Bei einer Volksabstimmung gegen die sozialistische Regierung von Präsident Nicolás Maduro ist in Venezuela mindestens eine Frau ums Leben gekommen. Vier weitere Personen wurden laut Staatsanwaltschaft verletzt.
Das von der Opposition kontrollierte Parlament hatte am Sonntag ein Plebiszit gegen Maduros Pläne für eine Verfassungsreform angesetzt. Millionen Venezolaner waren aufgerufen, über die umstrittene Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung abzustimmen.
Hunderttausende nahmen landesweit bis zur Schliessung der Wahllokale am Abend an der Abstimmung teil. Die Regierung erkennt die Wahl nicht an. Im erdölreichsten Land der Welt toben seit Monaten schwere Proteste.
Der Staatsanwaltschaft zufolge eröffneten mutmassliche Motorradfahrer das Feuer auf eine Kundgebung im Stadtteil Catia in Caracas. Das Todesopfer sei eine 61-jährige Frau. Rund 500 Menschen seien anschliessend in eine Kirche geflüchtet. Videoaufnahmen, die in sozialen Netzwerken verbreitet wurden, zeigten Menschen, die in Panik vor den Schüssen flohen. Oppositionssprecher befürchteten weitere Todesopfer.
Die Opposition klagt seit langem über Angriffe regierungsnaher bewaffneter Schlägertrupps, sogenannter «Colectivos». Der Überfall ereignete sich in einem Arbeiterviertel im Westen der Hauptstadt Caracas.
Angst vor Diktatur
Maduro hat für Ende Juli die Wahl der Versammlung zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung angekündigt. Die Regierungsgegner lehnen dies als verfassungswidrig ab und fürchten, der Staatschef könnte dadurch seine Macht bis zur Errichtung einer Diktatur ausbauen.
Das Oppositionsbündnis MUD - ein Sammelbecken konservativer, liberaler und sozialdemokratischer Parteien - hofft, dass das Plebiszit ein klares Signal des «zivilen Ungehorsams» sendet. «Ich bin weiter Gefangener, ich kann nicht zum Wahllokal gehen. Ich rufe euch auf, die Schritte bis zu eurem Wahllokal zu gehen und für Venezuela zu stimmen», liess der zurzeit bekannteste Oppositionelle Leopoldo López über den Twitter-Account seiner Frau ausrichten.
López wurde erst vor wenigen Tagen nach Jahren der Inhaftierung unter Hausarrest gestellt. Seiner Botschaft war ein Bild angehängt, das offenbar seinen eigenen Fuss mit elektronischer Fussfessel zeigte.
Wahlbehörde gegen Abstimmung
Das Parlament sieht seine Initiative durch die Verfassung gedeckt. Als Mobilisierungserfolg galt die Marke von acht Millionen der rund 19 Millionen wahlberechtigten Venezolaner. Die Maduro-nahen Wahlbehörden unterstützen die Abstimmung nicht.
Der Staatschef selbst liess als offene Kampfansage eine Generalprobe der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung abhalten. Im Armenviertel «23 de Enero» im Westen Caracas gab es deswegen keine Wahlurnen der Opposition, dafür aber Wahllokale der Wahlübung.
Venezuela versinkt seit Monaten im Chaos. Mehr als 90 Menschen sind seit Anfang April bei massiven Strassenprotesten gegen die Regierung gestorben. Das Land leidet unter der höchsten Inflation weltweit und einer akuten Versorgungskrise, überall fehlt es an Medikamenten und Lebensmitteln. (sda/dpa/afp)