Der Emir von Dubai hat ein Gedicht geschrieben. Auf seinem Instagram-Account steht unter dem Titel «Du hast gelebt und bist gestorben»:
Wen der fast 70-jährige Mohammed bin Raschid Al Maktoum mit diesen Zeilen meint, ist nicht explizit vermerkt. Man dürfte freilich nicht weit danebenliegen, wenn man annimmt, es handle sich um die jüngste seiner sechs Frauen. Denn Haya bint al-Hussein ist laut Medienberichten mit ihren zwei Kindern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Grossbritannien geflohen und hat die Scheidung eingereicht. Die 45-jährige Prinzessin soll ihre Flucht mit Hilfe eines deutschen Diplomaten organisiert haben.
Haya bint al-Hussein, die derzeit in einem 85 Millionen Pfund (rund 105 Mio. Fr.) teuren Anwesen in London wohnt, soll zudem in Deutschland um Asyl ersucht haben. Deutsche Behörden wollten dies bisher jedoch nicht bestätigen. Auch offizielle Stellen in den Vereinigten Arabischen Emiraten nahmen keine Stellung zu den Berichten.
Die Prinzessin, Tochter des 1999 verstorbenen Königs Hussein I. von Jordanien und Halbschwester des aktuellen jordanischen Herrschers Abdullah II., unterhält gute Beziehungen zur britischen Königsfamilie. Trotz dieser exzellenten Verbindungen fürchtet Haya laut britischen Medien um ihre persönliche Sicherheit. Über private Kanäle soll ihr Mann bei den britischen Behörden bereits ihre Rückkehr sondiert haben.
Dabei galt die Ehe der Prinzessin – sie ist seit 2004 mit Scheich Mohammed verheiratet – als glücklich. Sie teilt mit ihrem Gatten die Begeisterung für den Reitsport. Im Jahr 2000 nahm sie für Jordanien an den olympischen Springprüfungen in Sydney teil, später präsidierte sie acht Jahre lang den Internationalen Pferdesportverband. Daneben setzte sie sich in verschiedenen Organisationen für humanitäre Ziele ein. Der Scheich gewährte ihr den Freiraum für diese Aktivitäten.
Dennoch dürften ihre Befürchtungen alles andere als unbegründet sein. Das Schicksal von zwei Töchtern des Emirs – er hat von verschiedenen Frauen mindestens 26 Kinder – zeigt, dass mit ihm nicht zu spassen ist. Da ist zuerst Schamsa Al Maktoum, die im August 2000 mit 18 Jahren aus dem Anwesen der Familie bei Chobham in der englischen Grafschaft Surrey floh. Nach einigen Wochen wurde sie in Cambridge entführt und nach Dubai geflogen, wo sie danach in einem Palast festgehalten und unter Drogen gesetzt wurde.
Erst letztes Jahr ereilte ein ähnliches Los ihre jüngere Schwester Latifa. Sie hatte ihre spektakuläre Flucht jahrelang geplant und im März 2018 umgesetzt. Mit Hilfe ihrer Kampfsportlehrerin floh sie auf Jetskis nach Oman und bestieg dort eine Jacht, die sie nach Indien bringen sollte. Bevor das Schiff die indische Küste erreichte, wurde es von einem Kommando von bewaffneten, arabisch sprechenden Männern gestürmt, die Latifa entführten.
Kurz vor ihrer Flucht hatte Latifa ein Youtube-Video veröffentlicht, in dem sie ihrem Vater vorwarf, sie nach einem früheren Fluchtversuch jahrelang eingesperrt und gefoltert zu haben. Sie nannte ihn darin «das pure Böse». Sein Image als Modernisierer sei nur Fassade; in Wahrheit handle es sich um einen skrupellosen Gewaltherrscher, der beispielsweise eine Ehefrau seines verstorbenen Bruders habe töten lassen, weil er sie nicht mochte und sie zu viel redete.
Latifa tauchte erst Ende 2018 wieder auf – als sie in Dubai mit der ehemaligen UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte Mary Robinson vor die Kameras trat. Der gespenstisch anmutende Auftritt der abwesend wirkenden Latifa sollte Gerüchte widerlegen, wonach sie im Auftrag ihrer eigenen Familie umgebracht worden sei.
Prinzessin Haya hatte damals Robinson nach Dubai eingeladen und mit dieser die offizielle Lesart vertreten, Latifa leide an psychischen Problemen und benötige medizinische Hilfe. Gemäss der BBC, die sich auf Quellen aus dem Umfeld der Prinzessin beruft, hat Haya jedoch kürzlich beunruhigende Tatsachen über diesen Fall in Erfahrung gebracht. Sie sei darauf zusehends unter Druck von Seiten der Familie ihres Mannes gekommen – bis sie sich selber nicht mehr sicher fühlte.
Seit vergangenem Februar ist Haya nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden; auch ihr Twitter-Account ist seither verstummt. Vermutlich will sie in Grossbritannien bleiben, wo sie einst in Oxford Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studierte und mit Auszeichnung abschloss. Dies dürfte der britischen Diplomatie einiges Kopfzerbrechen bescheren, denn das Vereinigte Königreich unterhält gute Beziehungen zu den Vereingten Arabischen Emiraten. Auch für Jordanien, wo Hayas Halbbruder Abdullah II. regiert, ist der Fall unangenehm. Hunderttausende Jordanier arbeiten in den Emiraten und schicken von dort Geld nach Hause – ein dringend benötigter Zustupf für das wirtschaftlich schwache Königreich.