Ein sogenannter «Crétin des Alpes». wikimedia commons
Wegen Öko-Salz, Fertig-Food und Anti-Salz-Gesundheitskampagnen: Bei immer mehr Schweizern liegt die Jodversorgung im kritischen Bereich. Dieses Manko sorgte bereits vor über 100 Jahren für Probleme, besonders in den Bergtälern.
Sie sind im Trend: exotische Salze, möglichst ökologisch und mit Namen wie Kala Namak oder Himalaya. Manche Schweizer essen aber auch gar kein Salz mehr, oder nur noch sehr wenig. Es handelt sich dabei um eine Nebenwirkung der zahlreichen Gesundheitskampagnen, die bemüht sind, die Bevölkerung vom übermässigen Salz-Konsum zu bewahren.
Diese zwei Faktoren bringen ein unschönes Phänomen zum Vorschein: Herr und Frau Schweizer fangen langsam an, an Jodmangel zu leiden. Denn Jod wäre eigentlich im ganz profanen Kochsalz enthalten.
Mit dem Jod-Manko machen wir einen Schritt zurück in unsere Vergangenheit. Denn der Jodmangel war besonders vor 1920 in den hiesigen Bergtälern ein Problem, bevor der Staat anfing, unser Kochsalz damit zu bereichern.
Damals war die Schweiz bekannt für ihre «Crétins des Alpes» (franz. in etwa «Idioten der Alpen»).
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In Alpenländern wie der Schweiz, die weit weg vom Meer liegen, ist das Jodvorkommen in den Böden nur sehr gering. So sind auch die darauf gewachsenen Getreide und Gemüse jodarm. Das führte lange dazu, dass besonders die Schweizer Bergbevölkerung grossflächig unter Jodmangel litt, und somit an einem Mangel an Schilddrüsenhormonen.
Das hatte zur Folge, dass in diesen Regionen besonders viele Menschen an Kretinismus litten, mit Symptomen wie Kröpfen, Taubstummheit, Kleinwuchs, geistiger Minderentwicklung und diversen anderen Missbildungen – man nannte sie «Crétins».
Besonders viele Crétins gab es im 19. Jahrhundert im Wallis. Eine ab 1843 veranlasste Zählung wies dort 3'000 Crétins nach. Diese waren in ganz Europa bekannt und wurden von den Stadtbewohnern mit Hohn und Spott überschüttet. In der Region umherreisende Touristen berichten in verschiedenen Schriften über die «schrecklichen» Menschen, die sie dort gesehen hätten.
Auch der französische Schriftsteller Viktor Hugo erwähnte das bedauernswürdige Bergvolk in einem Brief. Napoléon seinerseits war wütend, dass sich im Kanton Wallis nicht eine grössere Anzahl diensttauglicher Soldaten finden liess.
Jod zu sich zu nehmen ist also genau so wichtig, wie seinen Salz-Konsum unter Kontrolle zu halten. Ernährungsberaterin Stefanie Bürge sagt: «In meinem Beratungsalltag erzählen immer wieder Leute, dass sie aus Gesundheitsgründen anderes Salz als das das herkömmliche, jodierte Kochsalz zu sich nehmen.»
Sie weise diese Personen jeweils darauf hin, dass diese Salze kein Jod enthalten – was viele nicht zu wissen scheinen. «Jodiertes Kochsalz ist bei uns in der Schweiz, nebst Meerfisch und Krustentieren, die einzige zuverlässige Quelle dieses lebensnotwendigen Spurenelements. Aufgrund dessen, rate ich von einer ‹Verbannung› des Jodsalzes aus unserem Essalltag ab.»
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