Seit Mitte März und bis mindestens Ende Juli ruht der Spielbetrieb. An einer Telefonkonferenz vom Mittwoch berieten die wichtigsten Vertreter der Grand-Slam-Turniere, der ATP (Profi-Vereinigung der Männer), der WTA (Profi-Vereinigung der Frauen) und des internationalen Tennisverbands ITF über die Fortsetzung der Saison.
— Roger Federer (@rogerfederer) June 10, 2020
Zwar gibt es Bestrebungen, die US Open und die French Open durchzuführen, doch angesichts der weltpolitischen Lage scheint das illusorisch. Zudem besteht unter den Weltbesten keine Einigkeit. Federers Entscheidung ist als Vorsichtsmassnahme mit Weitsicht und Kalkül zu verstehen. Denn selbst durch die nun fast einjährige Pause bleibt er in der Weltspitze.
Wegen der Corona-Pandemie sind die Auswirkungen nur gering. Abgesagt wurde die Rasensaison, in der Federer im Vorjahr mit dem Finaleinzug in Wimbledon und dem Turniersieg in Halle brilliert hatte und dabei 1700 Punkte gesammelt hat. Diese fallen erst in einem Jahr aus der Wertung, wie die 720 Punkte, die Federer bei seinem einzigen Turnier des Jahres, den Australian Open, mit dem Halbfinaleinzug gewonnen hat. Federer totalisiert sicher 2420 Punkte auf sich.
Zudem ist davon auszugehen, dass weitere Turniere abgesagt werden müssen. Mit den 2420 Punkten bleibt er trotz Pause in den Top Ten der Weltrangliste. 2017 war Federer bis auf Platz 17 abgerutscht. Und gewann bei seiner Rückkehr die Australian Open.
Wohl ähnlich wie vor vier Jahren, als er ein erstes Mal seine Saison im Sommer abbrach. Damals pausierte er vier Wochen, ehe er einen Aufbau mit Fitnesstrainer Pierre Paganini absolvierte. Durch die Entspannung der Corona-Lage in Europa und die schrittweise Lockerung der Reisebeschränkungen eröffnet sich Federer die Möglichkeit, den Aufbau an seinem Zweitwohnsitz in Dubai zu absolvieren.
Erst später dürfte er wieder zum Tennisracket greifen. Für den ATP-Cup im Januar dürfte sich die Schweiz ohne Federer kaum qualifizieren. Möglich wäre eine Rückkehr Anfang Januar in Doha, Adelaide oder Auckland. Oder Federer bestreitet die Australian Open, ohne zuvor ein Turnier gespielt zu haben.
Die durch die Coronakrise bedingte Pause dürfte Federers Karriere um mindestens ein Jahr verlängert haben. Ohne diese wäre der Baselbieter in der Weltrangliste weit abgerutscht, der Weg zurück an die Weltspitze wäre lang und beschwerlich gewesen. Vielleicht zu beschwerlich für einen, der im August seinen 39. Geburtstag feiert, vierfacher Vater ist, eine grosse Stiftung präsidiert und es sich zum Ziel gesetzt hat, auch nach der Karriere ein beschwerdefreies Leben zu führen.
Federers grosse Ziel dürfte die Teilnahme in Wimbledon sein, wo er seinen neunten Titel anstrebt. Zudem möchte er Ende Juli in Tokio zum fünften Mal in seiner Karriere an Olympischen Spielen teilnehmen. Es dürfte seine letzte Chance auf Gold im Einzel sein.
Wieso nicht? Roger Federer stand im Vorjahr im Wimbledon-Final, wo er zwei Matchbälle hatte und 14 Ballwechsel mehr gewann als Novak Djokovic – aber eben nicht den letzten. Sollte Federer in London gesund sein, zählt er als achtfacher Sieger erneut zu den Anwärtern auf den Titel.
Dass er sich nun einem weiteren Eingriff unterziehen musste und eine längere Pause einlegt, könnte zwar einerseits ein Hinweis darauf sein, dass die Verletzung gravierender ist als beim Meniskusriss 2016. Als sehr viel wahrscheinlicher erscheint aber, dass Roger Federer seine Situation unter Berücksichtigung der weltpolitischen Lage und mit Blick auf die Zukunft neu beurteilt hat und kein unnötiges Risiko eingehen will.