Zum Abschied gab es Ohrfeigen aus Peking: Kaum war der Machtwechsel in Washington vollzogen, verhängte China Sanktionen gegen 28 Mitglieder der alten Trump-Regierung. Unter anderem waren Ex-Sicherheitsberater John Bolton und Aussenminister Mike Pompeo betroffen. Er hatte an seinem letzten Arbeitstag China des «Genozids» beschuldigt.
Pompeo bezog sich auf das Vorgehen gegen die muslimischen Uiguren in der Provinz Xinjiang. Hunderttausende wurden in Lager gesperrt, die als «Berufsbildungszentren» beschönigt werden. Für Kritiker handelt es sich tatsächlich um eine Art kulturellen Genozid. Die Uiguren sollen ihrer Identität beraubt und zu linientreuen Chinesen «umerzogen» werden.
In der Sache liegt Mike Pompeo also nicht falsch. Letztlich aber ging es ihm vor allem um eine letzte Duftmarke im Verhältnis zwischen den USA und China, das sich in Donald Trumps Amtszeit verschlechtert hat. Anfangs umschmeichelte der Ex-Präsident seinen chinesischen Kollegen Xi Jinping, er lud ihn gar in seine Residenz Mar-a-Lago in Florida ein.
Unter dem Einfluss von Wirtschaftsberatern wie dem China-Feind Peter Navarro ging Trump zunehmend auf Konfrontationskurs und entfachte einen Handelskrieg mit Strafzöllen, seinem Lieblingsinstrument. Peking revanchierte sich und zielte vor allem auf die amerikanischen Farmer, deren Exporte nach China einbrachen.
Experten sind sich einig, dass der wenig durchdachte Handelsstreit den Amerikanern kaum etwas gebracht hat. Die Sanktionen im Hightech-Sektor etwa gegen den Telekom-Riesen Huawei oder das an den Gerichten gescheiterte Verbot der populären Videoapp Tiktok animierten die Chinesen höchstens dazu, ihre eigenen Anstrengungen in diesem Bereich zu verstärken.
Wird nun alles besser? Eine Sprecherin des Aussenministeriums in Peking gratulierte Präsident Joe Biden am Donnerstag zum Amtsantritt und äusserte die Hoffnung, dass die Beziehungen «wieder auf den richtigen Weg» gebracht werden. Sollten aber Chinas «Souveränität und Interessen» untergraben werden, ergreife man Gegenmassnahmen.
Letztlich sei es den Chinesen egal, wer im Weissen Haus sitze, meint Sebastian Heilmann, einer der besten China-Kenner im deutschsprachigen Raum: «Aus Sicht der KP-Führung sinkt die amerikanische Macht und Glaubwürdigkeit unaufhaltsam.» Der Sturm des Trump-Mobs auf das Kapitol wurde denn auch mit Schadenfreude kommentiert.
Die USA und das gesamte Konzept der westlichen Demokratie befinden sich nach chinesischer Überzeugung auf dem absteigenden Ast. Weshalb sich unter Xi Jinping nicht nur im Innern die Menschenrechtslage massiv verschlechtert hat. Gegen aussen vertritt China seine Standpunkte mit zunehmend selbstbewusstem bis aggressivem Verhalten.
Das zeigt sich auch in der Coronakrise. China verweist gerne darauf, dass man das Virus weitgehend ausgemerzt und im letzten Jahr ein Wirtschaftswachstum erzielt hat, während der Westen keinen Ausweg aus der Pandemie zu finden scheint. Auf jedes Aufflackern wie zuletzt in der Provinz Hebei reagiert Peking sofort mit rigorosen Massnahmen.
Dabei versucht China auch davon abzulenken, dass man mit den Vertuschungen in Wuhan das Coronavirus auf den Rest der Welt losgelassen hat. Wer dies wie die australische Regierung anspricht und eine Untersuchung fordert, wird mit Sanktionen bestraft. Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO durften erst mit Verzögerung nach Wuhan reisen.
In Washington allerdings macht man sich ebenfalls keine Illusionen, dass der «neue Kalte Krieg» überwunden werden könnte. Eine harte Haltung gegenüber China ist eines der wenigen Themen, bei denen sich Demokraten und Republikaner einig sind. Der designierte Aussenminister Tony Blinken bezeichnete China als zentrale Herausforderung.
Im Grundsatz sei Donald Trump mit seinem harten Ansatz richtig gelegen, meinte Blinken in einer Anhörung vor dem Senat. Die neue Regierung dürfte jedoch auf Multilateralismus und Allianzen setzen. Joe Biden hat einen «Gipfel der Demokratien» vorgeschlagen. Er könnte auch die von Trump beerdigte Transpazifische Partnerschaft (TPP) wiederbeleben.
Ein Einbezug von Indien, Chinas Erzrivalen im asiatischen Raum, könnte ihr zusätzliches Gewicht verleihen. In Europa könnte Biden jedoch auf Skepsis stossen. Die Europäische Union hat gerade erst mit China ein Investitionsabkommen vereinbart. Und in einer neuen Umfrage des European Council on Foreign Relations (ECFR) werden die USA kritisch gesehen.
Eine Mehrheit der 15’000 Befragten aus elf Ländern glaubt nicht, dass die USA wieder zur führenden Weltmacht werden. China werde innerhalb eines Jahrzehnts stärker sein. In allen Ländern plädiert eine Mehrheit dafür, dass sich Europa im Konflikt zwischen den USA und China neutral verhalten und sich primär auf sich selbst verlassen soll.
Womöglich wird Chinas Stärke aber überschätzt. So hat Xi Jinping persönlich einen ungewöhnlichen Ansatz gewählt, um mit den USA ins Gespräch zu kommen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Er schrieb nicht an Joe Biden einen Brief, sondern an Howard Schultz, den früheren CEO der Kaffeehauskette Starbucks.
Diese ist in China sehr präsent. Xi bat den Milliardär, der selber mit einer Kandidatur für die US-Präsidentschaft bei den Demokraten geliebäugelt hatte, eine «positive Rolle» bei der Förderung der gegenseitigen Beziehungen zu spielen. Er sagte auch zu, ausländischen Unternehmen einen grösseren Entwicklungsraum in China zu bieten.
Dieses Zugeständnis deutet darauf hin, dass die Chinesen sich ihrer Sache nicht so sicher sind. Die Macht der Kommunistischen Partei basiert auf dem Versprechen, der Bevölkerung Wohlstand zu verschaffen. Im Gegenzug hält sie den Mund. Wird China durch eine breite Allianz herausgefordert, könnte dieser «faustische Pakt» in Schieflage geraten.
Vieles spricht deshalb dafür, dass es zwischen den USA und China auch unter Joe Biden frostig bleiben wird. Dies könnte auch Länder wie die Schweiz in Zugzwang bringen, die auf beiden Hochzeiten zu tanzen versuchen. Gespannt sein darf man deshalb auf die vom Bundesrat versprochene China-Strategie, die demnächst veröffentlicht werden soll.
Biden traue ich sehr vieles zu, da er schon 8 Jahre Vize war (unter dem bisher besten Präsidenten, meiner Meinung), ein hervorragendes Netzwerk hat, und weil er die Leute hinter sich scharen wird. Er muss vieles aufräumen, was Trump angerichtet hat. Aber bei den Chinesen hoffe ich, dass er genau so weitermacht, wie es Trump gemacht hat!