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Trumps Geheimwaffe: Der irre Alex Jones

Alex Jones, a well-known Austin-based broadcaster and provocateur, arrives for a child custody trial at the Heman Marion Sweatt Travis County Courthouse in Austin, Texas, on Wednesday April 19, 2017.  ...
Alex Jones während einer Verhandlungspause seines Scheidungsprozesses.Bild: AP/Austin American-Statesman
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Trumps Geheimwaffe: Der irre Alex Jones

Per Radio, YouTube und Online verbreitet Infowars Verschwörungstheorien der gröbsten Sorte und erreicht damit mehr Menschen als FoxNews oder Breitbart. Der Kopf heisst Alex Jones – und sein grösster Fan ist Donald Trump.
27.04.2017, 13:4628.04.2017, 04:12
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In einem Gerichtssaal in Texas spielt sich derzeit ein Scheidungsprozess der besonderen Art ab. Kelly Jones will sich von Alex Jones trennen und verlangt auch, dass der Vater ihrer gemeinsamen Kinder kein Besucherrecht erhält. Ihre Begründung: Er sei gewalttätig und durchgeknallt.  

Wer es sich antun will: Alex Jones in Aktion an einer Frauendemo.Video: YouTube/ilpiolo

Wer sich ein Video des Radio-Talkers anguckt, wird ihr auf der Stelle Recht geben. Der Mann brüllt und tobt nicht nur wie ein Irrer ins Mikrophon, er verbreitet auch Dinge, die ihn eigentlich sofort in eine geschlossene Anstalt bringen müssten. Die These, wonach 9/11 von der US-Regierung selbst inszeniert worden sei, ist dabei noch das Harmloseste.

Wer es lieber lustig mag: Stephen Colbert imitiert Alex Jones.Video: YouTube/The Late Show with Stephen Colbert

Jones behauptet auch, dass das Schulmassaker von Sandy Hook – dabei wurden 28 Menschen, darunter 20 Kinder getötet – nur inszeniert worden sei, um schärfere Waffengesetze zu erzwingen. Er ist selbstredend auch ein Aluhut-Träger und glaubt, dass die Kondensstreifen der Flugzeuge eine Verschwörung einer globalen Elite zur Verdummung und Ausbeutung sei.  

epa05663029 Conservative lobbyist and consultant Roger Stone speaks with the press in the lobby of Trump Tower in New York, NY, USA, 06 December 2016. US President-elect Donald Trump is holding meetin ...
Seit Jahrzehnten an der Seite von Trump: Roger Stone.Bild: EPA/ABACA USA POOL

Jones ist derart durchgeknallt, dass im Wahlkampf die Kandidaten der Grand Old Party auf Distanz gingen – ausser einem: Donald Trump. Die Gründe dafür erläutert Trumps wichtiger Einflüsterer und langjähriger Berater Roger Stone in seinem Buch «The Making of the President 2016»:  

«Alex Jones und sein Infowars-Schirm, bestehend aus Radio-Shows, YouTube und Facebook-Videos, einer Internet-Website und Tweets, haben sich als Trumps Geheimwaffe herausgestellt. Millionen folgen dem enorm populären Jones, dem Genie mit heiserer Stimme von Infowars. Und, wie ich schon früh erkannte, sind das alles potenzielle Trump-Wähler. Ja, ich weiss, Jones hat seine Kritiker in den Mainstream-Medien. Aber ich liebe den Kerl! Seine wütenden Attacken haben einen Nerv der Nation getroffen und er spricht für Millionen. Alex hat mehr Menschen, die ihm folgen, als FoxNews oder CNN.»

Hämisch und stolz berichtet Stone, dass es Trump völlig egal war, dass Infowars das Sandy-Hooks-Massaker als Fake darstellt. Hauptsache, er trieb Hillary Clinton zum Wahnsinn. «Trump hat diese Lügen nie in Frage gestellt», so Stone. «Er ging in die Show von Jones und sagte: ‹Dein Ruf ist erstaunlich. Ich werde dich nicht im Stich lassen.›»  

Eines der wenigen Versprechen übrigens, das Trump tatsächlich gehalten hat. Nach seinem Wahlsieg gehörte Jones zu den ersten, bei denen er sich bedankte. Auch heute noch hört er auf ihn. Die völlig haltlose These, wonach Barack Obama Trump hätte abhören lassen, soll ebenfalls aus der Küche von Alex Jones stammen.  

Im Scheidungsprozess gegen seine Ex-Frau argumentieren die Anwälte von Alex Jones damit, dass seine Wut und seine Tiraden bloss gespielt und seine Talkshows keine Politik, sondern Unterhaltung seien. Mit diesem Phänomen befasst sich in der «New York Times» der Soziologe Nick Rogers.  

FILE - In this Jan. 7, 2007, file photo, potential Reform Party presidential candidate Donald Trump, left, speaks at a news conference in Minneapolis with Gov. Jesse Ventura. Well before Donald Trump  ...
Waren einst dicke Freunde: Donald Trump und der Wrestler Jesse Ventura.Bild: Richard Drew/AP/KEYSTONE

Rogers vergleicht Jones und Trump mit den professionellen Wrestlern. Dazu ein kleiner Einschub: Trump war lange mit dem Profi-Wrestler Jesse Ventura eng befreundet. Dieser war Mitglied der inzwischen wieder eingestellten Reform Party und wurde Gouverneur des Bundesstaates Minnesota. Im Jahr 2008 hat Trump ebenfalls ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, als Präsidentschaftskandidat für die Reform Party anzutreten.  

Der unausgesprochene Vertrag im Wrestling

Im Wrestling gibt es den Begriff «kayfabe». Dieser Begriff bezeichnet einen nicht ausgesprochenen Vertrag zwischen den Wrestlern und ihrem Publikum: Wir spielen euch etwas vor, das ganz klar Fake ist, beharren aber darauf, dass es real ist, und dass eure Emotionen ebenfalls real sind. Beide von uns geben das niemals zu, weil sonst die Magie nicht mehr funktioniert.

epa05916671 (09/32) Wrestler 'Big Fire' (L) strangles his opponent 'Cowboy' during a hardcore wrestling match at the Brakpan Community Hall, in Brakpan, Johannesburg, South Africa, ...
Echt oder gespielt: Spielt keine Rolle. Hauptsache die Emotionen sind rein.Bild: KIM LUDBROOK/EPA/KEYSTONE

«Für die Zuschauer des Wrestlings existieren Fake und Realität friedlich nebeneinander», stellt Rogers fest. «Fragt man einen Fan, ob die Schlägereien bloss gestellt seien, dann interessiert ihn das nicht. (...) Bei Kayfabe geht es nicht darum, ob man Fakten verifizieren kann; es geht um die Reinheit der Emotionen.»

Warum Fakten und Widersprüche keine Rolle spielen

Alex Jones und Donald Trump haben das Prinzip des Kayfabe auf die Politik übertragen – mit durchschlagendem Erfolg. Wenn Trump an einem Rally behauptet, er werde eine Mauer gegen Mexiko bauen und die Mexikaner würden sie bezahlen, dann ist das Kayfabe in Reinkultur: Die Fans johlen und klatschen, obwohl sie faktisch gesehen nicht wirklich daran glauben, aber die Emotionen, die sie verspüren, sind rein.  

Trump ist dank Kayfabe ins Weisse Haus gekommen, Alex Jones wird damit vielleicht das Besucherrecht für seine Kinder erstreiten. Fakten prallen an Kayfabe wirkungslos ab. «Die kulturellen Eliten können diese Männer auf Fakten überprüfen und Widersprüche aufdecken, bis sie blau im Gesicht sind», so Rogers. «Kayfabe verdammt dies alles zur Bedeutungslosigkeit.»  

Keine wirklich erbaulichen Aussichten.

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40 Kommentare
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N. Y. P. D.
27.04.2017 14:11registriert Oktober 2015
Kayfabe !
Herr Löpfe, der Vergleich mit dem Wrestling finde ich sehr gut.
Diesen Begriff kann man tatsächlich nehmen, um das System Trump zu beschreiben.
Mit Fakten kann man diesem System auch kaum Herr werden.
Vielleicht Trump mit den gleichen Waffen schlagen ?
Ich staune, wie völlig verblödet seine Wähler sind..
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INVKR
27.04.2017 15:37registriert Januar 2015
«Die kulturellen Eliten können diese Männer auf Fakten überprüfen und Widersprüche aufdecken, bis sie blau im Gesicht sind», so Rogers.

Also gehören jetzt alle, die solchen Flachpfeifen nicht auf den Leim gehen schon zur "kulturellen Elite"? Schöne neue Welt.
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m:k:
27.04.2017 15:26registriert Mai 2014
Ein spannender Artikel. Den Vergleich zwischen Wrestling und Trumps Politik finde ich gut. Wie Wrestling ist auch Trump zweifelsohne unterhaltsam. Er spielt sein Leben lang eine Rolle. Jetzt hat er sich die des konservativen Politikers auf die Fahne geschrieben und bedient sein Publikum damit. Nur leider macht er nicht ein kurzes Match am Abend, holt sich seinen Applaus ab und geht dann wie das Publikum nach Hause.
Leider ist dies die Realität und er kann in seiner Rolle grossen Schaden für uns alle anrichten.
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