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USA kontrollieren GPS-System, Lenkwaffen und Software-Updates der Schweizer Luftwaffe

Ein Kampfjet FA-18 der Schweizer Luftwaffe.
Ein Kampfjet FA-18 der Schweizer Luftwaffe.Bild: VBS

USA kontrollieren GPS-System, Lenkwaffen und Software-Updates der Schweizer Luftwaffe

Geheimcode von der NSA, Programmierung der F/A-18, Steuerung der Lenkwaffen: Die USA entscheiden massgebend, wie die Schweizer Luftwaffe eingesetzt werden kann.
13.08.2015, 07:4913.08.2015, 10:19
Stefan Schmid / Aargauer Zeitung
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Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Beginnen wir die Geschichte mit einem Beispiel aus dem Alltag: Was ein Navi bringt, weiss jedes Kind. Zielsicher steuert es Automobilisten von A nach B. Was aber die wenigsten wissen: Das GPS, welches das Auto-Navi oder unser Smartphone mit Daten füttert, ist störungsanfällig. Die USA, welche GPS kontrollieren, sind technisch in der Lage, die Genauigkeit jederzeit zu verändern, ohne dass dies die Empfängergeräte merken würden. 

Ist die Schweiz zu sehr abhängig von der Nato?

Dann führt Sie das Navi nicht mehr von A nach B, sondern in die Irre. Im Extremfall kann das System von den USA ganz abgeschaltet werden. Bis 2001 war das in Krisen gang und gäbe. Heute, in unserer digitalisierten Welt, wäre das Chaos perfekt: Pakete kommen nicht mehr an, Flugzeuge können nicht mehr landen, Menschen verfahren sich zu Hunderttausenden.

Das Super-Navi der USA

Für eine Armee, die vor allem in Krisenzeiten präzise navigieren muss, ist das zivile GPS deshalb höchstens eine Navigationshilfe. Wirklich darauf verlassen, darf sie sich nicht. Doch es gibt einen Ausweg: Die USA haben das zivile GPS zu einem hoch präzisen, störungsresistenten Super-GPS weiterentwickelt. Dieses wird von allen Teilverbänden der USA als Navigationsmittel genutzt. Das präzise GPS ermöglicht etwa die zentimetergenaue Landung von Kampfjets auf Flugzeugträgern.

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Grafik: Aargauer Zeitung
Testflug einer Hermes-Drohne in Emmen: Die unbemannten Flieger navigieren über GPS.
Testflug einer Hermes-Drohne in Emmen: Die unbemannten Flieger navigieren über GPS.Bild: KEYSTONE

Die USA stellen das Super-GPS den Nato-Bündnispartnern sowie befreundeten Drittstaaten, darunter die Schweiz, zur Verfügung. Armeen, die darauf zurückgreifen können, operieren in der Luft und am Boden wesentlich präziser, sie können den Feind besser aufklären und treffen im Bedarfsfall zentimetergenau ins Ziel. Entscheidende Fähigkeiten, wenn es wirklich ernst gilt. Zu diesen privilegierten Armeen gehört auch die schweizerische. Entsprechende Recherchen der «Nordwestschweiz» werden von mehreren rüstungsnahen Quellen bestätigt.

Fa/A-18-Jets in Nidwalden.
Fa/A-18-Jets in Nidwalden.Bild: KEYSTONE

In der Schweiz profitiert primär die Luftwaffe vom Super-GPS. Die F/A-18-Kampfjets, aber auch die Helikopter Super-Puma, Cougar und Eurocopter sind mit entsprechenden GPS-Geräten ausgerüstet. Die F/A-18 sind mit dem Rüstungsprogramm 2008 auf den neusten Stand der GPS-Technik gebracht worden. Ob auch die Aufklärungsdrohne 95 und Teile der Bodentruppen – etwa das integrierte Artillerie Führungs- und Feuerleitsystem INTAFF damit operieren, ist offen. Fakt ist: Die Schweizer Armee verfügt dank der engen Anlehnung an die USA über ein hochpräzises, zuverlässiges Navigationsmittel.

USA wollen totale Kontrolle

Die Schweizer Luftwaffe bestätigt summarisch die Recherchen der «Nordwestschweiz». Auf brisante Details geht sie indes nicht ein. Auf Anfrage hält sie fest: «Ohne diesen Code wären die mit einem GPS ausgerüsteten militärischen Systeme immer noch einsetzbar, wenn auch mit einer schlechteren räumlichen Genauigkeit.» GPS werde von den USA kontrolliert. Sollte dereinst das europäische Navigationssystem Galileo funktionsfähig sein, würde die Schweiz dieses sicher prüfen.

Unabhängiger mit dem Gripen? 
Wäre der Kauf des schwedischen Gripen eine Möglichkeit gewesen, die Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten und damit der Nato entscheidend zu reduzieren? Immerhin sind die Schweden neutral wie die Schweiz und verfügen erst noch über eine eigene Flugzeugindustrie. Die Antwort: Nein. Wie alle westlichen Kampfflugzeuge ist auch der Gripen E/F, dessen Anschaffung letztes Jahr in einer Volksabstimmung gescheitert ist, mit dem Super-GPS der US-Armee ausgerüstet, wie die «Nordwestschweiz» aus rüstungsnahen Quellen erfahren hat. Nur die infrage gekommenen Lenkwaffen für die Bekämpfung von Luftzielen benötigen offenbar kein GPS. Für die später geplante Beschaffung von Bomben für den Luft-Boden-Einsatz wäre indes das Super-GPS zumindest eine Option gewesen, wie es in der Botschaft des Bundesrats heisst. Speziell: Die Schweden nutzen gemäss Recherchen ebenfalls das Super-GPS, allerdings ohne Einsatz des geheimen P-Code. Sie setzen auf das zivile GPS und verbessern dessen Präzision durch ein landeseigenes DGPS (Differential GPS-Netz). Dies bedeutet: Die Skandinavier sind unabhängiger von den USA, müssen aber auf die hohe Störresistenz des GPS mit P- Code verzichten. (ssm/az) 

Die Abhängigkeit der Schweiz von den USA beschränkt sich indes nicht nur auf die Lieferung des P-Codes. Auch die Software-Updates von F/A-18 sowie insbesondere von dessen wirkungsvollster Lenkwaffe, Amraam, unterliegen exklusiver US-Kontrolle. Die Lenkwaffe, ein zentrales Element für die Luftverteidigung, muss periodisch für ein Software-Update in die USA geschickt werden, wie die «Nordwestschweiz» aus sicheren Quellen erfahren hat. Bei dieser Software-Aktualisierung – in der Armee ist lediglich vom «Änderungsdienst Amraam» die Rede – sei kein Schweizer Personal zugelassen. Welchen Quellcode die Amerikaner dabei programmieren, bleibt verborgen. 

Der Hintergrund: Die USA wollen die totale Kontrolle über strategische Waffen, die sie ins Ausland verkaufen. Ein Kenner der Nato sagt: «Die USA wollen damit sicherstellen, dass Waffen, die sie verkaufen, niemals gegen sie selber eingesetzt werden können.» Und auch ein ehemaliger Schweizer F/A-18-Pilot sagt: «Technisch und theoretisch ist es denkbar, dass die USA den Einsatz programmierbarer Waffen kontrollieren können – zum Beispiel durch den Einbau eines Verfallsdatums.» Die Lenkwaffe könne von den USA per Funksignal gestört und damit deren Flugbahn verändert werden.

Thema in Bushs Irak-Krieg

Gemäss Informationen der «Nordwestschweiz» findet auch die Software-Aktualisierung beim Kampfjet selber – der sogenannte «Änderungsdienst F/A-18» – in den entscheidenden Momenten ohne Schweizer Personal statt. «Programmierung und Freigabe erfolgen ausschliesslich in den USA und durch US-Personal», sagt der ehemalige F/A-18-Pilot. Die USA programmieren dabei das «Operation of Flight Program», die sogenannten «Swiss Tapes», die derzeit nach zwei bis vier Jahren wieder erneuert werden. Alles sei von den USA gesteuert. Andere Nationen bekommen andere Fähigkeiten als die Schweiz. Die Wünsche der Schweiz können aber berücksichtigt werden.

Eine F/A-18 begleitet eine PC-7 am 31. August 2014, an der AIR14 über Flugplatz Payerne VD. 
Eine F/A-18 begleitet eine PC-7 am 31. August 2014, an der AIR14 über Flugplatz Payerne VD. Bild: KEYSTONE

In der Öffentlichkeit war die ausgeprägte Abhängigkeit von den USA 2003 letztmals ein Thema, als sich der damalige US-Präsident George W. Bush anschickte, den Irak anzugreifen. Im Februar 2003 verhängte der Bundesrat ein Überflugsverbot. Kurze Zeit später wollte der Thurgauer SVP-Nationalrat Alexander J. Baumann wissen, ob die Gerüchte stimmen, dass die Schweizer Luftwaffe aus technischen Gründen nicht in der Lage sei, die Flugverbotszone gegenüber den USA durchzusetzen. Verteidigungsminister Samuel Schmid stellte dies in Abrede.

Jetzt auf
So funktioniert das Super-GPS der USA 
Das Global Positioning System (GPS) ist ein weltweites, satellitenbasiertes Navigationssystem zur Bestimmung einer exakten Position. Es wurde in den 1970er Jahren vom US-Verteidigungsministerium entwickelt und seither laufend verfeinert. GPS ist seit Mitte der 1990er-Jahre voll funktionsfähig und ermöglicht seit der Abschaltung der künstlichen Signalverschlechterung (Selective Availability) am 2. Mai 2000 auch zivilen Nutzern eine Genauigkeit von oft besser als 10 Metern. Das militärische GPS hingegen ist exakter und vor allem: störungsresistent. Um es zu benutzen, brauchte es den geheimen P-Code des US-Geheimdienstes NSA. Bis 2008 gab es für militärische Partner der USA sogenannte «Black keys» und klassifizierte «Red keys». Aus den «Red Keys» konnte man jedoch kompromittierende Rückschlüsse auf den Aufbau des geheimen P-Code ziehen. Der NSA ist es deshalb zusammen mit Rockwell/Collins, einem der Hersteller der GPS-Geräte, gelungen, sogenannte SAAM-Module zu entwickeln. Aus diesem Modul kann nichts mehr herausgelesen werden und das SAAM-Modul selbst wird bei jedem Versuch, es zu öffnen, zerstört. Das Kryptomanagement sieht bei militärischen GPS-Geräten mit SAAM-Modulen wie folgt aus: Es braucht nur noch einen «Black key» und da dieser unklassifiziert ist, darf er zum Beispiel per E-Mail versandt werden. Das SAAM-Modul im betreffenden modernen GPS- Gerät vermag nun aus diesem «Black key» durch einen komplizierten kryptologischen Rechenvorgang den jeweiligen «Red key» zu errechnen. 

Erlauchte E-Mail-Liste

Die Authentifikation funktioniert so: Man ist auf einer erlauchten E-Mail-Liste und verfügt über GPS-Geräte mit modernen SAAM-Modulen. Wer auf dieser Liste steht, entscheiden die USA. Ob nun die Schweizer Armee bei ihren GPS-Geräten alle sieben Tage einen «Black key» und einen geheimen «Red key» programmieren muss oder nur einen unklassifizierten «Black key», ist offen. Bezüglich Abhängigkeiten macht dies aber keinen Unterschied. (ssm/az) ​
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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stadtzuercher
13.08.2015 08:23registriert Dezember 2014
Und derselbe Armee-Ueli und seine SVP-Parteifreunde propagieren bei jeder Gelegenheit, dass die Schweiz autonom sein müsse und unabhängig vom Ausland. Wie dumm sind die eigentlich?
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Hand-Solo
13.08.2015 08:31registriert März 2014
Mit dem aktuellen Armeebudget lässt sich das aber auch nicht ändern. Mann bräuchte selbst entwickelte Waffen- und Navigationssysteme. Das würde Unmengen an Geld kosten. Russland z.B. hat komplett eigene Systeme, China auch. Die Entwicklung eines modernen Jets kostet Miliarden! Eine eigene Lenkwaffe wird auch nicht billig (Btw: Wo wird die dann getestet?) Ein vollständig eigenes Navigationssystem wird schon nur aufgrund des fehlenden Raumprogramms nicht möglich sein. All das wäre für die Schweiz schlicht und ergreifend nicht finanzierbar.
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jangoB
13.08.2015 08:19registriert Januar 2015
Das ist ja nicht wirklich neu. wurde beider Abstimmung über die FA18 schon diskutiert.
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