist es das Östrogen im Wasser? Das Kokain im Wasser? «Star Wars»? Wer weiss!
Oder sind Männer einfach medial berechnender geworden? Gewiss, denn die Träne des Bachelors und des Oscar-Preisträgers ist mitten in einer riesigen Inszenierung ein Beweis von Authentizität. Und dazu der reinste. Blut wäre schliesslich zu krass. Sperma zu obszön. Aber es sind ja nicht nur Celebrities, die öfter vor den Kameras weinen. Es sind auch ganz normale Männer. Was also steckt hinter ihnen? Wollen sie bloss den neuen Frauen gefallen (sicher)? Oder ist da noch was Anderes? Ja.
Psychologen und Mediziner gehen dem Weinen schon seit gut zwanzig Jahren auf den Grund. Und haben Folgendes herausgefunden: Testosteron hindert Männer normalerweise am Weinen. Aber das Testosteron der Männer in der ersten Welt nimmt ab. Denn der Testosteronspiegel steigt bei Risikosituationen. Also beim Kämpfen, Trinken, Rauchen. Lebt der Mann zufrieden und gesund, so sinkt der Testosteronspiegel. Je besser es einem Mann also geht, desto häufiger weint er (und desto hysterischer wirkt er).
Es besteht also kein Grund zur Sorge. Und Eddie Redmayne ist wahrscheinlich einer der glücklichsten Männer überhaupt.
(sme)
ps. und nächsten monat sind dann muskulöse männer in schwarzen lederjacken hip.