Das US-Justizministerium erhebt Anklage gegen 13 Russen, basierend auf einem 37-seitigen Bericht des Sonderermittlers Robert Mueller. Darin wird akribisch festgehalten, wie eine russische Organisation namens Internet Research Agency versucht hat, die amerikanischen Wahlen zu beeinflussen.
Rod Rosenstein, der stellvertretende Justizminister, ist zuständig für die Russland-Affäre. «Die Anklage hält fest, dass die russischen Verschwörer Zwist in den Vereinigten Staaten streuen und das Vertrauen in die Demokratie untergraben wollten», erklärte er am Freitag. «Wir dürfen es nicht zulassen, dass sie damit Erfolg haben.»
Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, dass sich die 13 angeklagten Russen je vor einem amerikanischen Gericht verantworten müssen. Sie werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie ausgeliefert werden. Trotzdem ist die Anklage alles andere als ein Sandkastenspiel. Mueller hat mit seinem neuesten Schachzug Donald Trump und Wladimir Putin eine blutige Nase verpasst.
Bisher hat der US-Präsident die Russland-Affäre als «Schwindel» (hoax) und «Hexenjagd» (witch hunt) abgetan. Damit ist endgültig Schluss. In der 37-seitigen Anklageschrift wird detailliert festgehalten, was die US-Geheimdienste seit langem predigen: Der russische Geheimdienst hat gezielt gehandelt – und kriminell. Die Aktion zu verniedlichen oder gar zu leugnen, ist nicht mehr möglich.
Trump und die ihm hörigen konservativen Medien wollten die Russland-Affäre als Folge des so genannten Steele-Dossiers abtun. Der britische Geheimdienst Christopher Steele hat das einschlägig als Pipitape-Dossier bekannte Dokument zuerst im Auftrag von konservativen Trump-Gegner und später der Demokraten verfasst. Es postuliert eine Zusammenarbeit des russischen Geheimdienstes und des Trump-Lagers.
Das Steele-Dossier sei erstunken und erlogen und damit auch die Untersuchung überflüssig, so die These des Trump-Lagers. Das ist nun obsolet geworden. Der Bericht des Sonderermittlers zeigt, dass die russischen Aktivitäten bereits 2014 angefangen haben, das Dossier wurde jedoch im Sommer 2016 erstellt.
Die Steele-Dossier-These sollte als Vorwand dienen, Rosenstein und Mueller in Verruf zu bringen oder gar zu feuern. Das ist nun praktisch unmöglich geworden. Die beiden sind de facto unangreifbar geworden. Greift Trump Rosenstein oder Mueller an, riskiert er ein Impeachment.
Der Bericht des Sonderbeauftragten zeigt auch, wie viel Mueller bereits weiss und dass er offensichtlich über beste Quellen verfügt. Das ist auch eine Botschaft an alles, die noch etwas zu verbergen haben. Besser jetzt damit herausrücken, so die implizite Botschaft an sie. Der letzte Begnadigungszug verlässt bald den Bahnhof.
Die gängige These für die Russland-Affäre ist ein so genanntes quid pro quo: Wir helfen dir im Wahlkampf, so Putin, und du Trump sorgst dafür, dass die Sanktionen gegen uns aufgehoben werden.
Nach der Anklage wird Trump kaum in der Lage sein, seinen Part dieses Deals – sollte es ihn tatsächlich gegeben haben – einzuhalten. Der US-Präsident hat zwar bisher alles unternommen, neue Sanktionen gegen Russland zu verhindern, obwohl diese mit überwältigender Mehrheit im Kongress beschlossen worden sind. Die alten Sanktionen anzutasten, wäre indes politischer Selbstmord. Putin und seine Oligarchen werden daher weiter mit den Sanktionen leben müssen.
Bisher hat sich Putin immer über die Russland-Affäre gestellt und behauptet, er hätte keine Ahnung davon. Damit ist ebenfalls Schluss. Es ist undenkbar, dass eine Aktion, wie sie jetzt von Mueller beschrieben wird, ohne Wissen und Einverständnis des Kremls hätte durchgeführt werden können. Putins scheinheiliges Ich-weiss-von-Nichts-Gehabe ist endgültig entlarvt worden.
Auch wenn keiner der Angeklagten je behelligt wird, die Botschaft an Moskau ist klar. Es ist eine Kampfansage: Wir wissen was ihr tut, und wir werden alles unternehmen, euch daran zu hindern. Sollte Putin daher versuchen, auch Einfluss auf die Wahlen im kommenden Herbst Einfluss zu nehmen, dann muss er mit empfindlichen Gegenmassnahmen rechnen.
Sollte Trump mit den Russen zusammengearbeitet haben, sollte er versucht haben, die Ermittlungen zu behindern oder sollte er krumme Geldgeschäfte mit der russischen Mafia getätigt haben, dann hat er allen Grund, nervös zu werden. Mueller ist offensichtlich entschlossen, alles ans Tageslicht zu bringen, und er dürfte kaum mehr zu stoppen sein.
Auch Putin dürfte es allmählich dämmern, dass es vielleicht doch nicht eine so gute Idee war, sich in die Wahlen der Vereinigten Staaten einzumischen. Es könnte ihm nachträglich mehr Ärger bescheren als ihm lieb ist.