War das nun der Moment, in dem die neue Generation von Tennisspielern den Durchbruch schaffte und die «alten» Helden vom Thron stiess? Während im Hintergrund David Bowies «Heroes» aus den Lautsprechern ertönte, lag Alexander Zverev bäuchlings auf dem Court der Londoner O2 Arena. Es war die Weltnummer 1 Novak Djokovic, die dem jungen Deutschen wieder auf die Füsse half und sich vor ihm verneigte. Der Herausforderer hatte dem Superstar und Überflieger der letzten Monate den Meister gezeigt.
What a moment!
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Wie bei seinem Halbfinalsieg gegen Roger Federer zeigte sich Zverev von der grossen Bühne unbeeindruckt. Unglaublich, dass der Sohn des ehemaligen sowjetischen Tennisprofis Alexander senior bei Grand-Slam-Turnieren erst einen Viertelfinal – in diesem Jahr in Paris – erreicht hat. Nur einmal zeigte Zverev Nerven.
Nachdem er den ersten Satz gewonnen und auch im zweiten gleich mit einem Break vorgelegt hatte, unterlief dem Hamburger ein schwaches Aufschlagspiel mit zwei Doppelfehlern und zwei weiteren einfachen Fehlern. Er fing sich jedoch sogleich wieder und nahm Djokovic das dritte Aufschlagspiel in Folge ab. Auf dem Weg in den Final hatte der zehn Jahre ältere Serbe kein Servicegame abgegeben und nur zwei Breakbälle abwehren müssen.
Zverev schlug exzellent auf und konnte überraschend auch in den langen Ballwechseln von der Grundlinie mehr als nur mithalten. Und plötzlich wirkte Djokovic, der seit Wimbledon 35 von 37 Matches gewonnen und nie gegen einen Top-10-Spieler verloren hatte, wieder menschlich und verletzlich. Er leistete sich ungewohnt viele Fehler und schien auch physisch nicht ganz auf der Höhe zu sein. In der Vorrunde war Zverev von Djokovic noch mit 6:4, 6:1 deklassiert worden.
Too hot to handle 🔥
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Nicht diesmal. Es war im Gegenteil der Aussenseiter, der zum 6:3 ein weiteres Break schaffte. Ein brillanter Rückhand-Passierball brachte Zverev nach nur 80 Minuten den überraschenden Sieg. Die Statistik sprach eine klare Sprache. Zverev schlug mehr Winner (20:7) und beging weniger unerzwungene Fehler (18:23). Er verhinderte damit auch, dass Djokovic mit seinem sechsten Titel zum Masters-Rekordsieger Roger Federer aufschloss. «Ich bin unheimlich glücklich und stolz», sagte der Deutsche. «An die Zukunft will ich nun gar noch nicht denken.»
In der Vergangenheit gab es immer wieder überraschende Finals-Sieger wie David Nalbandian, Nikolai Dawydenko oder im letzten Jahr Grigor Dimitrov, die dann nicht mehr viel rissen. Bei Zverev, der auf Platz 4 der Weltrangliste vorstossen wird, dürfte dies anders sein. Er hat alles, um in absehbarer Zeit auch Grand-Slam-Turniere zu gewinnen. Djokovic ging sogar so weit zu sagen, er würde sich freuen, wenn «er mich übertreffen würde».
Ein wichtiges Puzzleteil ist Ivan Lendl, der erst im Juni als Coach zu Zverevs Team stiess. «Das läuft doch ganz okay», meinte der Deutsche bei der Siegerehrung an die Adresse Lendls gerichtet. Dies entlockte der stoischen, ehemaligen Nummer 1 den Anflug eines Lächelns. Er könnte in Zukunft noch öfter Mühe haben, ein zufriedenes Lachen zu unterdrücken. (pre/sda)