Im vergangenen Mai wurde José Mourinho etwas überraschend als neuer Trainer der AS Roma vorgestellt. Zwölf Jahre nach seinem Triple mit Inter Mailand kehrte der Portugiese damit nach Italien zurück, um den ambitionierten Klub aus der Hauptstadt wieder an die nationale Spitze zu führen.
Die Euphorie bei den Roma-Anhängern war zu Beginn riesig. Nach zwei Jahren unter dem mässig beliebten Paulo Fonseca, einem Landsmann Mourinhos, hatte man endlich wieder einen grossen Namen an der Seitenlinie. So wurde der langjährige Erfolgstrainer bei seiner Ankunft mit Sprechchören gefeiert.
#Mourinho è a Trigoria: bagno di folla per Mou, che ricambia così l’abbraccio dei tifosi della Roma #Mourinhoday pic.twitter.com/W6oHwnxb9n
— Marco Bovicelli (@MarcoBovicelli) July 2, 2021
Nach gut acht Monaten ist die Euphorie bei den Roma-Fans allerdings weitgehend verschwunden. Nach 22 Spieltagen sind die «Giallorossi» nicht zurück an der Spitze, sondern haben die Erwartungen vieler Fans bisher nicht erfüllt. Dabei geben gleich mehrere Punkte zu denken.
Schon 16 Runden vor Ende der Saison scheint es schwierig, dass sich Rom erstmals seit 2018 wieder für die Champions League qualifiziert. Die Hauptstädter liegen nur auf Rang 7, der Rückstand auf Platz 4 von Atalanta Bergamo beträgt – bei einem Spiel mehr – schon sieben Punkte.
Auch für andere europäische Wettbewerbe dürfte eine Qualifikation damit alles andere als einfach werden. Das achtplatzierte Lazio hat gleich viele Punkte wie die Roma, der nächste Verfolger Torino liegt vier Zähler dahinter, hat aber ein Spiel weniger absolviert.
Damit ist die Roma unter José Mourinho nach 22 Runden so weit hinten klassiert wie letztmals 2013. In den letzten beiden Jahren belegte man zu diesem Zeitpunkt unter dem oft kritisierten Paulo Fonseca die Plätze vier (2021) und fünf (2020).
Was aus Sicht der Roma besonders pessimistisch stimmt, ist die Art, wie dieser siebte Zwischenrang zustande kam. Denn zu Beginn legten die «Giallorossi» noch richtig gut los: Nach drei Spieltagen führte man die Tabelle dank drei Siegen an, auch nach sieben Runden war der Zwischenstand mit 15 Punkten noch hervorragend.
Seither kommt man allerdings nicht mehr so richtig vom Fleck. In den letzten 15 Spielen in der Serie A konnte die Roma nur noch sechs Siege feiern. In der Zwischenzeit haben sich in der Liga schon neun Niederlagen angehäuft und in den letzten vier Spielen gab es nur noch vier Punkte, drei davon beim knappen 1:0-Heimsieg gegen Abstiegskandidat Cagliari.
Auch die bisherige Anzahl Punkte pro Spiel zeigt, dass unter Mourinho keine grosse Verbesserung stattgefunden hat. Mit 1,8 ist diese nur minimal höher als unter Fonseca (1,77) und leicht tiefer als unter dessen Vorgänger Claudio Ranieri (1,83). Mit diesem Wert belegt Mourinho im Vergleich der letzten zwölf Roma-Trainer seit der Saison 2005/06 nur Rang 7.
Besonders mager ist Mourinhos Bilanz mit der Roma in den bisherigen Duellen mit den anderen sechs grossen Teams der Liga – also Inter, Milan, Juventus, Atalanta, Napoli und Lazio.
In den bisherigen acht Topspielen gab es nur einen einzigen Sieg (gegen Atalanta) und ein Remis (gegen Napoli). Daneben setzte es je zwei Niederlagen gegen Milan und Juve sowie eine gegen Inter und – besonders bitter – gegen Erzrivale Lazio ab.
Aus den Top 10 konnte man ausser Atalanta einzig noch die Fiorentina und Torino schlagen. Regelmässig Punkte gab es nur gegen die «Kleinen» der Liga.
Neben den Niederlagen gegen die Topteams musste Mourinho auch schon eine Blamage als Roma-Trainer hinnehmen. In der Conference League wollte der Portugiese beim Auswärtsspiel gegen das norwegische Bodö/Glimt einige Stammkräfte schonen, was gründlich missglückte – Rom wurde gleich mit 1:6 abgefertigt.
Im Anschluss an das Spiel gab sich Mourinho selbst die Schuld für die Blamage, holte aber gleichzeitig zum Rundumschlag gegen sein Kader aus. «Könnte ich immer die gleichen Spieler aufstellen, würde ich das tun», so der Portugiese gegenüber «Sky Sport». «Es gibt einen Qualitätsunterschied zwischen der ersten Mannschaft und der zweiten. Ich habe mich dafür entschieden, zu rotieren, auch wenn ich die Grenzen von gewissen Spielern kannte. Aber ich habe mehr erwartet.»
Im Rückspiel in Rom stellte Mourinho deshalb dann auch seine Topelf auf, um sich gegen die Norweger zu revanchieren. Auch dies glückte aber nicht so wirklich: Die Partie endete nur 2:2.
Auf dem Transfermarkt hatte Rom im Sommer vor allem eine grosse Baustelle, welche José Mourinho und Sportdirektor Tiago Pinto beheben wollten: Nach dem Abgang von Edin Dzeko brauchte es frische Kräfte im Sturm.
So entschied sich die Roma für zwei Transfers und holte einerseits den Engländer Tammy Abraham von Chelsea und den Usbeken Eldor Shomurodov von Genua. Das neue Sturmduo kostete die «Giallorossi» knapp 60 Millionen Euro – diesen Preis konnten die beiden allerdings noch nicht richtig rechtfertigen. So stellt Rom bisher nur die zehntbeste Offensive der Liga, hinter Teams wie Verona oder Sassuolo.
Vor allem an Abraham waren die Erwartungen der Fans gross. Der Engländer kostete 40 Millionen und wurde damit zum zweitteuersten Transfer der Geschichte Romas. Seine bisherige Ausbeute von acht Toren in 21 Ligaspielen ist zwar in Ordnung, aber nicht so gut, wie man es erhofft hatte – zumal Abraham bisher statistisch gesehen einer der am wenigsten effizienten Stürmer ist. Zudem ist auch sein Wert von Anzahl Toren pro Spiel relativ dürftig. Von allen Spielern mit mindestens zehn Spielen liegt er mit einem Wert von 0,38 nur auf Rang 17.
Auch Shomurodov konnte die Erwartungen bislang nicht wirklich erfüllen. Der Usbeke, der meist als Joker zum Einsatz kommt, erzielte in 18 Liga-Einsätzen nur zwei Tore und konnte damit seine Ablösesumme von knapp 18 Millionen nicht rechtfertigen.
Neben den erwähnten negativen Zeichen gibt es doch auch ein paar Punkte, welche die Roma-Fans etwas optimistischer stimmen dürften. So sind etwa die Leistungen trotz durchzogenen Resultaten eigentlich meist relativ gut. In der Tabelle der «Expected Points» liegt die AS immerhin auf Rang 5, nur knapp hinter Milan und noch vor Atalanta und der Fiorentina. Wird man also vor allem in der Offensive etwas effizienter, scheint es durchaus realistisch, dass die Resultate wieder besser werden.
Ebenfalls positiv stimmt, dass es Mourinho trotz den mässigen Erfolgen in der Serie A geschafft hat, das Vertrauen der Fans zu behalten. So zeigt er sich etwa auf Social Media immer wieder mit der Stadt verbunden, was bei den Anhängern gut ankommt.
So wird Moutinho trotz eines Punkteschnitts, der bei vielen anderen zu Diskussionen über eine Entlassung sorgen würde, wohl bis Ende Saison in Ruhe weiterarbeiten dürfen. Dies ist beim hitzigen Römer Publikum ein grosser Vorteil – das Gegenteil erfuhren zuletzt die beiden in Ungnade gefallenen Paulo Fonseca und Eusebio Di Francesco.
Und was ebenfalls wichtig ist: Trotz allem hat Rom diese Saison eine grosse Chance, um nach 14 Jahren endlich mal wieder einen Titel zu gewinnen. In der Conference League holten sich die Römer trotz der Blamage gegen Bodö/Glimt den Gruppensieg und sind nach dem Out von Tottenham neben Leicester der wohl grösste Favorit auf den Turniersieg.