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Was Trump mit dem Terroranschlag auf Muslime zu tun hat

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Trump hat am Sonntag einen christlichen Gottesdienst besucht. Für Muslime hat er keine guten Worte übrig.Bild: EPA/EPA POOL
Analyse

Was Trump mit dem Terroranschlag auf Muslime zu tun hat

Der Killer sei ein Psychopath, weisser Nationalismus keine Gefahr: Der US-Präsident spielt den Terroranschlag in Neuseeland herunter und verteidigt die Islamhasser im eigenen Land.
18.03.2019, 13:2719.03.2019, 05:02
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Ob er das Gefühl habe, der weisse Nationalismus sei auf dem Vormarsch, wurde Donald Trump nach dem Anschlag in Christchurch gefragt. «Nicht wirklich», lautete seine Antwort. «Ich denke, es handelt sich um eine kleine Gruppe von Menschen, die sehr grosse Probleme haben.»

Das war’s. Der Präsident vermied geflissentlich das Wort «Terrorist» und ging sehr schnell wieder zum business as usual über: Er warnte vor Eindringlingen ins Land, dem Islam und den sozialistischen Demokraten.

Students hold candles as they gather for a vigil to commemorate victims of Friday's shooting, outside the Al Noor mosque in Christchurch, New Zealand, Monday, March 18, 2019. Three days after Fri ...
Studenten in Christchurch bei einer Gedenkfeier für die Opfer des Terroranschlages.Bild: AP/AP

Der Attentäter Brenton Harris Tarrant hat derweil auf seinem Blog Trump als «Symbol weisser Identität» gefeiert. Seine schreckliche Tat begründet er mit einer Eindringlings-These. Das Abendland gehe unter, weil Horden von Muslimen den dekadenten Westen überrennen und die christliche Kultur durch den Islam ersetzen würden.

Die Eindringlings-These ist ein alter Hut. Es gibt sie in einer Softcore- und einer Hardcore-Version. Zu den Softcore-Vertretern gehört etwa Christopher Caldwell. Er gehörte einst zu den amerikanischen Neocons, einer konservativen Gruppierung in den USA, die einst die Rechtfertigung für den Irak-Krieg lieferte.

In seinem Buch «Revolution» stellte Caldwell vor rund zehn Jahren fest, dass Europas Bevölkerung überaltert und die werktätige Bevölkerung wegen eines zu komfortablen Sozialstaates zu bequem geworden sei. Eine muslimische Invasion sei daher unvermeidlich geworden. «Sie (die muslimischen Immigranten) stammen aus den verarmten Gegenden der Dritten Welt und retten die Renten und Ferienwohnungen, die Wein-Degustationen und Tauchferien der am meisten verhätschelten Arbeitnehmerschaft der Geschichte», stellt Caldwell fest.

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Warnt vor feindlicher Übernahme: Thilo Sarrazin.Bild: EPA/EPA

Ähnlich argumentiert Thilo Sarrazin in seinem Buch «Deutschland schafft sich ab». Es hat 2010 für Schlagzeilen und eine heftige Islam-Diskussion gesorgt. Der ehemalige SPD-Politiker und Bundesbanker vertritt darin ebenfalls die These, dass der gehobene deutsche Mittelstand bequem und es deshalb leid geworden sei, Kinder auf die Welt zu stellen.

Zeugungsfreudige muslimische Zuwanderer würden in die Lücke springen, mit fatalen Folgen: «Wir nehmen es als unvermeidlich hin, dass Deutschland kleiner und dümmer wird», so Sarrazin. «Wir wollen nicht darüber nachdenken, geschweige denn darüber sprechen.»

Tarrant gibt an, ein Trip durch Frankreich habe ihn zu seiner scheusslichen Tat animiert. Er sei schockiert gewesen, dass es in französischen Kleinstädten heute schon mehr Muslims als Christen gebe.

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Sieht das Abendland in Gefahr: Schriftsteller Michel Houellebecq.Bild: AP/AP

Bei französischen Intellektuellen ist die Hardcore-Variante der Eindringlings-These besonders beliebt. Wenn der Kult-Schriftsteller Michel Houellebecq keine deftige Sexszenen schildert, befasst er sich vorwiegend mit der Gefahr des Islams und dem Untergang der französischen Kultur.

Der Publizist Renaud Camus (keine Verwandtschaft mit dem gleichnamigen Schriftsteller) ist einer der bekanntesten Vertreter der faschistischen Eindringlings-These. 2012 schildert er sie in seiner sehr einflussreichen Schrift «Le Grand Remplacement». Der als «Prophet der Rechten» verehrte Schriftsteller Jean Raspail tut dies in seinen verschiedenen Romanen. Er kann sich rühmen, Steve Bannon, Trumps ehemaligen Chefstrategen, zu seinen Fans zu zählen.

Ganz übel werden die Hardcore-Varianten, wenn man ins Darknet hinabsteigt. Auf 8chan beispielsweise kann alles anonym gepostet werden: Antisemitismus, Islam-Hass, Rassismus und Attacken auf Homosexuelle und Frauen. 8chan hat den Terroristen Tarrant als Helden gefeiert und seine Videos und sein wirres Manifest in allen Varianten veröffentlicht. YouTube, Facebook und Twitter versuchten verzweifelt, ihre Kanäle zu säubern. Weisse Nationalisten versuchten mit allen Tricks, immer neue Varianten der Tarrant-Videos in Umlauf zu bringen.

Bei Fox News hingegen hat sich über das Wochenende so etwas wie Einsicht bemerkbar gemacht. Die Programmdirektion hat die Samstagabend-Sendung von Jeanine Pirro gestrichen. Grund: Die streitbare Talkmasterin hatte der Abgeordneten Ilhan Omar unterstellt, sie befolge die Gesetze der Scharia und stelle die Interessen des Islams über die Interessen der USA. Omar hatte zuvor mit einem umstrittenen Tweet über Israel für Schlagzeilen gesorgt.

FILE - In this Jan. 28, 2015 file photo, Jeanine Pirro attends the HBO Documentary Series premiere of "THE JINX: The Life and Deaths of Robert Durst" in New York. Pirro, host of the Fox News ...
Judge Jeanine Pirro. Trump wehrt sich für die umstrittene Fox-News-Moderatorin.Bild: Andy Kropa /Invision/AP/Invision

Judge Jeanine ist eine glühende Trump-Verehrerin. Das Objekt ihrer Verehrung hat denn auch prompt und verärgert reagiert. «Bringt Judge Jeanine Pirro zurück», tweetete der Präsident am Sonntag. Ebenso legte er sich für einen weiteren Fox-News-Moderator ins Zeug, für Tucker Carlson.

Carlson ist ein weiterer Vertreter der Eindringlings-These und hetzt fast täglich gegen Immigranten. Kürzlich sind Tonbänder aufgetaucht, in denen Carlson mehr als abschätzig über Frauen und Iraker herzieht. Gewichtige Unternehmen haben daher ihre Werbespots in seiner Show gestrichen.

Trump hingegen macht sich auch für Carlson stark: Fox News dürfe Carlson auf keinen Fall fallen lassen, tweetete der Präsident am Sonntagmorgen. «Unterstützt die Leute, die euren Erfolg ermöglicht haben. Kämpft weiter für Tucker, und kämpft noch härter für Judge Jeanine.»

Trump weigert sich, Tarrant als Terroristen zu bezeichnen. Er legt sich für islamophobe Moderatoren bei Fox News ins Zeug. Am beunruhigendsten ist jedoch eine Äusserung, die er in einem Interview mit Breitbart, einem Sprachrohr der weissen Nationalisten, gemacht hat: «Ich habe die Unterstützung der Polizei, des Militärs und der ‹Biker für Trump›», so Trump. «Ich habe die harten Kerle auf meiner Seite. Bisher spielen sie noch nicht hart. Aber wenn ein gewisser Punkt erreicht ist, dann wird es sehr, sehr schlimm werden.» Hat hier jemand Staatsstreich gesagt?

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Attacke auf zwei Moscheen in Neuseeland
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Attacke auf zwei Moscheen in Neuseeland
Bei einem Terrorangriff auf zwei Moscheen in Christchurch hat es am Freitag, 15. März 2019, mindestens 50 Tote gegeben. Mit einer Schnellfeuerwaffe schoss ein Tatverdächtiger auf Muslime.
quelle: epa/snpa / martin hunter
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49 Tote, ein Manifest und grosse Trauer
Video: srf
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105 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P.
18.03.2019 13:34registriert August 2018
«Ich denke, es handelt sich um eine kleine Gruppe von Menschen, die sehr grosse Probleme haben.»
Zitat Mr President

Der erste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der nur einfache Sätze mit einfachen Wörtern, auf Stufe Primarschule, formulieren kann..

Was für ein Gegensatz zu Obama.
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Stormrider
18.03.2019 15:41registriert Februar 2019
Ich halte zwar nichts von Donald Trump, aber es hat schon etwas Geniales wie er seit Jahren die Weltpresse vor sich her treibt. Dies mit dummen, unpassenden, rassistischen und sexistischen Bemerkungen, meist in ein paar einfachen Worten. Und alle Journalisten machen immer wieder mit und kommentieren je nach politischer Grundhaltung genau so wie es zu erwarten ist. Und das täglich.
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zeitgeist
18.03.2019 17:06registriert Januar 2019
Die persönliche Meinung in Ehren, aber der Titel dieses Artikels ist pietätlos und einer Newsplatform absolut unwürdig.
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