Das neue Handelsabkommen zwischen den USA und China droht, im letzten Moment zu platzen. Die beiden Präsidenten Xi Jinping und Donald Trump pokern mit hohem Einsatz. Aber wer hat die besseren Karten?
Alles nur Bluff oder was? Will Trump in seiner bekannten Manier im letzten Moment alles in Frage stellen, um danach als strahlender Sieger dazustehen? Oder hat Xi sich über- und Trump unterschätzt?
Dabei schien der Deal bereits in trockenen Tüchern zu sein. Die ursprüngliche Frist von Anfang März wurde über den Haufen geworfen, um die letzten Details zu klären. In Washington traf man bereits Vorbereitungen für den Empfang des chinesischen Präsidenten Xi Jingping, an dem das neue Handelsabkommen feierlich unterschrieben werden sollte.
Sollen es für Trump richten: Finanzminister Steven Mnuchin (links) und Chefunterhändler Robert Lighthizer. Bild: EPA/AP POOL
Seit dem vergangenen Wochenende ist alles wieder anders. Präsident Trump kündete per Tweet an, er werde schon am Freitag die bestehenden Strafzölle von 10 auf 25 Prozent erhöhen und zudem auf weitere Güter ausweiten, sollten die Chinesen nicht zu Konzessionen bereit sein.
Trumps Chefverhandler, Robert Lighthizer, klagte derweil: «Wir marschieren nicht vorwärts, sondern rückwärts, und der Präsident akzeptiert das nicht. In den letzten Tagen haben wir ein Zerbröckeln der chinesischen Zusagen erlebt.»
Das Handelsabkommen zwischen den USA und China ist somit erneut zu einem Poker verkommen. Hier sind die Asse und die Nieten auf beiden Seiten:
Die amerikanische Wirtschaft boomt. Sowohl der März als auch der April haben mit Wachstumszahlen überrascht, die über den Erwartungen lagen. Allfällige Rezessionsängste sind vom Tisch gewischt. Selbst die Löhne der unteren Einkommen steigen.
Trump und seine Crew sind überzeugt, dass dies ihr Verdienst sei. «Es ist gar keine Frage, dass das Wirtschaftswachstum ein Resultat unserer Handelspolitik ist», sagt Wirtschaftsminister Steven Mnuchin.
Sogar der demokratische Senator Chuck Schumer unterstützt Trump. Bild: AP/AP
Die harte Linie gegen China findet breite Unterstützung. In einem Kommentar in der «Washington Post» schreibt Trumps in Ungnade gefallener Ex-Chefstratege Steve Bannon: «Wir befinden uns in einem Wirtschaftskrieg mit China. Es ist sinnlos, Kompromisse einzugehen.» Selbst der Anführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, feuert für einmal den Präsidenten an. «Bleib gegenüber China hart», twitterte er.
Bereits der Tweet vom Wochenende hat für Nervosität an den Börsen gesorgt. Die Investoren sind bis dato fest davon ausgegangen, dass es zu einer Einigung kommen wird. Das tun sie auch heute noch.
Als im Dezember ein Handelsstreit unvermeidbar schien, brachen die Kurse auf breiter Front ein. Sollte der Deal jedoch platzen, ist mit heftigen Reaktionen an den Finanzmärkten zu rechnen. Ein Börsencrash ist jedoch das Letzte, das Trump im Hinblick auf eine Wiederwahl gebrauchen kann.
Leiden unter dem Handelsstreit: US-Farmer. Bild: AP/AP
Die Farmer im Mittleren Westen der USA gehören zu den treuesten Trump-Wählern. Sie leiden jedoch am meisten unter dem Zwist. Die Soja-Exporte nach China sind massiv eingebrochen und treiben viele Farmer in existenzielle Nöte. Eine weitere Verschärfung könnte dazu führen, dass sie sich von Trump abwenden.
Nach einem kurzen Schwächeanfall scheint Chinas Wirtschaft ebenfalls wieder auf Kurs zu sein. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) soll im laufenden Jahr 6,5 Prozent zulegen. Die UBS-Ökonomin Tao Wang schätzt, dass ein Platzen des Deals eine Wachstumseinbusse von 1,6 BIP-Prozenten zur Folge hätte. Das scheint verkraftbar zu sein.
Hat Gäste aus aller Welt empfangen: Präsident Xi. Bild: EPA/REUTERS POOL
An der kürzlichen «Belt and Road»-Konferenz hat Präsident Xi sehr viel Lob aus aller Welt erhalten. Das hat ihn ermutigt, weniger Konzessionen gegenüber den USA zu machen.
China droht eine Überalterung der Bevölkerung. Und trotz des imposanten Wirtschaftswunders der letzten Jahrzehnte ist die wirtschaftliche Zukunft des Reichs der Mitte noch keineswegs gesichert. Ein Handelskrieg mit den USA wäre daher ein schwerer Rückschlag.
Unter Präsident Xi ist China nationalistischer geworden und vertritt seine Supermachts-Ambitionen aggressiv. Zu aggressiv, glauben Kritiker. «Mr. Xi macht gegenüber den Amerikanern den gleichen Fehler wie Mao seinerzeit gegenüber den Sowjets», stellt Yi-Zheng Lian in der «New York Times» fest. «Er fordert die Führungsrolle der USA zu hart und zu schnell heraus.»
Werden sich wieder treffen: Robert Lighthizer, Steven Mnuchin und Lie He (von links nach rechts). Bild: AP/AP POOL
Vielleicht ist das derzeitige Gerangel jedoch bloss viel Lärm um nichts. Beide Seiten wollen und brauchen ein Abkommen. Trump, weil er nach den Flops in Nordkorea und Venezuela einen aussenpolitischen Sieg dringend nötig hat und weil er keinen Börsencrash riskieren will.
Xi seinerseits kann kein Interesse an einem Handelskonflikt mit seinem wichtigsten Exportpartner haben. Er weiss, dass er die Ausfälle der Ausfuhren nach den USA nicht so schnell kompensieren kann. Deshalb wird sein Chefunterhändler, Vizepremierminister Liu He, morgen auch nach Washington reisen.