«Lächerlich, die Leute werden für blöd verkauft.» Das sagte der österreichische Dopingbekämpfer Wilhelm Lilge zur Nachrichtenagentur APA zur Behauptung, dass angeblich niemand aus dem Betreuerteam der österreichischen Langläufer Dominik Baldauf und Max Hauke etwas bemerkt haben will, dass die beiden betrogen.
«Es ist undenkbar, dass Trainer, die immer dabei waren, nichts mitbekommen haben. Das betreuende Umfeld muss hier etwas mitbekommen haben», so Lilge. Gemäss dem Leichtathletik-Trainer und Buch-Autor findet durch Eigenblut-Doping eine gewaltige Verbesserung eines Sportlers statt. «Man hat innerhalb von Stunden einen Leistungssprung, der weit über dem liegt, was man mit Training in kurzer Zeit erreichen kann. Das muss auffallen.»
Auch ARD-Dopingredaktor Hajo Seppelt hält «die klassische Einzeltäter-Theorie» für falsch. «Es ist doch reichlich merkwürdig, dass niemand im ÖSV etwas vom Doping mitbekommen hat», sagte er. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hatte das Handeln der Athleten mit dem Leben von Eltern mit Kindern verglichen. «Wie verhindern sie es, wenn ein Kind Drogen nimmt?», fragte Schröcksnadel und antwortete gleich selber: «Das wächst im Geheimen. Die Eltern erfahren es als Letzte.»
Auf höchstem Niveau sind die Leistungen der Sportler oft sehr ähnlich, wenig macht die Differenz zwischen Sieg und Niederlage aus. «Die letzten paar Prozent bedeuten in der Weltspitze einen Riesenunterschied», betont daher Experte Lilge. Bei diesen paar Prozent handle es sich um den Unterschied zwischen Mitläufern und Medaillengewinnern. Allerdings: Die zwei nun mit Doping erwischten Österreicher waren trotzdem weit von den Medaillen entfernt, sie waren im wahrsten Sinne des Wortes Mitläufer.
Max Hauke, einer der beiden, hatte sich vor einem Jahr bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang noch dezidiert gegen Doping ausgesprochen. «Ich mache Langlauf, weil es das Schönste auf der Welt ist», sagte Hauke damals zur APA. Mit dem Dopingthema wolle er sich gar nicht zu sehr auseinandersetzen, «weil sonst ist man im Endeffekt irgendwie immer bedrückt.»
Das dauernde Hinterfragen, ob es sich um natürliche Leistungen handle oder nachgeholfen werde, zermürbe auf Dauer. «Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, ich bin sauber, ich mache das sauber und ich möchte meine Leistungen einfach bringen, aber mich nicht zu viel mit dem Thema auseinandersetzen.» Entweder log Hauke damals oder er hat seine Meinung in der Zwischenzeit geändert.
Nun drohen den fünf in Seefeld erwischten Sportlern bis zu drei Jahre Haft. Sie könnten wegen Sportbetrugs angeklagt werden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck. Noch sei keiner der Inhaftierten auf freiem Fuss. Bis spätestens Freitagmittag müsse entschieden werden, ob sie in Untersuchungshaft kommen.
Den Drahtziehern – dem deutschen Sportarzt Mark Schmidt und seinen Komplizen – drohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Sie könnten in Deutschland nach dem Arzneimittel- oder nach dem Dopinggesetz angeklagt werden. Andere Sportler, die mit dem Netzwerk möglicherweise in Verbindung stehen, wurden nach Behördenangaben noch nicht ausgeforscht.
Der 40-jährige Schmidt, einst schon als Teamarzt der Rad-Equipe Gerolsteiner in Dopinggeschichten verwickelt, betreute nach vor einigen Jahren getätigter eigener Aussage zwischen 50 und 60 Sportler regelmässig: in erster Linie Schwimmer, Radsportler, Fussballer, Handballer und Leichtathleten. Das österreichische Bundeskriminalamt hatte von einer weltweit und seit Jahren tätigen kriminellen Organisation gesprochen, welche man zerschlagen habe.