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Brasilien: Trotz Rekord an Toten: Bolsonaro verharmlost Virus weiter

epa09121277 A handout photo made available by the Presidency of Brazil shows President Jair Bolsonaro during his visit at the Covid-19 Advanced Service Center, in Chapeco, a city in the state of Santa ...
Jair Bolsonaro will weiterhin nichts von Lockdowns wissen.Bild: keystone

Spitäler am Ende, Rekord-Tote – und Bolsonaro «kann das Problem in wenigen Minuten lösen»

Brasilien durchlebt gerade einen Albtraum. Der letzte Dienstag war der tödlichste seit Ausbruch der Pandemie, doch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro will nichts davon wissen.
08.04.2021, 05:3408.04.2021, 12:20
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4195 Menschen starben am Dienstag in Brasilien an Covid-19. Rekord. Nirgends auf der Welt sterben momentan mehr Leute am Virus als im grössten lateinamerikanischen Land.

Trotzdem: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro will nichts von schärferen Massnahmen wissen. Stattdessen spielt er die Gefahr des Virus weiterhin runter und macht andere für die Todeszahlen verantwortlich.

«Ich kann das Problem mit dem Virus in wenigen Minuten lösen»

«Sie nannten mich homophob, rassistisch, faschistisch, einen Folterer und jetzt, was bin ich jetzt? Jetzt bin ich jemand, der viele Menschen tötet? Volksmörder. Jetzt bin ich ein Volksmörder», sagte er am Dienstagabend zu Anhängern vor dem Präsidentenpalast in Brasilia scherzend.

Grund für seine Aussagen sind Beschuldigungen der politischen Opposition, die ihm wiederholt Genozid am eigenen Volk vorwarfen. «Woran bin ich eigentlich nicht Schuld in Brasilien?», fragte Bolsonaro rhetorisch.

Brasiliens Staatschef hält die Pandemie für eine Erfindung der Medien. Deswegen schliesst er harte Ausgangsbeschränkungen weiterhin aus: «Wir werden nach Alternativen suchen. Wir werden die Politik des Zuhausebleibens, des Abriegelns, des Lockdowns nicht hinnehmen», sagte er am Mittwoch einem Bericht des Nachrichtenportals G1 zufolge bei einem Besuch im Süden des Landes.

Mit Anspielung auf die Verschwörungstheorie, wonach die Medien hinter allem stecken, sagte Bolsonaro: «Ich kann das Problem mit dem Virus in wenigen Minuten lösen.» Er müsse nur den grössten Zeitungen genügend Geld zahlen.

Lügen gegen den Lockdown

Um zu untermalen, dass Lockdowns nichts bringen würden, verwies Bolsonaro auf São Paulo, der grössten Stadt des Landes. «Welches ist der Staat, der am meisten abgeriegelt hat? São Paulo. Welcher hat proportional die meisten Todesopfer zu beklagen? São Paulo», sagte er.

«Sogar mein Bauch ist ein bisschen gewachsen im letzten Jahr»

Ein Blick in die Statistiken zeigt jedoch: Das stimmt nicht. Obwohl São Paulo in absoluten Zahlen die meisten Todesopfer zu beklagen hat, belegt es in der proportionalen Rangliste nur Platz zehn.

Bolsonaro sagte auch, dass das Abschotten kontraproduktiv wäre, da die Menschen anfälliger für das Virus wären. Seine Begründung ist skurril: «Ich habe kürzlich eine Studie gelesen, die besagte, dass Menschen mit gesundem Lebensstil eine achtmal geringere Chance haben, Probleme mit einer Covid-Infektion zu bekommen». Wenn man die Leute jetzt zu Hause einsperren würde, so würden diese nur dick und ungesund werden. «Sogar mein Bauch ist ein bisschen gewachsen im letzten Jahr», witzelte er.

Gesundheitssystem vor Kollaps

Des Staatschefs Worte mögen einem zynisch vorkommen, wenn man bedenkt, wie die Situation derzeit in Brasilien aussieht. In einigen Städten werden Patienten bereits nach Hause geschickt, da es keinen Platz mehr in den Spitälern hat.

Gemäss «CNN» sind die Intensivbetten in 23 von 27 Bundesstaaten zu 80 Prozent oder mehr belegt. Die Gesundheitssysteme in 15 Bundesstaaten sind zudem bereits kollabiert oder stehen kurz davor. Auch die Impfkampagne stockt im Land. Um sie wieder auf Touren zu bringen, kündigte Bolsonaro an, das russische Sputnik-V-Vakzin kaufen zu wollen. Dieses hat allerdings noch gar keine Zulassung in Brasilien.

Bislang haben sich im grössten Land Lateinamerikas mehr als 13 Millionen Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, fast 337'000 Menschen sind gestorben. Auch hat Brasilien mit der P.1-Mutation zu kämpfen, die gemäss ersten Erkenntnissen ansteckender sein und zu schwereren Verläufen, auch bei jungen Menschen, führen könnte. (dfr)

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168 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Linus Luchs
08.04.2021 06:11registriert Juli 2014
Ein irrer, faschistischer Präsident geht über Leichen. Armes Brasilien. Die Bevölkerung zahlt einen hohen Preis für ihre Wahl. Wird sie daraus lernen?
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Schettino
08.04.2021 06:20registriert April 2021
Für den Bundesrat aber weiterhin kein Grund den Flugverkehr aus Brasilien zu unterbinden. Obwohl das Virus in Brasilien unkontrolliert mutiert und durch die Mutation des Virus keine Herdenimmunität erreicht werden kann.
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So oder so
08.04.2021 05:58registriert Januar 2020
Wenn Rechtspopulisten an der Macht sind - wer diese Menschenfeinde jetzt noch Wählt ist selber schuld. In der Schweiz würden sie genau so wie Bolsonaro handeln wenn sie die Macht hätten.
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